Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

11. Kapitel.

Von den Festungstoren aus rutschten Bauern, Schlachtschitzen, Städter aus den verschiedensten Ortschaften, Leute allerlei Stände und verschiedenen Alters auf den Knieen zum Kloster, indem sie fromme Lieder sangen. Dieser Strom von Menschen konnte sich nur sehr langsam fortbewegen. Jedesmal, wenn ein Gesang beendet war, verstummte die Menge und begann, mit der Stirn auf die Erde zu schlagen. Dann vernahm man die flehenden Stimmen der Bettler, die zu beiden Seiten der Menschenmenge saßen und ihre verstümmelten Gliedmaßen zeigten. Ihr Gestöhn mischte sich mit dem Klappern von Münzen, die in hölzerne und bleierne Schüsseln fielen. Dieses Gewoge von Köpfen floß immer weiter. Je näher man der Klosterpforte kam, desto mehr ging die fromme Stimmung in Extase über. Überall sah man zum Himmel gerichtete Augen und flehend gen Himmel gestreckte Arme und Gesichter, die vor innerer Erregung bleich wie der Tod waren. Die Standesunterschiede waren vollständig verschwunden. Bauernkittel mischten sich mit den Gewändern der Pans, Soldatenuniformen mit den gelben Kaftans der Städter.

Kmicic, der mit seinen Leuten in den vordersten Reihen dahinrutschte, erreichte als einer der ersten das Kloster. Dann riß ihn der Menschenstrom in die heilige Kapelle hinein. Hier fielen alle mit dem Gesicht zur Erde und küßten den Boden. Auch Pan Andreas tat das, und als er es endlich wagte, den Kopf zu erheben, raubte ihm ein Gefühl der Seligkeit und des Glückes und zugleich der tödlichen Furcht fast die Besinnung.

In der Kapelle herrschte eine rötliche Dämmerung, die selbst die vor dem Altar brennenden Kerzen nicht verscheuchen konnten. Durch die bunten Fensterscheiben drangen farbige Strahlen, und all dieser rote, violette, goldige Schein zitterte an den Wänden, lag über den Schnitzereien, drang in die finstersten Vertiefungen und schuf unbestimmte, wie in tiefen Schlaf versunken scheinende Gegenstände. Dieser geheimnisvolle Schein floß auseinander und verschmolz wiederum mit der Dunkelheit so unmerklich, daß jeder Unterschied zwischen Licht und Schatten aufhörte. Der Weihrauch legte sich in purpurroten Wolken auf das weiße Chorgewand des die Messe lesenden Mönches und spielte in den blassen Farben des Regenbogens. Das alles war verschwommen, unklar. Das Licht war nicht irdisch und ebenso wenig die Schatten. Alles war geheimnisvoll, feierlich, getränkt von Erhabenheit und Heiligkeit.

Aus dem Hauptschiffe der Kirche drang es wie das Brausen des Ozeans, hier aber herrschte tiefe Ruhe, die allein von der Stimme des Mönches unterbrochen wurde.

Das berühmte Czenstochauer Heiligenbild war noch verschleiert, und die Erwartung schnürte den Atem in der Brust eines jeden zusammen. Aller Augen waren nach einer Stelle gerichtet, und die unbeweglichen Gesichter zeigten, daß die Menschen von allen irdischen Gefühlen und Gedanken losgelöst waren.

Die Orgel begleitete mit ihren zarten, weichen Tönen die Stimme des Mönches. Bald erklang die Musik rauschend wie das Wasser eines Sturzbaches, dann wieder leise plätschernd wie ein sanfter, erquickender Mairegen. Plötzlich ertönten Trompetenstöße, und eine unerklärliche Angst durchschauerte alle Herzen. Der Vorhang des Heiligenbildes zog sich nach beiden Seiten auseinander, und ein Meer von Licht ergoß sich von oben herab auf die Betenden.

In der Kapelle hallte es wieder von Geschluchze, Gestöhn und Wehklagen.

»Salve Regina!« brüllte die Schlachta, »monstra te esse matrem!« Und die Bauern riefen: »Heilige Jungfrau! Königin der Engel! Rette, hilf, tröste, erbarme dich unser!«

Und lange noch ertönten diese Rufe zugleich mit dem Schluchzen der Frauen, mit den Klagen der Unglücklichen, dem Flehen der Kranken und Krüppel.

Kmicic schien es, als wenn seine Seele entschwebe hinein in eine Unendlichkeit, die er weder umfassen noch begreifen konnte, und in der alles Irdische verschwand. Was waren seine Zweifel angesichts dieses Glaubens, was galt sein Gram angesichts solchen Trostes, was die Macht der Schweden angesichts dieses Schutzes?

