Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

16. Kapitel.

Schließlich ließ sich auch der gefürchtete Anführer der Schweden, Wittemberg, vernehmen. Ein hoher Offizier überbrachte dem Kloster einen grimmigen Brief von ihm mit dem Befehle, dem General Müller unverzüglich die Festung zu übergeben.

Die Mönche beschlossen, ihrer Taktik, die Angelegenheit durch Verhandlungen zu verschleppen, treu zu bleiben. Und wieder strichen Tage dahin, in denen die Friedensverhandlungen oft durch das Getöse der Geschütze unterbrochen wurden.

Müller versuchte immer wieder, den Mönchen zu erklären, daß er seine Soldaten ausschließlich deshalb im Kloster unterbringen wolle, um die Klosterbewohner vor räuberischen Überfällen zu schützen. Die Patres jedoch entgegneten ihm, daß, wenn die Garnison stark genug sei, um einem so berühmten Feldherrn Widerstand zu leisten, sie desto eher einer Räuberbande standhalten könnten.

Des Generals Geduld war nun erschöpft. Ihm, der zuerst nicht begreifen konnte, warum diese schwache Festung Widerstand leistete, während das ganze Land ringsum sich kampflos unterworfen hatte, ihm, der sich vergeblich gefragt hatte, auf welche Kraft, auf welche Hoffnungen sich diese schwachen Mönche stützten, war von der Zeit eine immer klarere Antwort geworden. Trotz seines beschränkten Geistes begriff der General schließlich, was der Prior Kordecki erstrebte. Oberst Sadowski definierte ihm das ganz klar: Hier handelt es sich nicht um dieses Felsennest, um Jasno-Gora, nicht um die Klosterschätze, sondern um das Geschick der ganzen Republik. Dieser friedliche Mönch hat ganz bestimmte Vorstellungen von seiner Mission; er steht auf wie ein Prophet, um durch seinen Sieg oder auch durch seinen Tod und seine Selbstaufopferung die Schlafenden in der Republik aufzuwecken.

Der alte Soldat erschrak bei dieser Erkenntnis sowohl vor seinem Feind selbst als auch vor dessen Mission. Dieser Hühnerstall wuchs plötzlich in seinen Augen ins Unendliche und nahm die Dimensionen eines Berges an, der von Titanen bewacht wird. Er selbst kam sich wie ein Zwerg und seine Armee wie ein Haufen nichtiger Würmer vor. Und Müller verzagte, und Zweifel begannen allmählich sein Herz zu erfüllen. Der Gedanke, daß im Kriege das Glück schnell wechselt, war ihm ein Trost. Was kann nicht alles während solcher Zeiten geschehen! Wunder gibt es nicht, und schließlich muß sich diese Festung doch ergeben. – Die Kanonen, die ihm Wittemberg jetzt nachsandte, hatten schon bei Krakau ihre ungeheure Vernichtungskraft bewiesen. – Das wäre ja Hexerei, wenn solche Mauern unseren sechs weittragenden Kanonen widerstehen könnten! Wenn erst dieses Nest des Aberglaubens und der Zauberei in Staub zerfallen ist, so wird sich auch das Land wieder beruhigen. –

Und aus dieser Zuversicht heraus und in der Erwartung der großen Kanonen gab der General den Befehl, wieder das Feuer zu beginnen. Die Belagerung und die Feindseligkeiten nahmen nun wieder ihren Fortgang. Aber vergebens fielen die glühenden Kugeln auf die Dächer der Klostergebäude, vergebens machten die gewiegtesten Kanoniere übermenschliche Anstrengungen; sobald der Wind die Rauchsäulen zerstreute, zeigte sich das Kloster in all seiner Majestät, unversehrt, mit seinen gen Himmel ragenden Türmen. Und es gab noch eine ganze Reihe bloßer Zufälligkeiten, die unter den Belagerern eine große Panik hervorriefen. Bald flogen Geschosse über den Berg herüber und töteten jenseits stehende Schweden, bald fiel ein Kanonier, der das Geschütz richtete, vom Schlage getroffen zu Boden, bald entzündete sich das Pulver in den Kisten aus unbekannten Gründen, und der Rauch und Pulverdampf, der über dem ganzen lagerte, nahm unheimliche, Unheil verkündende Formen an. Soldaten, die sich zu zweien oder dreien weiter vorwagten, kamen, ohne daß man erkannte wie, um.

