Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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10. Kapitel.

Wenn die warmen Sonnenstrahlen durch die dichten Wolken durchzubrechen beginnen, wenn an den Bäumen die ersten Knospen erscheinen, und sich die Felder mit dem jungen Grün bedecken, hält meist auch die Hoffnung in die menschlichen Herzen ihren Einzug. Der Frühling des Jahres 1655 brachte aber der Republik keinen Trost. – Am Himmel erschienen immer neue Zeichen, die Unheil und Elend prophezeiten. Die Wolken, die vorüberzogen, glichen bald Türmen, bald Festungen, die mit fürchterlichem Donnergepolter zusammenstürzten, denn Gewitterregen und Stürme überschütteten die Erde, die noch mit Schnee bedeckt war. Die Kieferwälder färbten sich gelb, die Äste der Bäume krümmten sich auf unheimliche Weise, Vögel und wilde Tiere starben an unbekannten Krankheiten. Endlich bemerkte man auch an der Sonne ungewöhnliche Flecke, die bald einem durchstochenen Herzen, bald einem Kreuze glichen. Alles dieses versetzte die Gemüter der Bevölkerung mehr und mehr in Unruhe.

Man prophezeite Krieg und wieder Krieg, und plötzlich, Gott weiß aus welcher Quelle, lief ein unheilverkündendes Gerücht von Mund zu Mund, von Dorf zu Dorf, daß von Schweden her Gewitterwolken heraufzögen. – Und obgleich der interimistische Friede mit den Schweden erst in sechs Jahren ablief, sprach man auf dem Reichstag in Warschau, den Jan-Kasimir einberufen hatte, von Krieg.

Alle blickten unruhigen Herzens auf Großpolen, über das dies neue Gewitter zuerst hereinbrechen mußte. Die Abreise einer außerordentlichen Gesandtschaft nach Schweden regte die Gemüter noch mehr auf, anstatt sie zu beruhigen.

Schließlich machte der Befehl des großpolnischen Generals Leszczynski, der die Landwehr der Wojewodschaften Posen und Kalisz zur Verteidigung der Grenzen gegen den drohenden Einfall der Schweden einberief, allen Zweifeln ein Ende.

Der Ruf »Krieg!« verbreitete sich in ganz Großpolen und in allen Provinzen der Republik. Dies war aber nicht das einzige Unglück, denn im Süden und Osten wüteten von neuem die Truppen Chmielnickis und die Buturlins, im Norden schürten Chowanski und Trubeckoi die Brandfackeln des Krieges. Und jetzt nahte von Westen her der Schwede.

Das ganze Reich glich einem Kriegslager; aber in diesem Lager selbst standen die Dinge schlecht. Ein Verräter, Radziejowski, war schon in die feindlichen Reihen eingetreten und offenbarte dem Feinde all die schwachen Seiten der Polen. Außerdem herrschten überall Faulheit, Willkür, Sittenverderbnis und Neid. Es fehlte nicht an Magnaten, die miteinander verfeindet waren, und an solchen, die mit dem Könige grollten und jede Minute bereit waren, das Vaterland ihren eigenen Plänen zu opfern.

Das bis dahin vom Kriege verschont gebliebene Großpolen sparte wenigstens kein Geld für die Verteidigung. Die Städte und die Dörfer des kleinen Landadels stellten die genügende Anzahl Soldaten. Und ehe noch die Schlachta selbst das Kriegslager bezog, hatten sich schon die bunten Regimenter der Feldinfanterie unter Führung von Rittmeistern versammelt.

An drei verschiedenen Orten sollten die Edelleute der Landwehr mit den Rittmeistern zusammentreffen. Die Infanterie, die inzwischen Schanzen auswarf, mußte tagelang auf die Kavallerie warten.

Zuerst erschien der Kaliszer Wojewod, Pan Andreas Grudzinski, mit einer zahlreichen weiß mit blau bekleideten Dienerschaft. Er hatte geglaubt, bei seiner Ankunft von der Kaliszer Schlachta umringt zu werden. In seinen Erwartungen enttäuscht, ritt er zu Pan Stanislaus Skrzetuski, der die Erdarbeiten überwachte.

»Wo sind denn meine Leute?« fragte der Wojewod den Rittmeister, den er seit der Kindheit kannte.

»Welche Leute?«

»Die Kaliszer Landwehr!«

»Erlauchtigster Pan Wojewod!« sagte Skrzetuski mit einem flüchtigen, verächtlichen Lächeln, »jetzt ist die Zeit der Schafschur, und schlecht gewaschene Wolle kauft man in Danzig nicht. Jeder Schlachtschitz beaufsichtigt jetzt die Wäsche oder steht bei der Wage. Er überlegt sehr richtig, die Schweden werden uns nicht davonlaufen.«

»So, also ist noch niemand hier?« fragte der Wojewod verlegen.

»Keine Seele, – nur die Feldinfanterie. Und nach der Schafschur kommt die Ernte. Ein guter Wirt verläßt sein Haus nicht zu dieser Zeit.«

»Was erzählen Sie mir da alles!«

»Und die Schweden, – die gehen uns nicht verloren, die kommen ja immer näher,« fuhr der Rittmeister fort.