All sein Denken hörte hier auf; er begann nur zu fühlen. Er vergaß alles, wer er war, und wo er war. Sein Körper schien tot zu sein, und seine Seele war mit den Tönen der Orgel ins Unendliche geflogen und verschmolz mit dem Dunst des Weihrauchs. Die Hände, die ans Schwert und Blutvergießen gewöhnt waren, streckten sich unwillkürlich gen Himmel.

Inzwischen war die Messe zu Ende. Pan Andreas wußte selbst nicht, wie es zugegangen war; er befand sich mit einem Male im Hauptschiffe der Kirche. Ein Geistlicher predigte dort, Kmicic aber hörte lange nichts, verstand nichts. Er war wie jemand, der aus Träumen erwacht und nicht weiß, wo der Traum aufhört und die Wirklichkeit beginnt.

Die ersten Worte, die ihm zum Bewußtsein kamen, waren: »Hier reinigt sich die menschliche Seele von allen Schlacken. Und ebensowenig wie die im Finstern Irrenden das ewige Licht der Wahrheit auslöschen können, ebensowenig kann der Schwede diese Macht besiegen.«

»Amen,« sagte Kmicic im Geiste und begann, sich reuig an die Brust zu schlagen. Hatte er sich nicht vorher schwer versündigt, als er glaubte, daß alles schon verloren und keine Hoffnung mehr sei?

Nach der Predigt hielt Pan Andreas den ersten ihn begegnenden Mönch an und bat ihn, ihn zum Prior zu führen.

Der Prior empfing ihn sogleich. Er war ein Mann in reiferen Jahren, aus dessen ruhigem, bleichem Gesicht, das von einem schwarzen Barte umrahmt war, sanfte, aber klarblickende Augen sahen. In seinem langen, weißen Gewande ähnelte er einem Heiligen. Kmicic küßte ihm ehrfurchtsvoll den Ärmel, und er faßte Kmicic' Kopf mit beiden Händen und fragte: »Wer bist du, und warum bist du hergekommen?«

»Ich komme aus Smudien,« antwortete Pan Andreas, »um mich der heiligen Jungfrau, dem unglücklichen Vaterlande und dem von allen verlassenen Könige zu weihen. Ich habe ihnen allen gegenüber viel gesündigt, und meine reuige Seele dürstet danach, alle diese Sünden abzubüßen, bald, möglichst bald, morgen, heute schon. Meine ganze Seele erstirbt vor Kummer. – Ehrwürdiger Vater, meinen richtigen Namen werde ich Euch in der Beichte nennen; denn es gibt böse Menschen, die mich sonst an meiner Besserung hindern könnten. Vor den Leuten nenne ich mich »Babinicz«, so heißt nämlich eins meiner Güter. – Jetzt aber will ich Euch eine wichtige Nachricht bringen, die das ganze Kloster betrifft. – Hört mich geduldig an!«

»Sprecht, ich höre,« entgegnete der Prior.

»Eine weite Reise liegt hinter mir. Ich habe viel Trauriges gesehen und viel Gram dabei empfunden. – Der Feind hat allenthalben die Oberhand gewonnen, die Ketzer erheben ihre Köpfe. – Aber das ist noch nicht alles! – Die Katholiken selbst gehen in das Lager des Feindes über, der jetzt, nach der siegreichen Einnahme zweier Städte, es wagt, seine ruchlose Hand nach Jasna-Gora zu strecken!« »Woher wißt Ihr das?« fragte der Prior Kordecki.

»Gestern übernachtete ich in Kruszyn. Dort traf ich Weyhard Wrzeszczowicz und den kaiserlichen Abgesandten Lisola, der vom Kurfürsten von Brandenburg kam und zum schwedischen Könige wollte.«

»Der schwedische König ist nicht mehr in Krakau,« antwortete der Geistliche, indem er Pan Andreas scharf in die Augen blickte. Aber Kmicic senkte die Augen nicht und fuhr fort:

»Ich weiß nicht, ob er da ist oder nicht. Ich weiß das eine, Lisola fuhr zu ihm, und den Wrzeszczowicz hatte man ihm entgegengeschickt. Die beiden unterhielten sich in der Gaststube deutsch, ohne zu wissen, daß ich sie verstand. Und da hörte ich, daß Weyhard den Befehl erhalten habe, das Kloster zu besetzen und seine Schätze zu konfiszieren.«

»Gottes Wille geschehe!« entgegnete der Prior.