Der Verdacht der Urheberschaft aller dieser Vorgänge richtete sich auf die polnischen Hilfsregimenter, die, außer Kuklinowskis Regiment, sich weigerten, an der Belagerung teilzunehmen und mit jedem Tage eine immer bedrohlichere Haltung annahmen.

Müller drohte dem Oberst Zbrozek, ihn und seine Leute vor das Kriegsgericht zu stellen, der aber antwortete in Gegenwart aller Offiziere: »Versuchen Sie das, General!« Die Soldaten der polnischen Regimenter, die nichts zu tun hatten, benutzten ihre Zeit, um mit den schwedischen Offizieren Streitigkeiten anzufangen, die oft Zweikämpfe zur Folge hatten, denen die in der Fechtkunst wenig geübten Schweden meist zum Opfer fielen. Schließlich verbot der General jegliche Zweikämpfe und verwehrte den Polen den Zutritt zu dem schwedischen Lager. Beide Verbündeten standen sich jetzt wie Feinde gegenüber, bereit, jeden Augenblick aufeinander loszustürzen.

Und das Kloster verteidigte sich immer energischer. Es erwies sich, daß die vom Krakauer Wojewoden übersandten Geschütze den Müllerschen in nichts nachstanden, und die Kanoniere erreichten durch die lange Übung eine fast unglaubliche Vollkommenheit. Die schwedischen Soldaten schrieben all dies der Hexerei zugute und erklärten einfach ihren Vorgesetzten, daß sie der Macht, die das Kloster beschütze, nicht gewachsen seien.

So vergingen wiederum zwei Tage. Unaufhörlich dröhnten die Geschütze, beide Parteien hörten nicht auf zu feuern. Am Abend des zweiten Tages senkte sich eine so finstere Nacht auf die Gegend, daß man trotz der Scheiterhaufen und brennenden Pechfässer die Belagerer nicht sehen konnte.

Im schwedischen Lager herrschte ein ungewöhnliches Treiben. Man vernahm das Knarren schwerer Räder, das Gewieher zahlreicher Pferde und ein auffallend lautes Gewirr menschlicher Stimmen. Die Soldaten auf den Mauern errieten, was im feindlichen Lager vorging.

»Natürlich sind die Kanonen eingetroffen, anders kann es nicht sein!«

Man beriet, ob man nicht einen Ausfall wagen solle; aber der Sieradzker Miecznik war der ganz richtigen Meinung, daß der Feind aller Wahrscheinlichkeit nach die größten Vorsichtsmaßregeln ergriffen habe, und ein Ausfall keinen Erfolg haben könne. So blieb den Belagerten nichts übrig, als nach der Richtung, aus der der Lärm kam, zu feuern.

Endlich brach der Tag an, und seine ersten Strahlen beleuchteten die schwedische Arbeit. Von Norden nach Süden erhoben sich Schanzen, zwischen denen die weiten Rachen gigantischer Kanonen und eine unzählige Menge von Soldaten, die einem Schwarme gelber Wespen glichen, zu sehen waren.

Der Frühgottesdienst war noch nicht beendet, als eine fürchterliche Salve die Luft erschütterte; die Fensterscheiben fielen aus ihren Rahmen und zersprangen klirrend auf den steinernen Fußböden. Die ganze Kirche war mit dem Staub des herabfallenden Putzes erfüllt.

Die schweren Geschütze hatten ihre Tätigkeit eröffnet.