Der Wojewod errötete.

»Die Schweden! Was schere ich mich zum Deibel um die Schweden! – Ich schäme mich vor den anderen Wojewoden, wenn ich hier einsam bleibe!«

Skrzetuski lächelte wieder.

»Erlauben Sie mir zu bemerken,« sagte er, »daß die Schweden doch hier die Hauptsache sind, und nachher kommt erst Ihr Schamgefühl in Betracht. Übrigens, Sie brauchen sich gar nicht zu schämen. Die Landwehr der anderen Bezirke ist auch noch nicht zur Stelle.«

»Sie sind alle von Sinnen!« rief Pan Grudzinski.

»Das gerade nicht, – sie sagen sich, wenn wir nicht nach Schweden gehen, so werden die Schweden zu uns kommen, – Wozu also die Eile?« – –

Skrzetuski hatte jedoch mit seiner Verurteilung der Schlachta nur zur Hälfte recht. Zum zweiten Termine, Ende Juni, begann die Schlachta sich einzustellen.

Täglich kündigten dicke Staubwolken auf den Landstraßen die Ankunft neuer Regimenter an. Die Edelleute kamen lärmend, umgeben von einer Menge Dienerschaft. Sie führten Wagen, die mit allerlei guten Sachen bepackt waren, und Berge verschiedenartigster Waffen mit sich; Spieße, Flinten, altmodische Pistolen, Säbel und eine Menge ganz außer Gebrauch gekommener Waffen.

Von all dem kleinen Landadel, der die Republik bewohnte, war der großpolnische der wenigst kriegerische. Tataren, Türken und Kosaken waren in ihr Gebiet noch nicht eingebrochen, so hatten sie seit den Kreuzzügen längst verlernt, was Krieg heißt.

Jetzt, wo der schwedische Krieg sie ihren friedlichen Beschäftigungen entriß, glaubten sie sich genügend ausgerüstet, wenn sie sich die verschiedenartigsten Waffen umhingen und soviel wie möglich Vorräte und Dienerschaft für ihre Bequemlichkeit mit sich führten.

Es waren merkwürdige Soldaten, die da heranzogen, und es war sicherlich für die Rittmeister eine sehr schwierige Aufgabe, mit ihnen auszukommen. So erschien z. B. ein Schlachtschitz im Panzer und mit einer neunzehn Fuß langen Lanze, aber mit einem Strohhut auf dem Kopfe. Einer klagte während des Exerzierens über die Hitze, ein anderer gähnte, der dritte aß und trank dabei, und alle waren sich darin einig, daß eine laute Unterhaltung in der Front durchaus nicht unmöglich sei. Noch schwieriger war es, die Disziplin aufrecht zu halten, da jeder Edelmann es unter seiner Würde hielt, sich ihr zu unterwerfen.

Und gegen ein solches Heer marschierte von Stettin, von der Oder her, Arvid Wittemberg, ein alter Führer, ein Held des Dreißigjährigen Krieges, mit 17000 Veteranen, die durch eiserne Disziplin zusammengeschmiedet waren. Sie alle waren Söhne des Krieges, – kalte, ruhige Handwerker, die ihr Handwerk bis zur Virtuosität ausgebildet hatten. – Konnte ein erfahrener Mensch zweifeln, nach welcher Seite sich der Sieg neigen würde?

Und mehr und mehr stellte sich die Schlachta der Republik ein; es kamen hohe Würdenträger aus Großpolen mit ihren Leibwachen und ihrer Dienerschaft. Nach Pan Grudzinski erschien der mächtige Posener Wojewod, Pan Christof Opalinski, der mit hundert gelb mit rot gekleideten und mit Musketen bewaffneten Heiducken und vielen Reitern ankam. Er selbst fuhr in einem Wagen, begleitet von seinem Hofnarren.

Kaum hatte sich der Staub, den der Zug des Wojewoden aufgewirbelt hatte, gesetzt, als der Wojewod Piotr Opalinski, des ersteren Vetter, mit seinem Schwager Wojewod Jakob Rozdrazewski eintraf. Jeder von ihnen hatte 150 bewaffnete Leute und den in ihrer Umgegend wohnenden Kleinadel mitgebracht. Kaum ein Tag verging, wo nicht ein neuer Würdenträger heranzog. Das Städtchen war schließlich überfüllt, und die umliegenden Felder wimmelten von den Zelten der Landwehr. Das Ganze bot ein buntes, farbenreiches Bild; denn jeder Schlachtschitz, wenn er sich nicht im Dienste eines Magnaten befand, trug seine beliebige Kleidung, und auch die Infanterie eines jeden Kreises hatte ihre eigenen Farben.

Bald versammelte sich unter dem Vorsitz des Posener Wojewoden der Kriegsrat. – Wirklich ein sonderbarer Kriegsrat; an ihm nahmen lauter der Kriegsführung unkundige hohe Würdenträger teil. Keiner getraute sich als erster das Wort zu ergreifen. Jeder wartete, was »Agamemnon«, der Posener Wojewod, sagen werde.