Kmicic erschrak. Er fürchtete, Kordecki nähme den Befehl des schwedischen Königs als Gottes Wille an und denke an keinen Widerstand.

»Ich habe in Pultusk eine katholische Kirche in den Händen der Schweden gesehen,« begann Pan Andreas unentschlossen, »dort haben die Soldaten Karten gespielt und mit lüderlichen Frauenzimmern Unzucht getrieben.«

Der Geistliche hörte nicht auf, ihm fest in die Augen zu sehen.

»Eigentümlich,« sagte er, »aus Ihren Augen blicken Wahrheit und Aufrichtigkeit.«

Kmicic brauste auf.

»Gott möge mich auf der Stelle treffen, wenn ich die Unwahrheit sage!«

»Jedenfalls sind die von Ihnen mitgebrachten Nachrichten von großer Wichtigkeit. Sie werden mir gestatten, daß ich die älteren Brüder und die Schlachtschitzen, die sich bei uns aufhalten und uns mit ihrem Rat unterstützen, hierher rufen lasse?«

»Ich bin gern bereit, in ihrer aller Anwesenheit meine Nachricht zu wiederholen.«

Kordecki ging hinaus und kehrte nach einer Viertelstunde mit vier Mönchen wieder. Bald kamen auch: Pan Rozyc-Zamoyski, der Sieradzker Miecznik, Pan Okielnicki, der Wielunsker Fahnenträger, Pan Piotr Czarniecki und noch mehrere Schlachtschitzen herein.

Der Prior stellte ihnen Pan Babinicz aus Smudien vor und erzählte allen Kmicic' Mitteilung. Die Schlachta verwunderte sich sehr und begann, Kmicic mit prüfenden, mißtrauischen Augen zu betrachten.

»Gott verhüte, daß ich diesen Kavalier einer Lüge oder einer schlechten Absicht zeihe,« hub Kordecki zu sprechen an, »aber die von ihm überbrachte Nachricht klingt so unglaublich, daß ich es für besser hielt, mit Ihnen, meine Herren, darüber zu beraten. Vielleicht hat sich der Ritter geirrt, sich verhört, oder ist von einem Ketzer getäuscht worden, damit er unsere Herzen mit Angst erfülle, Unruhe an diesem geweihten Orte hervorrufe und den Gottesdienst störe. Denn das sind so ihre Vergnügungen, deren sie nicht entraten können.«

»Man müßte die ganze Sachlage einmal klar darlegen«, sagte Pan Zamoyski.

»Die Sache ist die,« antwortete der Geistliche, »es sei denn, daß Gott und seine Heilige Mutter unseren Feind mit Blindheit geschlagen hätte, sonst würde er es nie wagen, sein Schwert gegen diese heilige Stätte zu erheben. Nicht durch eigene Kraft hat unser Feind die Republik erobert, unsere eigenen Brüder haben ihm dabei geholfen. Wie tief aber auch unser Volk gesunken sein mag, so gibt es doch selbst darin eine Grenze, die es nicht zu überschreiten wagt. Es hat sich von unserem Vaterlande, von seinem Herrscher losgesagt, aber es hat nicht aufgehört, seine Mutter, Beschützerin und Königin zu verehren. – Der Feind macht sich lustig über uns, er verspottet uns, er fragt uns, welche von unseren alten Tugenden uns noch geblieben sind. Und ich antworte ihm: Wir gehen zugrunde; aber eins ist uns noch geblieben, der Glaube an die heilige Jungfrau, – und auf diesem Fundament wird ein neues Gebäude errichtet werden. – Das sehe ich klar: wird nur eine einzige schwedische Kugel einen einzigen Stein aus diesen Mauern reißen, so werden selbst die Verblendetsten sich von den Schweden abwenden, und ihre gestrigen Verbündeten werden morgen ihre Feinde sein. – Und darum wiederhole ich, Gott müßte sie mit Blindheit geschlagen haben, sonst werden sie keinen Überfall auf Jasna-Gora wagen; denn dieser Tag wäre der Anfang ihres Endes und unserer Genesung.«

Kmicic hörte mit Staunen den Worten des Geistlichen zu. Waren sie doch eine Antwort auf Wrzeszczowicz' Angriffe. Er zwang sich, seiner Herr zu werden und sprach:

»Und warum, ehrwürdiger Vater, glaubt Ihr, daß der Herr Gott unsere Feinde nicht mit Blindheit geschlagen hätte? Denket an ihren Hochmut, an ihre Habgier, gedenket des unerträglichen Druckes, der Steuern, die sie der unglücklichen Bevölkerung auferlegt haben, und begreift, daß sie nicht vor einer Schändung des Allerheiligsten zurückschrecken werden.«

Der Prior wandte sich zur Antwort an alle Versammelten.