Jetzt begann ein so ungeheures Bombardement, wie die Belagerten es noch nicht erlebt hatten; denn die kleineren schwedischen Geschütze unterstützten die großen weidlich. Von allen Seiten kamen Kugeln, Granaten, Bündel mit Teer getränkten Flachses und zwanzig Pfund schwere Geschosse herangeflogen, die gewaltige Löcher in die Mauern schlugen. Die ganzen Klostermauern drohten einzustürzen.

Aber die Herzen der Verteidiger waren nach wie vor frei von Furcht. Alle, die im Kloster waren, gingen auf die Wälle, sogar die Frauen, Kinder und Greise. Die Soldaten standen inmitten des Feuers, Rauches und Kugelhagels fest und tapfer und antworteten unentwegt auf das Feuer des Feindes. Mit aufgelösten Haaren und glühenden Gesichtern eilten die Frauen umher und gaben ein glänzendes Beispiel des Mutes. Manche überschütteten die zum Platzen bereiten Granaten mit Wasser. Die Begeisterung wuchs von Minute zu Minute, als wenn dieser Geruch von Pulver und Rauch, als wenn dieses Meer von Flammen und glühendem Eisen die Kraft hatte, den Enthusiasmus noch mehr zu entfachen.

Gegen Mittag wurde das Feuer im feindlichen Lager eingestellt. Alle atmeten erleichtert auf. Vor dem Haupttore erschollen Trompetenstöße und Trommelwirbel. Der Trommler fragte im Namen Müllers, ob die Mönche nicht unverzüglich zu kapitulieren gedächten. Pater Kordecki sagte, er wolle sich das bis morgen überlegen.

Kaum gelangte diese Antwort zu Müller, als das Bombardement mit noch wilderer Energie wieder einsetzte.

Der nächste Tag war ein Sonntag.

Lutherische Geistliche hielten im Freien bei den Schanzen den Gottesdienst ab, und die Kanonen schwiegen. Müller ließ die Mönche abermals fragen, ob sie jetzt nicht genug hätten. Sie aber antworteten, sie könnten noch mehr aushalten.

Die Sonntagsruhe benutzte man im Kloster, um die Schäden zu besichtigen, die das Bombardement angerichtet hatte. Es stellte sich heraus, daß außer einigen erschossenen Soldaten auch die Mauer stark beschädigt worden war. Den größten Schaden hatte die Riesenkanone, die auf der Südseite aufgestellt war, angerichtet. Sie hatte die Mauer so zerlöchert, daß sie zweifelsohne in einigen Tagen stürzen mußte.

Pater Kordecki betrachtete mit Besorgnis die Spuren des gestrigen Tages, um so mehr, als er sich bewußt war, daß ein Ausbessern der Schäden nicht möglich war.

Am Montag morgen eröffneten die feindlichen Kanonen dasselbe mörderische Feuer, und die große Kanone vergrößerte mehr und mehr die Löcher in der Mauer. Am südlichen Tore waren schon solche Spalten, daß der Feind sich zu einem Ansturme vorbereitete. Allein die helle Nacht, die Wachsamkeit und die Treffsicherheit der Jasnogoraer Kanoniere hinderten sie daran, ihren Plan auszuführen.

Am folgenden Tage hüllte ein so dichter Nebel die Erde ein, daß man vom Kloster aus den Feind nicht sehen konnte. Die Schweden benutzten diese Gelegenheit, um näher an die Mauern heranzurücken.