Agamemnon aber selbst wußte nicht, wo er anfangen sollte; er erging sich in Klagen über die Undankbarkeit und Lässigkeit des Königs, durch die er ganz Großpolen den feindlichen Anschlägen auslieferte, aber zur Sache selbst wußte er nichts zu sagen.

Schließlich einigte man sich dahin, bei dem Rittmeister Pan Wladislaus Skorazewski, der ein bekannter und tüchtiger Kriegsmann war, Rat einzuholen. Dieser riet, man solle drei befestigte Lager aufschlagen, die nur so weit voneinander entfernt waren, daß sich die Besatzungen gegenseitig unterstützen konnten. An den Flußübergängen solle man Schanzen aufwerfen, und er selbst wolle mit einem kleinen Detachement Rekognoszierungen unternehmen.

Der Vorschlag wurde angenommen. Die Stimmung im Lager hob sich sichtlich. Im ganzen hatten sich bisher von der Schlachta 15 000 Mann eingestellt.

Und während die Infanterie mit dem Aufwerfen der Schanzen beschäftigt war, rückte das Ende des Juli heran. Es war ein selten heißer Monat; die Schlachta verbarg sich vor den sengenden Strahlen der Sonne in den Wäldern und schlug ihre Zelte in dem Schatten der Bäume auf. Ein Gastmahl folgte dem anderen, Fröhlichkeit und Lärm herrschten allerorten. Man befand sich im allgemeinen in recht munterer Stimmung, aber die Unordnung nahm von Tag zu Tag zu.

Noch wäre es nicht unmöglich gewesen, daß man einen Angriff Wittembergs zurückgewiesen hätte; denn wenn auch diese Leute des Kriegshandwerks nicht gewöhnt waren, so floß doch in ihren Adern Ritterblut, und die augenblickliche Begeisterung hätte sie bei einem Angriff allmählich in Wut und Zorn versetzt, die ihnen eine unbesiegbare Kraft verliehen hätten. Vielleicht hätte ein zweiter Jeremias Wisniowiecki Ujscie, das der Posener Wojewod als Hauptlager besetzt hielt, in ein zweites Zbaraz verwandelt und seinen Namen mit blutigen Lettern in die Geschichte eingeschrieben. Aber Wittemberg, der nicht nur das Kriegshandwerk kannte, sondern sich auch auf Menschen verstand, zögerte wahrscheinlich mit Absicht. Einige Wochen später schon war die Landwehr durch die lange Untätigkeit lässig geworden. Die Schlachta weigerte sich weiter zu exerzieren, mit der Ausrede, daß die Pferde der Stechfliegen wegen doch nicht stille ständen. Die Dienerschaft geriet immer mehr in Streitigkeiten, und auch unter den Pans kam es oft zu Säbelkämpfen. Manche entfernten sich auf Nimmerwiedersehen heimlich aus dem Lager.

Von oben her fehlte es auch nicht an bösen Beispielen. Kaum verkündete Pan Skoraszewski das Herannahen des schwedischen Heeres, als der Kriegsrat dem Pan Siegmund Grudzinski, für den sich sein Onkel, der Kaliszer Wojewod, verwendet hatte, die Erlaubnis gab, nach Hause zurückzukehren.

»Wenn ich schon hier mein Leben lassen muß,« so begründete der Wojewod sein Gesuch, »so soll mich wenigstens mein Neffe überleben, damit meine Verdienste und mein Ruhm sich auf ihn vererben.«

Und dann führte er die Jugend und Unschuld des Neffen und seine eigene Freigebigkeit, mit der er der Republik hundert ausgezeichnete Infanteristen zur Verfügung stellte, ins Feld, und der Kriegsrat gab den Bitten des Onkels nach.

An demselben Tage fanden sich mehrere hundert Edelleute, die dem Pan Grudzinski in nichts nachstehen wollten. Viele fragten erst gar nicht um Erlaubnis, sondern verließen einfach das Lager. – Man rief den Kriegsrat wieder ein, aber die ganze Schlachta wollte an ihm teilnehmen. Als die Nacht hereinbrach, herrschte wüster Lärm und große Unruhe. Einer hatte den anderen in Verdacht, daß er fliehen wolle. Und überall ertönten die Rufe: »Entweder alle, oder niemand!«

Es entstanden Gerüchte, daß die Führer das Heer verlassen wollten, und die Wojewoden mußten sich mehrmals der aufgeregten Menge zeigen. Mehrere tausend Mann saßen bis zum Tagesanbruch zu Pferde, und der Posener Wojewod ritt mit entblößtem Kopfe ihre Reihen entlang und wiederholte jede Minute die großen Worte:

»Panowie! Mit euch leben und sterben!«

An manchen Stellen empfing man ihn mit Vivat-Rufen, an anderen aber spottete man über ihn. Er aber, nachdem er die Menge besänftigt hatte, kehrte heiser, ermüdet, berauscht von der Majestät seiner eigenen Worte, in den Rat zurück. Er glaubte fest, daß er sich in dieser Nacht große Verdienste um das Vaterland erworben hatte.