»Dieser Kavalier sagt, daß er Pan Lisola gesehen habe, als er auf dem Wege zum schwedischen Könige war. Wie aber kann das sein, da man mir von Krakau aus mitgeteilt hat, daß der König sich weder in Krakau noch in Klein-Polen befände, daß er gleich nach der Einnahme von Krakau nach Warschau gegangen sei?«

»Das kann nicht sein!« antwortete Kmicic, »er erwartet von den Truppen des Pan Potocki die Erklärung ihrer Ergebenheit.«

»Diese Erklärung wird General Douglas im Namen des Königs entgegennehmen,« sagte der Prior. »So hat man mir aus Krakau geschrieben.«

Kmicic schwieg, er wußte nichts mehr zu erwidern.

»Nehmen wir an,« fuhr Kordecki fort, »der König habe den kaiserlichen Gesandten nicht empfangen mögen und ihn absichtlich gemieden, Karl-Gustav liebt es, unerwartet zu kommen und zu gehen, – so ist es doch immerhin eigentümlich, daß Graf Wrzeszczowicz dem Lisola gleich alle seine geheimen Gedanken eröffnet haben soll, einem Katholiken, der sowohl uns als auch dem vertriebenen König wohlgesinnt ist. Und außerdem bedenken Sie, ich besitze eine Urkunde von Karl-Gustav, in der er verbrieft, daß unser Kloster für alle Zeiten von einer Einquartierung und Besetzung verschont bleiben soll.«

»Und was können Sie nun entgegnen, Kavalier?« fragte Zamoyski: »Warum, zu welchem Zwecke wollen Sie die Ruhe der heiligen Väter und die unsere hier stören?«

Kmicic stand wie ein vom Gericht Verurteilter. Einerseits quälte ihn der Gedanke, daß, wenn man ihm nicht Glauben schenkte, das Kloster eine Beute der Feinde würde, andererseits aber stieg ihm die Schamröte ins Gesicht bei dem Gedanken, man könne ihn hier für einen Betrüger halten; denn in der Tat widersprachen alle diese Gründe seinen Worten. – Die alte, halbwilde Natur erwachte in ihm, schließlich gelang es ihm doch, sich zu beherrschen, und er sagte mit dumpfer Stimme:

»Ich kann nur noch einmal wiederholen, was ich gehört habe. Weyhard Wrzeszczowicz wird das Kloster überfallen. Den Zeitpunkt kenne ich nicht; ich glaube aber, er ist nahe. Ich warne Sie, und wenn Sie nicht hören wollen, so fällt die Verantwortung nicht auf mich.«

Hier mischte sich Pan Piotr Czarniecki ein.

»Gestatten Sie mir« sagte er, »diesem Ankömmling ein paar Fragen zu stellen.«

»Erlauben Sie sich nicht, mich irgendwie zu beleidigen!« brauste Kmicic auf.

»Ich habe nicht die geringste Neigung dazu,« erwiderte Pan Piotr trocken. »Hier handelt es sich um die Heilige Mutter Gottes und ihre Stätte, da müssen Sie schon ein wenig Ihre Person vergessen. Wenn es Ihnen beliebt, ich bin jederzeit bereit, Ihnen Genugtuung zu geben. – Sie bringen uns Nachrichten, und wir wollen ihre Richtigkeit prüfen. – Wenn es Ihnen nicht beliebt, uns Rede und Antwort zu stehen, so fühlen wir uns berechtigt zu denken –«

»Gut, fragen Sie,« sprach Kmicic mit fest zusammengepreßten Zähnen.

»Sie sind aus Smudien, – so müssen Sie also wissen, was im Schlosse des Verräters dort vorgeht. Nun, z. B., so zählen Sie mir die Namen seiner Obersten auf.«

Kmicic wurde kreidebleich, aber er nannte mehrere Namen.

»Pan Tyzenhaus, mein Freund, erzählte mir besonders viel von einem, dem wichtigsten. – Wissen Sie nichts von diesem Erzhalunken?«

»Ich weiß nichts.«

»Wie, Sie haben nichts von dem gehört, der wie Kain seiner Brüder Blut vergossen hat? – Sie kommen aus Smudien und haben nichts von Kmicic gehört?«

»Heilige Väter!« schrie Pan Andreas aus, indem er sich wie im Fieber schüttelte, »möget ihr mich ausfragen, ich werde alles ertragen! – Aber um Gottes willen erlauben Sie diesem Schlachtschitzen nicht, mich weiter zu quälen!«

»Lassen Sie ihn!« rief der Prior.