Des Abends, als der Prior seinen gewöhnlichen Rundgang machte, rief ihn Pan Czarniecki zur Seite und sprach:

»Es steht schlimm um uns, ehrwürdiger Vater, die Mauer kann nicht länger als einen Tag noch halten.«

»Vielleicht wird dieser Nebel auch unsere Feinde hindern, weiter zu feuern,« entgegnete der Prior, »während dessen werden wir unsere Mauern notdürftig ausbessern.«

»Der Nebel kann sie nicht daran hindern, weiter zu schießen. Die einmal gerichteten Kanonen können sogar nachts schießen: unsere Mauer aber fällt mehr und mehr zusammen.«

»So liegt unsere einzige Hoffnung bei Gott und der heiligen Jungfrau!«

»Natürlich, natürlich! Wie aber wäre es, wenn wir einen Ausfall machten. – Es lohnt sich selbst viele Leute zu opfern, um dieser höllischen Schlange das Maul zu stopfen.«

In diesem Augenblicke trat Kmicic zu den beiden.

»Guten Abend! Und wovon ist hier die Rede?«

»Wir sprachen von jener Kanone. Pan Czarniecki schlägt vor, einen Ausfall zu wagen.« »Heiliger Vater!« sagte Pan Andreas, »seit dem ersten Schuß dieser Kanone will sie mir nicht aus dem Kopfe, und ich habe auch schon eine Idee. Ein Ausfall würde zu nichts führen. Kommen Sie mit mir, ich will Ihnen meinen Plan eröffnen.«

»Schön, gehen wir in meine Zelle.«

Einige Minuten später saßen die drei am Kieferntisch in der ärmlichen Zelle des Priors, und Pan Piotr betrachtete aufmerksam Kmicic' Gesicht.

»Ein Ausfall kann nichts nützen,« wiederholte Pan Andreas, »hier kann nur ein einzelner helfen.«

»Wieso denn?« fragte Pan Czarniecki.

»Ein mutiger Mann muß hingehen und diese Kanone sprengen. Das kann nur jetzt bei diesem Nebel gelingen. Er täte gut, sich zu verkleiden, damit er sich durch die schwedischen Wachen schleichen kann.«

»Mein Gott, was kann aber ein einziger Mann machen?«

»Man muß nur in die Mündung der Kanone einen mit Pulver gefüllten Darm hineinlegen, einen Zündfaden befestigen und ihn dann anzünden. Sobald das Pulver sich entzündet, wird die Kanone zum Teuf-, ich wollte sagen, bersten.«

»Ach, Junge, was du da alles schwatzest? Wieviel Pulver schüttet man täglich in sie, ohne daß sie platzt!«

Kmicic lachte und küßte den Ärmel des Priors.

»Ehrwürdiger Vater, Sie sind ein heiliger Mann, aber von der Artillerie verstehen Sie recht wenig. Es ist ein großer Unterschied, wo die Pulverladung hineinkommt, von vorn oder von hinten. Fragen Sie nur Pan Czarniecki danach. Wenn man einer Flinte den Lauf mit Heu vollstopft, so zerspringt er beim Schuß unfehlbar in Stücke; wie muß erst eine Kanone zerspringen, wenn man sie mit Pulver verstopft.«

»Das ist richtig, das kann jeder Soldat bezeugen,« bemerkte Pan Czarniecki.

»Und doch scheint mir das ein unausführbares Unternehmen zu sein,« sagte der Prior in Gedanken. »Zuerst schon die Frage, wer würde das Wagnis ausführen?«

»Ein Tollkopf, aber ein entschlossener Mann,« antwortete Pan Andreas, »er heißt Babinicz.«

»Sie wollten das?« riefen zugleich der Pater und Pan Czarniecki.

»Ei, heiliger Vater, ich habe Ihnen alle meine Abenteuer offenherzig gebeichtet. Sie wissen, daß ich schon manches andere gewagt habe, können Sie noch zweifeln, daß ich auch das riskieren werde?«

»Sie sind wahrhaftig ein echter Ritter!« rief Pan Piotr begeistert aus. »Wahrhaftig, ich muß Sie umarmen!«

»Wüßte ich ein anderes Mittel, so würde ich nicht gehen,« fuhr Kmicic fort, »aber es gibt kein anderes Mittel. Außerdem verstehe ich deutsch, und sie werden kaum merken, daß ich nicht ins Lager gehöre. Und da vor der Mündung niemand steht, so werde ich mit meiner Aufgabe früher fertig sein, ehe sie erraten, um was es sich handelt.«

»Pan Czarniecki, was denken Sie darüber?« fragte der Prior.