Aber im Rat sprach er nicht mehr so beredt und überzeugend, er wiederholte ganz verzweifelt:

»Findet Mittel, wenn ihr könnt! Ich wasche meine Hände in Unschuld. Mit solchen Soldaten kann man keinen Verteidigungskampf führen. – Und dann, wir haben ja keine Geschütze. Unsere Mörser sind gerade gut genug, um Böllerschüsse abzugeben.«

»Bei Zbaraz hatte Chmielnicki 70 Geschütze, Fürst Jeremias aber hatte nur mehrere Haubitzen,« warf Pan Skrzetuski ein.

»Fürst Jeremias aber verfügte über ein gutgeschultes Heer, dessen Ruhm in der ganzen Welt verbreitet war, er hatte keine solchen Herren Schafzüchter wie wir hier.«

»Das beste ist, man schickt nach Pan Skoraszewski,« empfahl Pan Czarnkowski, der Posener Kastellan. – »Er ist allgemein beliebt und wird es verstehen, die Schlachta in Zucht zu halten.«

»Nach Skoraszewski schicken!« stimmte auch Pan Grudzinski bei.

»Ja, ja, das ist ein ausgezeichneter Rat!« ertönten mehrere Stimmen.

Man sandte einen Boten nach Skoraszewski. Andere weitere Beschlüsse faßte der Rat nicht; aber von allen Seiten wurden viele Klagen über den König, die Königin und den Mangel an Truppen laut.

Auch der folgende Morgen brachte keinen Trost, keine Beruhigung. Im Gegenteil, der Wirrwarr vergrößerte sich noch. Das Gerücht lief umher, daß die Calvinisten bereit seien, bei der ersten Gelegenheit zum Feind überzulaufen.

»Zeigt uns die Verräter!« schrie die erregte Schlachta. »Man muß das Unkraut ausjäten, sonst sind wir alle verloren!«

Wieder mußten die Wojewoden und Rittmeister alle beruhigen, und um die erregten Gemüter zu besänftigen, verwies man einen der vermeintlichen Verräter aus dem Lager.

Eine eigentümliche Stimmung herrschte im Lager. Manche hatten den Mut ganz verloren und gingen niedergeschlagen umher; andere liefen schweigend, ziellos, längs der Wälle entlang und sahen unruhig auf die Ebene, von woher der Feind kommen mußte. Wieder anderer hatte sich eine sinnlose, verzweifelte Fröhlichkeit bemächtigt und eine übergroße Bereitwilligkeit, in den Tod zu gehen. Deshalb veranstalteten sie Gastmähler und Trinkgelage, um den Becher der Lebensfreude vor ihrem Tode bis auf den Grund zu leeren. Niemand im Lager dachte an einen Sieg, obwohl der Feind keine numerische Überlegenheit besaß; er hatte nur mehr Geschütze und einen Führer, der sich auf die Kriegskunst verstand.

Und während das polnische Heer siedete, brodelte und schäumte wie ein Meer, das von Winden bewegt wird, kamen ruhig auf den breiten, grünen Wiesen, die die Oder umsäumen, die schwedischen Truppen daher. – Zweiundsiebzig Kanonen hinterließen in dem saftigen Grün ihre tiefen Furchen. Es waren im ganzen 17000 Mann, die plündernd fast ganz Deutschland durchzogen, und die so diszipliniert waren, daß sie sich gut mit der königlichen französischen Garde messen konnten. Hinter den Regimentern bewegten sich in ganzen Zügen Fuhren mit Gepäck und Zelten. Die Truppen marschierten in tadelloser Ordnung, jede Minute kampfbereit.

Endlich, es war am 27. Juli, erblickten die schwedischen Soldaten im Walde bei dem Flecken Heinrichsdorf den ersten polnischen Grenzpfahl. Ein Jubelruf erschallte im ganzen Heer, die Trompeten bliesen, und die blauen Fahnen mit den weißen Kreuzen in der Mitte flatterten hoch im Winde. – Wittemberg, der mit einer glänzenden Suite vorausritt, hielt an und ließ alle Soldaten vorbeidefilieren: die Kavallerie mit gezogenen Degen, die Kanonen mit brennenden Lunten. Es war zur Mittagszeit eines strahlenden Sonnentages, Harzgeruch erfüllte die ganze kräftige Waldluft.

Die graue, von der Sonne überflutete Straße, auf der die schwedischen Truppen daherzogen, verlor sich in weiter Ferne. Als die Regimenter aus dem Walde heraustraten, lag vor ihren Augen ein fröhliches, lächelndes Land. Glänzende, goldene Felder wechselten mit grünen Wiesen und dunklen Eichenwäldern ab. Auf den Weideplätzen grasten die Herden, und da, wo die Wiesen noch sumpfig waren, spazierten gravitätisch und ungestört Störche umher.

Welch ein heiliger Friede, welch eine Stille lag über diesem von Milch und Honig triefenden Stückchen Erde! Es schien, als ob sie den Truppen ihre Arme entgegenstrecke, nicht um einen Feind abzuwehren, sondern um einen von Gott gesandten Gast zu empfangen.