»Noch eine Frage,« griff der Sieradzker Miecznik in das Gespräch ein. »Haben Sie nicht selbst daran gedacht, daß wir Ihren Worten wenig Glauben schenken könnten?«

»So wahr Gott lebt!« sprach Pan Andreas.

»Was für eine Belohnung haben Sie eigentlich erwartet?«

Statt einer Antwort steckte Pan Andreas seine beiden Hände in fieberhafter Erregung in ein kleines Ledertäschchen, das an seinem Gürtel befestigt war, und schüttete zwei Haufen Perlen, Smaragden, Saphire und andere kostbare Steine auf den Tisch.

»So eine!« rief er mit erstickter Stimme. – »Nicht des Geldes wegen bin ich hierher gekommen, – nicht eines Lohnes wegen. – Hier sind Perlen und verschiedene Steine, das alles ist meine Beute; – von Bojarenmützen habe ich sie heruntergerissen. – Habe ich denn eine Belohnung gefordert? Der heiligen Jungfrau wollte ich mich weihen dürfen, nachdem ich zuvor mein Herz in der Beichte erleichtert hätte, das sollte mein Lohn sein!«

Alle Anwesenden waren verwundert. Was anderes als der Wunsch nach Besitztum konnte diesen Mann verleitet haben, sie irre zu führen!

Kmicic stand mit hoch erhobenem Haupte. Der Ausdruck seines Gesichtes glich dem eines wütenden Adlers. Seine Augen brannten. Zornesröte lag auf seinen Wangen, und seine frische Wunde färbte sich dunkelblau. Er war schrecklich anzusehen mit seinem drohenden Blick auf Czarniecki gerichtet, der seine Empörung am meisten wachgerufen hatte.

»Selbst durch Ihren Zorn leuchtet die Wahrheit hervor,« sagte der Prior, »aber Sie müssen Ihre Schätze zurücknehmen. Die heilige Jungfrau kann das nicht annehmen, was man ihr im Zorn geopfert hat, selbst wenn es auch in gerechtem Zorn geschah. Ich sagte Ihnen schon vorher, wir zweifeln nicht an Ihrer Person, nur an Ihrer Nachricht. Könnten Sie sich nicht geirrt, nicht irgend etwas falsch gedeutet haben? – Und selbst, wenn nicht, wie können wir die Wallfahrer vertreiben und die Tore geschlossen halten?«

»Sie müssen unbedingt geschlossen werden! Gott des Allmächtigen wegen selbst müssen sie geschlossen werden!« rief Kmicic aus.

»Wir wollen genau acht geben auf alles, was in der Umgegend geschieht und die Mauern gut ausbessern lassen,« sagte Pan Zamoyski. »Am Tage können wir die Wallfahrer ja hineinlassen, aber vorsichtig müssen wir sein. Wir sehen ja, wie Wittemberg Krakau mit eisernen Händen hält, und wie er die Geistlichen ebenso bedrückt wie die Weltlichen.«

»Zwar glaube ich nicht an die Gefahr eines Überfalles, aber dennoch habe ich nichts gegen Vorsichtsmaßregeln einzuwenden,« sprach Pan Czarniecki.

»Und ich werde einen Boten zu Wrzeszczowicz schicken und ihn fragen lassen, ob königliche Schutzbriefe für ihn nichts zu bedeuten hätten,« fiel Kordecki ein. »Sie aber, Pan Kavalier,« wandte er sich an Kmicic, »möge Gott für Ihre Absicht belohnen. Wenn Ihre Nachricht richtig ist, so haben Sie dem Vaterlande und der Mutter Gottes einen großen Dienst erwiesen. Sie dürfen sich nicht wundern, daß wir Ihnen zuerst mißtrauten. – Man hat uns schon mehr als einmal unnötig in Schrecken versetzt. Der eine aus Feindschaft, der andere des Lohnes wegen und der dritte aus Irrtum. – Doch jetzt ist es Zeit zur Abendmesse. Gehen wir, und flehen wir die heilige Jungfrau um Barmherzigkeit an, wir wollen uns ihrem Dienste ungeteilt weihen!«

Nach dem Abendgottesdienst beichtete Pan Andreas in der leeren Kapelle dem Prior Kordecki lange. Bis Mitternacht lag er reumütig auf der Erde ausgestreckt wie ein Kreuz. Dann ging er zu Soroka und befahl ihm, seine Schultern und seinen Rücken zu geißeln, bis sie vom Blute überströmt waren.


 << zurück weiter >>