Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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15. Kapitel.

Pan Sapieha hatte sein Quartier interimistisch in Biala aufgeschlagen. Seine Kräfte bestanden aus Zehntausend Mann regulärer Truppen, Reiterei und Fußvolk. Das waren zum Teil die Reste des litauischen Heeres, die durch Rekruten ergänzt worden waren.

Als Kmicic mit seinen Tataren nach Biala kam, fürchtete er, von den früheren Radziwillschen Offizieren und der Litauer Schlachta erkannt zu werden und bösen Anfeindungen und Mißtrauen ausgesetzt zu sein. Freilich hatte sein Äußeres sich seit der Zeit sehr verändert, aber er beschloß doch, mit Sapieha darüber zu sprechen.

Der Wojewod empfing ihn freundlich; wie sollte er den nicht freundlich aufnehmen, von dem der König selbst schrieb:

»Ich schicke Ihnen unseren treuesten Diener, genannt der Czenstochauer Hektor, weil er die heilige Stätte verteidigt hat, einen Ritter, der mehrere Male für mich und unsere Sache das Leben einsetzte. Ich empfehle ihn Ihrer besonderen Aufmerksamkeit, damit er seitens Ihrer Offiziere keinerlei Kränkungen ausgesetzt ist. Sein Name ist ein angenommener, aber mir ist der richtige bekannt und auch die Gründe, die ihn zwingen, zu einem falschen Zuflucht zu nehmen.«

»Und warum tragen Sie einen falschen Namen?« fragte der Wojewod.

»Ich bin ein Flüchtling; ich kann dem Könige nicht unter meinem Namen dienen. Aber ich will Ihnen alles gestehen. Mein Name ist Kmicic.«

Der Wojewod trat mehrere Schritte zurück.

»Jener, der den König entführen und ihn lebend oder tot dem Fürsten Boguslaw ausliefern wollte?«

Und nun erzählte Kmicic mit der ihm eigenen Energie seine ganze Vergangenheit.

Der Wojewod durfte nicht zweifeln, – bürgte doch für diesen Mann der König selbst. Außerdem war Sapieha in diesem Augenblicke so gut gestimmt, daß er selbst seinen größten Feind umarmt haben würde. Denn der König hatte ihm geschrieben, daß er ihm, vorausgesetzt, daß der Reichstag seine Wahl bestätige, den durch den Tod Radziwills freigewordenen Großhetmansstab verleihe.

»Da der König mich zum Großhetman ernannt hat,« sagte Pan Sapieha zu Kmicic, »so bin ich von nun an Ihr Höchstvorgesetzter, und Sie haben nichts zu befürchten. Ich werde außerdem das meinige tun, um Sie in den Augen meiner Offiziere von Boguslaws Verleumdung reinzuwaschen.«

Die Nachricht von der Ernennung Sapiehas verbreitete sich schnell im ganzen Lager. Die Offiziere versammelten sich unter den Fenstern des Hetmans und riefen ihn mit Hochrufen heraus. Überall wurden Freudenfeuer angezündet, die Trompeten geblasen und aus Kanonen und Musketen geschossen. Pan Sapieha veranstaltete ein glänzendes Mahl, und die Nacht verging unter fröhlichen Rufen und Trinksprüchen.

Pan Kmicic wohnte dem Festmahle nicht bei, und der Großhetman lenkte wie beiläufig das Gespräch auf die Perfidie aller Radziwills im allgemeinen.

»Sie alle waren in der Kunst, Intrigen zu schmieden, äußerst geschickt,« sagte Sapieha, »aber Boguslaw übertrifft seinen Vetter darin bei weitem! – Panowie! Sie haben wohl alle von Kmicic gehört? Stellen Sie sich nur vor, das Gerücht, das Boguslaw über ihn verbreitet hat, das ist eine gemeine Lüge!«

»Kmicic förderte aber doch Janusz' Pläne!«

»Ja, aber später erkannte er die Wahrheit, und als ein Mann von hitzigem Temperament ergriff er Boguslaw, um ihn dem Könige auszuliefern. Der Fürst entkam ihm leider und klügelte sich diese niederträchtige Rache aus. Kmicic floh nach Czenstochau, wo er Wunder der Tapferkeit verrichtete, und später deckte er mit seinem eigenen Leben das des Königs.«

Und dieselben Offiziere, die eine Minute vorher bereit waren, Kmicic zu steinigen, begannen jetzt sehr wohlwollend über ihn zu sprechen.

»Der Fürst Oberstallmeister warf durch seine Verleumdung einen schwarzen Fleck auf alle Soldaten!«

»Und wenn der Pan Hetman die Gewähr übernimmt, so wird sich wohl alles so zugetragen haben. – Die Gesundheit des Pan Hetmem!«

Es fehlte nicht viel, und man hätte wahrscheinlich auch die Gesundheit Kmicic' getrunken. Übrigens fielen auch einige feindliche Äußerungen über Kmicic, zumeist aus den Reihen der früheren Radziwillschen Offiziere. Als Sapieha das hörte, bemerkte er ruhig:

»Und wissen Sie, Panowie, wieso ich gerade heute an diesen Kmicic gedacht habe? Der königliche Abgesandte Babinicz ähnelt ihm wie ein Tropfen Wasser dem anderen. Im ersten Augenblicke habe ich selbst mich getäuscht.«

Hier sah Sapieha seine Gäste der Reihe nach streng an, dann fuhr er fort:

»Und wenn Kmicic auch selbst hierher käme, da er sich gebessert, so würde ich ihn vor jeder Unannehmlichkeit zu schützen wissen. Ich hoffe, daß der Abgesandte des Königs, seiner Ähnlichkeit mit Kmicic wegen, keiner solchen begegnet. Das bemerke ich ausdrücklich für die Herren Rittmeister des Landsturms, wo die Disziplin am schwächsten ist.«

Anna Borzobohata sandte Sapieha am folgenden Tage in Begleitung des Pan Kotczyc nach Grodno, wo sich des Wojewoden Familie aufhielt.


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