Ein Schrei des Entzückens entrang sich den Kehlen der Soldaten, die an die arme und wilde Natur ihrer Heimat gewöhnt waren. Die Herzen des armen, räuberischen Volkes entbrannten in dem Wunsch, sich dieser Schätze, die vor ihren Augen zerstreut lagen, zu bemächtigen. Eine Art Fieber ergriff alle Soldaten.

Aber sie, die das Feuer des Dreißigjährigen Krieges gestählt hatte, begriffen sehr wohl, daß ihnen all diese Reichtümer nicht ohne Kampf zufallen würden; sie wußten, daß dieses Land ein zahlreiches, kriegerisches Volk bewohnte, das sich gut zu verteidigen verstand. In die Herzen der Schweden zogen zugleich mit der Freude ernste Bedenken ein, von denen selbst ihr Führer, Wittemberg, nicht frei war.

Er wandte sich schließlich an einen dicken Mann mit heller Perücke, deren Locken auf die Schultern herabfielen:

»Sie versichern also,« sagte er, »daß es mit meinen Truppen möglich sein wird, die feindlichen Kräfte, die sich in Ujscie gesammelt haben, zu schlagen?«

Der Mann mit der hellen Perücke lächelte.

»Sie können sich vollständig auf meine Worte verlassen. Wenn bei Ujscie reguläre Truppen ständen und einer der Hetmans, so würde ich der erste sein, der Ihnen riete, nicht so zu eilen, sondern die Ankunft Seiner Majestät des Königs und seines Heeres abzuwarten. Aber gegen die Landwehr und die Pans sind unsere Truppen mehr als genug. Und Verstärkungen können der Landwehr nicht geschickt werden. Auch glauben Jan-Kasimir, der Kanzler und der Senat noch immer nicht, daß Seine Majestät Karl-Gustav entgegen dem Friedensvertrag und ungeachtet der letzten Gesandtschaft den Krieg anfangen würde. – Cha-cha-cha!«

Der dicke Mann nahm den Hut ab, trocknete sein rotes Gesicht und fügte hinzu:

»Trubeckoi und Dolgoruki in Litau, Chmielnicki in der Ukraina, und wir marschieren in Groß-Polen ein. – So weit hat es die Regierung Jan-Kasimirs gebracht!«

Wittemberg warf einen zweifelhaften Blick auf ihn und fragte:

»Und Sie freut das alles?«

»Ich freue mich, daß die mir zugefügte Beleidigung gerächt werden wird.«

Der Mann, der sich mit Wittemberg unterhielt, war Jeronimus Radziejowski, der frühere Unter-Kanzler Polens.

»Oxenstiern ist noch immer nicht zu sehen,« sagte Wittemberg, »Wer weiß, ob Ihr Rat gut war, ihn als einfachen Trompeter verkleidet nach Ujscie zu senden.«

»Er war gut,« entgegnete Radziejowski. »Er wird sich das Lager und die Führer ansehen und erfahren, was man dort über uns denkt. – Ein einfacher Soldat konnte das doch nicht leisten.«

»Was aber, wenn man ihn erkennt?«

»Auch dann wird ihm nichts Böses zustoßen, – man wird ihm noch was auf den Weg mitgeben. – Ich kenne die Polen; sie sind zu allem bereit, wenn sie sich vor anderen von der guten Seite zeigen können, um von Fremden gelobt zu werden.«

»Und was denken Sie, werden unsere Briefe Eindruck machen?«

Radziejowski lachte.

»Wenn Sie mir gestatten, Prophet zu sein, so werde ich Ihnen genau voraussagen, wie es da beim Empfang Ihrer Briefe zugehen wird. – Der Pan Wojewod von Posen, ein politischer und gelehrter Mann, wird Ihnen Ihren Brief fein und sehr höflich beantworten. Er wird schreiben, daß er bereit wäre, für sein Vaterland den letzten Tropfen Blut zu vergießen, daß der Tod besser als Unehre sei, und noch andere Redensarten mehr. Im Ernst aber denkt er gar nicht daran, für sein Vaterland zu sterben; denn er liebt nur, es mit der Feder zu verteidigen. Zum Schluß wird er Ihnen Gesundheit und gute Erfolge wünschen; er wird Ihnen seine Ergebenheit versichern, und Sie bitten, seine und seiner Verwandten Güter zu verschonen, wofür er Ihnen seine und seiner Verwandten Erkenntlichkeiten versprechen wird.«

»Nun wohl, aber welches praktisches Resultat werden unsere Briefe haben?«

»Daß alle dort ganz den Kopf verlieren, daß die Pans und Senatoren mit uns in Unterhandlung eintreten werden, und daß wir nach einigen Schüssen in die Luft ganz Groß-Polen besetzen.«

»Hoffen wir, daß Sie ein guter Prophet sind!«

»Ich bin überzeugt, daß alles so sein wird. – Bei uns stellt jeder die eigenen Interessen höher als die Integrität der Republik. Der Boden, auf dem wir jetzt stehen, ist Eigentum der Opalinskis, Grudzinskis und Czarnkowskis, und da diese gerade bei Ujscie stehen, so werden sie unwillkürlich sehr nachgiebig sein bei den Verhandlungen.«

»Sie erweisen dem Könige durch Ihre Kenntnis des Landes und der Leute unschätzbare Dienste, die Ihnen sicherlich nicht unbelohnt bleiben werden.« – – –

Einige Tage, bevor die schwedischen Truppen die Grenze überschritten hatten, war im polnischen Lager der schwedische Trompeter mit den Briefen von Wittemberg und Radziejowski erschienen. Man führte ihn zum Wojewod von Posen.