»Von hundert Menschen würde nur einer aus solchem Unternehmen lebendig zurückkehren,« antwortete Pan Piotr.

»Ich bin in noch schlimmeren Lagen gewesen und immer heil daraus hervorgegangen; es wird mir auch diesmal glücken, das sagt mir mein Stern. – O heiliger Vater! welch ein Unterschied zwischen jetzt und früher, wo ich mich einer Laune wegen ins Feuer stürzte, jetzt tue ich es zum Ruhme der heiligen Jungfrau. Selbst wenn ich mein Leben lassen müßte, sagen Sie selbst, kann man jemandem einen rühmlicheren Tod wünschen, als den, der meiner harrt?«

Der Prior überlegte lange, endlich sprach er:

»Ich habe Sie früher vor waghalsigen Taten zurückgehalten, jetzt aber, wo es sich um die Rettung des ganzen Vaterlandes handelt, kann ich nichts mehr dagegen sagen.

– Sie haben recht. – Geh, mein Sohn: Entweder du kehrst glücklich zurück, oder du erhälst die höchste Belohnung, die der Himmel einem Sterblichen geben kann, – die Märtyrerkrone. – Meinem Willen entgegen sage ich dir: Geh!

– Ich habe nicht den Mut, dich zurückzuhalten! – Unsere Gebete und Gottes Segen werden dich begleiten!« –

»Mit diesem Schutze gehe ich selbst dem Tode entgegen!«

»Kehre zurück, Gottes Krieger, kehre zurück zu uns, unversehrt, denn wir haben dich liebgewonnen! – Möge Gott dich uns erhalten, mein Kind, mein geliebter Sohn!« –

Eine Stunde darauf, in später Nacht, klopfte Pan Kmicic an die Tür der Zelle des Priors.

Pater Kordecki und Pan Piotr erkannten ihn kaum wieder, so sehr glich er einem Schweden.

»Bei Gott, man greift unwillkürlich zum Säbel, wenn man Sie so sieht,« rief Pan Piotr.

»Die Kerze weg!« rief Kmicic: »Ich will Ihnen noch etwas zeigen!«

Als der Pater die Kerze weggestellt hatte, legte Pan Andreas einen armdicken, anderthalb Fuß langen, mit Pulver gefüllten Darm auf den Tisch. An dessen einem Ende war ein Faden befestigt, der mit Schwefel getränkt war.

»Nun,« sagte er selbstgefällig, »es wird genügen, der Kanone dieses Säckchen hineinzustopfen und anzuzünden, daß sie in tausend Stücke zerspringt.«

»Und womit werden Sie sie anzünden?« fragte der Prior. »Ich habe einen Feuerstein und einen Feuerschwamm mit. Die Gefahr liegt darin, daß man mich beim Feuermachen hören kann. Hoffentlich wird der Schwefelfaden nicht auslöschen; denn dabei bleiben und beobachten darf ich nicht, da man mich sonst abfassen wird. Auch darf ich nicht direkt ins Kloster zurückfliehen.«

»Und warum nicht?«

»Die Explosion kann mich sonst töten. Ich muß ungefähr fünfzig Schritt von der Kanone entfernt hinter den Schanzen Zuflucht nehmen und kann erst nach der Explosion den Weg ins Kloster einschlagen.«

»Gott, Gott! Wie vielen Gefahren sind Sie ausgesetzt!« seufzte der Prior.

»Heiliger Vater, ich bin so überzeugt von meiner glücklichen Rückkehr, daß mir selbst die Trennung von Ihnen nicht schwer fällt. Nun, leben Sie wohl, und beten Sie zu Gott, er möge mir auf meinem Wege beistehen!«

»Wie, wollen Sie denn gleich jetzt gehen?« staunte Pan Czarniecki.