Nachdem dieser den Brief gelesen hatte, begann man zu beratschlagen. Den Trompeter überwies man den Adligen mit dem Befehl, ihn nach echt ritterlicher Art zu bewirten. Und die Schlachta trank demgemäß mit ihm auf Leben und Tod.

Pan Skoraszewski, dem das Benehmen des Trompeters zu ritterlich vorkam, äußerte den Verdacht, daß der Schwede ein verkleideter, höherer Offizier sei; aber der Wojewod wollte nichts von der Gefangennahme des Trompeters wissen.

Der Trompeter unterhielt sich unterdessen in gebrochenem Deutsch mit dem Teil der Schlachta, der durch seine Beziehungen mit preußischen Städten ihn verstand. Er sprach von Wittembergs Siegen in den verschiedenen Ländern, von der großen Streitkraft, die geradeswegs auf Ujscie zu marschierte und von den ungewöhnlich weittragenden Geschützen, denen nichts widerstehen konnte. Die Schlachta war äußerst betroffen. Im Lager erzählte man bald von den Schweden Geschichten, eine ungeheuerlicher als die andere.

Das Beraten der Antwort dauerte bis zum Tagesanbruch. Inzwischen brachte Stanislaus Skrzetuski die Nachricht, daß die Schweden nur einen Tagesmarsch weit entfernt seien. Die Unordnung, die nun entstand, war unbeschreiblich. Alle Bemühungen der Rittmeister, Ruhe zu schaffen, waren umsonst. In diesem Augenblicke hätte ein einziger feindlicher Kanonenschuß genügt, um eine fürchterliche Panik hervorzurufen.

Allmählich fing man an sich zu beruhigen, und zur Mittagszeit bot das Lager einen wirklich imposanten Anblick.

Infanterie und die Reiterei nahmen regimenterweise Aufstellung, die Kanonenlunten waren angezündet und rauchten.

Endlich war man auch mit der Antwort fertig, die mehr oder weniger der Voraussagung Radziejowskis entsprach. Der Posener Wojewod befahl dem Skoraszewski und Skrzetuski, sich an die Spitze einer freiwilligen Schar zu stellen und die Umgegend zu rekognoszieren. Nach einigem Zögern boten sich fünfhundert freiwillige Reiter dazu an. Mit Skoraszewski und Skrzetuski an der Spitze überschritten die Reiter den Fluß und verschwanden bald aus dem Gesichtskreise der anderen. Gegen Abend kehrten sie zurück brachten einige Dutzend gefangene Infanteristen mit sich. Die Schlachta lief den Reitern entgegen und rief: »Vivat Skrzetuski! Vivat Skoraszewski!«

Eine dichte Menge umringte bald die Gefangenen.

Man besah sie sich, man fragte, wie man sie gefangen genommen hatte; einige stießen auch Drohungen gegen sie aus.

»Brave Kerle sind's,« erzählte einer der Freiwilligen, »haben sich tapfer verteidigt. Aber schließlich sind sie doch nicht aus Eisen; einem Säbelhieb widerstehen sie auch nicht.«

»Sie konnten euch also nicht widerstehen?«

Dieser Vorgang ermutigte sichtlich die Schlachta; wenn man ihr jetzt befohlen hätte, sich auf den Feind zu stürzen, so wäre sie mutig drauf losgegangen. – Noch war aber der Feind nicht da, und anstatt seiner kam ein zweiter Gesandter Wittembergs mit einem Briefe. Wittemberg forderte die Schlachta auf, sich freiwillig zu ergeben. Als die Truppen dies erfuhren, wollten sie sich vor Zorn darüber an den Boten vergreifen, aber die Wojewoden hielten den Inhalt des Briefes doch einer Beratung wert.

Der schwedische General teilte unter anderem mit, daß Karl-Gustav seinem Verwandten Jan-Kasimir Hilfstruppen gegen die Kosaken sende, und daß sich die Schlachta deshalb ohne Widerstand zu ergeben habe. Pan Grudzinski schlug vor Empörung mit der Faust auf den Tisch. Der Posener Wojewod aber besänftigte ihn sogleich durch die Frage:

»Glauben Sie denn an einen Sieg? Wieviel Tage, meinen Sie, können wir Widerstand leisten?«

Nach einer langen Beratung beschloß man, gar nicht zu antworten und sich abwartend zu verhalten.

Bald kam die Nachricht, daß das schwedische Heer sich nahe. Im Lager ging es zu wie in einem Bienenstock vor dem Schwärmen.

Skoraszewski ritt mit mehreren hundert Freiwilligen voraus, um sie an den Anblick des Feindes zu gewöhnen. Als sie den Fluß überschritten hatten, sahen sie die Schweden wie eine schwarze Linie am Horizont; sie tauchten vor ihnen auf wie ein plötzlich aus dem Boden gewachsener Wald. Der Feind kam naher und näher und nahm eine immer größere Fläche der Ebene ein.

Die Schlachta vermutete, daß die Schweden ihnen Freiwillige entgegenschicken würden; statt dessen bemerkte sie auf den naheliegenden Hügeln Gruppen von je zehn Menschen, die irgend etwas vornahmen. Skoraszewski kommandierte deshalb:

»Linksum kehrt!«

Kaum verhallten die Kommandoworte, als ein Schuß fiel, gleichzeitig vernahm man Geschrei und Gestöhn der Verwundeten.

»Halt!« rief Pan Wladislaw Skoraszewski.

Die Schweden feuerten weiter, und jeder Schuß rief neues Geschrei hervor. Die Schlachta verweigerte den Gehorsam, wich zurück und flehte Gott um Hilfe an. Schließlich zerstreuten sich die Reiter und sprengten vereinzelt dem Lager zu.

Pan Stanislaus Skrzetuski entschloß sich, mit zwei Bannern einen kühnen Angriff zu wagen, aber die Soldaten folgten ihm nur widerwillig. Einige Tapfere drängten zwar vorwärts, aber die meisten waren zu feige und hielten ihre Pferde gewaltsam zurück. Wittemberg schickte ihnen zwei Reiter-Regimenter entgegen, die die Schlachta nach kurzem Gefecht vom Felde Vertrieben und bis zum Lager verfolgten.

Dann brach die Nacht herein und machte der blutlosen Schlacht ein Ende.

Im polnischen Lager ging alles drunter und drüber. Die Unordnung begann damit, daß mehrere hundert Landwehrleute sich nachts aus dem Lager schleichen wollten. Als dieses bemerkt wurde, griff man zu den Säbeln und versuchte, die Ausreißer zurückzuhalten. Wieder erschollen die Rufe: »Alle oder keiner!« Aber nach dem Bilde zu urteilen, wollten gern alle fort. Alle waren mit den Führern und der gewählten Position unzufrieden, und von Zeit zu Zeit hörte man Stimmen ausrufen: »Panowie, rettet euch!« Wittemberg hätte in dieser Nacht das ganze Lager mühelos einnehmen können.

Es begann Tag zu werden. Ein trüber, bleicher Morgen beleuchtete eine Versammlung von mutlosen Menschen, die schluchzten und klagten, die trunken und bereit zu allem waren, sogar zur Schande, nur nicht zum Kampfe. Zum Unglück hatten die Schweden des Nachts unbemerkt den Fluß überschritten und das Lager umringt.

Bei den polnischen Führern und Soldaten gab es nur einen Gedanken: Frieden anbieten!

Man schickte Boten zu den Schweden. Als Antwort erschien eine glänzende Gesandtschaft mit Radziejowski und General Wirtz an der Spitze, die beide grüne Zweige trugen. Sie wurden zum Hause des Posener Wojewoden geführt, und Radziejowski redete unterwegs auf die Schlachta ein:

»Panowie! Brüder! Wir kommen nicht als Feinde zu euch. Von euch allein hängt es ab, ob ein Tropfen Blut vergossen werden soll. Wollt ihr statt eines Tyrannen einen großen, guten Herrscher, einen Krieger von solchem Ruhm, daß schon sein Name genügt, um sämtliche Feinde der Republik in den Staub zu werfen, so stellt euch unter den Schutz von Karl-Gustav. Panowie! Brüder! Ich versichere euch, daß weder eure Rechte noch eure Religion angetastet werden. Panowie! Seine Majestät der König von Schweden verpflichtet sich, den Aufruhr der Kosaken zu unterdrücken, dem litauischen Krieg ein Ende zu machen! Erbarmt euch des unglücklichen Vaterlandes, wenn ihr mit euch selbst kein Erbarmen habt!« – Die Stimme des Verräters war von Tränen erstickt.

Die Schlachta stand dicht gedrängt unter den Fenstern des Wojewodenquartiers. Man hörte, daß drinnen erbitterte Diskussionen geführt wurden ... Stunde auf Stunde verrann; die Beratung nahm kein Ende.

Plötzlich wurde die Eingangstür heftig aufgestoßen, und Pan Wladislaw Skoraszewski stürzte heraus.

Alle wichen erschrocken zurück.

Dieser Ritter, den sie stets nur ruhig und sanft gesehen hatten, sah furchtbar aus. Seine Augen waren zornsprühend und rot, sein Oberrock war aufgerissen, und beide Hände hielt er an den Kopf gepreßt.

»Verrat! Schande! Schande! Jetzt sind wir schon Schweden, nicht Polen!« schrie er durchdringend.

Und er schluchzte konvulsivisch, wie ein Mensch, der seine Besinnung verloren hat. Rings um ihn herrschte Grabesstille.