»Was, soll ich vielleicht den Tagesanbruch oder klares Wetter abwarten?« lachte Kmicic.

Einige Minuten später standen Pater Kordecki und Pan Czarniecki auf dem Wall und sahen in die nebelige Ferne, die sich vor ihnen ausbreitete.

»Er ist gegangen!« flüsterte der Prior.

»Ja, er ist gegangen,« antwortete Pan Piotr. »Und er gibt sich nicht einmal die Mühe, leise zu gehen. Hören Sie nicht, der Schnee knirscht unter seinen Tritten.«

Allmählich verhallten die Tritte in der Ferne.

»Er ist fortgegangen, als gelte es, sich einen Schnaps zu holen. Was für eine Kühnheit dieser Mensch besitzt!« rief Pan Piotr. »Sicherlich, so er nicht vorher sein Leben läßt, so wird er sich noch den Hetmansstab erwerben! Diente er nicht der heiligen Jungfrau, ich hielte ihn wahrhaftig für einen –. Was rede ich, das ist ja alles gleich! – Gebe Gott ihm Glück, einen zweiten solchen Ritter gibt es in der ganzen Republik nicht!«

»Wie dunkel, wie dunkel es um uns ist!« sagte Kordecki. »Und die dort sind nach unserem letzten Ausfall sehr vorsichtig geworden. – Er wird noch auf eine ganze Abteilung stoßen.«

Plötzlich erschien neben den beiden eine dritte Gestalt; es war der Sieradzker Miecznik.

»Was ist denn los? Warum stehen Sie denn hier?« fragte er.

»Babinicz ist als Freiwilliger gegangen, um die große Kanone zu sprengen.«

»Ja, aber wie denn?«

»Er nahm nur einen mit Pulver gefüllten Darm, einen Faden und Feuerstein mit sich, und dann ist er losgegangen.«

Pan Zamoyski griff mit beiden Händen an seinen Kopf.

»Jesus, Maria! Jesus Maria! Allm! Wer hat ihm denn das erlaubt? Das ist doch Wahnsinn! Das ist ja einfach eine Unmöglichkeit!«

»Ich habe es erlaubt,« entgegnete Kordecki. »Bei Gott gibt es nichts Unmögliches; selbst seine glückliche Rückkehr! – Beten wir für ihn!«

Und alle drei knieten nieder. Es verging eine Viertel-, eine halbe Stunde, eine Stunde. Den drei Betenden erschien sie wie ein Jahrhundert.

»Es scheint nichts zu werden!« sagte Pan Piotr und atmete erleichtert auf.

Plötzlich erhob sich in der Ferne eine ungeheure Feuersäule, die der Erde zu entsteigen schien, und ein fürchterliches Krachen erfüllte die ganze Gegend.

»Eine Explosion! Eine Explosion!« rief Pan Czarniecki.

Der ersten Explosion folgten mehrere andere.

Auf den Mauern des Klosters strömten die Leute zusammen. Die Soldaten, da sie nicht wußten, um was es sich handelte, griffen zu den Waffen. Die Mönche kamen aus ihren Zellen.

»Was ist denn, was ist los?« hörte man von verschiedenen Seiten.

»Die große schwedische Kanone ist explodiert!« schrie einer der Kanoniere.

Pater Kordecki lag noch immer auf den Knien und betete.

»Babinicz hat sie in die Luft gesprengt!« rief Czarniecki. »Babinicz! Babinicz!« hörte man allerorten.

Vom schwedischen Lager her drang gleichzeitig Lärm der Verwirrung herauf; auf allen Schanzen wurden Feuer angezündet.

Mittlerweile begann die Dunkelheit zu weichen; – Babinicz aber kam noch immer nicht in die Festung zurück!


 << zurück weiter >>