Dann schrie Skoraszweski in einem Ton, in dem unsägliche Verzweiflung lag, jäh auf:

»An die Waffen! An die Waffen, wer an Gott glaubt!«

Durch die Menge ging ein Flüstern, Rauschen gleich dem ersten Windstoß vor dem Ausbruch eines großen Gewitters. Die Herzen, die Gemüter schwankten, und inmitten dieses unentschlossenen Raunens vernahm man unaufhörlich die tragischen Worte: »An die Waffen, wer an Gott glaubt! An die Waffen!«

Nach einiger Zeit gesellten sich zu Skoraszewski noch drei Rittmeister hinzu. Die Schlachta umringte sie. Man vernahm Geschrei und Säbelgeklirr. Wladislaw Skoraszewski unterdrückte seine wahnsinnige Erregung und begann, auf das Haus des Posener Wojewoden weisend, zu erzählen:

»Hört ihr, Panowie! Dort verkaufen sie das Vaterland wie Judas den Herrn. Der Schmach und der Schande liefern sie es aus! Es genügte ihnen nicht, dem Feinde alles zu übergeben, – die Truppen, die Kanonen! – Möge ein Blitz vom Himmel sie treffen! Sie haben in ihrem und eurem Namen unterzeichnet, daß sie sich vom Herrscher lossagen, daß das ganze Land, die Städte, die Festungen und wir alle von nun an Schweden gehören werden. – Daß sich eine Truppe ergibt, das kommt vor; aber wer hat das Recht, sich vom Vaterlande und Könige loszusagen! Panowie! Es ist eine Schande! Verrat! Mord! Rettet das Vaterland, Panowie! Wir wollen unser Leben, unser Blut dafür hingeben! Wir wollen nicht Schweden werden! Wollen nicht! Wehe dem, der jetzt mit dem Vaterlande kein Mitleid hat; es wäre ihm besser, er wäre nie geboren worden!«

»Verrat! Tod den Verrätern!« riefen mehrere Stimmen.

»Zu uns, wer ein Schlachtschitz ist!« rief Skrzetuski.

Mit den Rufen: »Zu uns! Verrat!« durchschritten sie das Lager. Mehrere Hundert folgten ihnen mit blank gezogenen Säbeln. Aber die Mehrheit, die ungeheure Mehrheit rührte sich nicht von der Stelle.

Die Türen des Beratungshauses öffneten sich wieder, und die Wojewoden, gefolgt von der schwedischen Gesandtschaft, traten heraus. Christof Opalinski trug in seinen Händen eine mit Siegeln versehene Pergamentrolle. Er schritt hochgehobenen Hauptes aus der Tür; aber in seinen Augen lag Unruhe und Unsicherheit. Todesstille empfing die Ritter; dann hub Opalinski mit klarer Stimme an:

»Panowie! Von heute ab stellen wir uns unter das Protektorat Seiner Majestät des Königs von Schweden. Vivat König Karl-Gustav!«

Dieselbe Stille folgte der Erklärung des Wojewoden.

»Alle Rechte der Schlachta und der Geistlichkeit bleiben bestehen, die Steuern werden nicht erhöht, alles bleibt beim alten. Niemand soll gekürzt oder verfolgt werden. Außerdem hat uns General Wittemberg im Namen des Königs versprochen, daß, sobald das ganze Land unserem rettenden Beispiel gefolgt sein wird, die schwedischen Truppen nach Litauen und der Ukraina ziehen und das ganze Land von allen Feinden befreien werden, solange bis alle Provinzen und Schlösser der Republik wieder zurückerobert sind. – Vivat König Karl-Gustav!«

»Vivat König Karl-Gustav!« riefen mehrere Stimmen.

»Vivat König Karl-Gustav!« donnerte es im ganzen Lager.

Vor aller Augen umarmte der Posener Wojewod Radziejowski und General Wirtz. Dann umarmten sich alle gegenseitig. Unaufhörlich schrie man »Vivat!« und das Echo trug diesen Ruf nach allen Himmelsrichtungen.

»Meine Herren,« begann nach einer Weile der Posener Wojewod von neuem, »General Wittemberg lädt uns alle ein, heute in sein Lager zu kommen. Wir wollen bei gefüllten Bechern einen brüderlichen Bund mit den tapferen Schweden schließen.«

»Vivat Wittemberg! Vivat! Vivat!«

»Und dann nachher kehren wir nach Hause zurück und beginnen mit Gottes Hilfe mit der Ernte. Wir nehmen das erhebende Bewußtsein mit uns, daß wir am heutigen bedeutungsvollen Tage das Vaterland gerettet haben!«

»Die künftigen Geschlechter werden uns Gerechtigkeit widerfahren lassen,« sagte Radziejowski.

»Amen,« beendete der Wojewod.

Plötzlich bemerkte er, daß die Augen der Schlachta auf einen Gegenstand über seinem Kopfe gerichtet waren.

Der Wojewod wandte sich um, er erblickte seinen Narren, der, auf den Zehenspitzen stehend, mit Kohle folgende Worte über die Tür des Beratungshauses schrieb:

»Mene, Tekel, Upharsin.«

Inzwischen hatte der Himmel sich mit dichten, schwarzen Wolken bezogen; ein Gewitter war im Anzuge.


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