Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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13. Kapitel.

Die Schlitzaugen Akbah-Ulans glänzten freudig auf, als er Zamoscies gewahr wurde. Und als er erfuhr, daß diese Festung eine Belagerung der gesamten Kräfte Chmielnickis ausgehalten hatte, wußte sein Staunen keine Grenzen.

Der Besitzer der Festung, Pan Jan Zamoyski, erlaubte ihnen die Stadt zu betreten. Selbst Kmicic war überrascht und betrachtete mit Neugier die breiten, geraden Straßen, die großartigen Bauten, die dicken Festungsmauern und die ungeheuren Kanonen. Es war wirklich eine erstklassige Festung.

Der Obermundschenk, Jan Zamoyski, gefiel ihm noch besser. Er war ein echter Magnat. Ein Mann in der Blüte seiner Kräfte, von sehr respektablem Äußern. Er war zu der Zeit noch nicht verheiratet; erst später vermählte er sich mit einer Französin, die nicht ahnte, daß einige Jahre darauf sein und ihr Haupt eine Krone tragen würde.

Der Besitzer von Zamoscie war kein Mann von hohem und schnellem Geiste; er strebte nicht nach Ehren, obwohl sie ihm alle ohne sein Dazutun angetragen wurden.

»Wozu soll ich fremde Türschwellen überlaufen?« entgegnete er, wenn man ihm seines geringen Ehrgeizes wegen Vorwürfe machte. »Hier in Zamoscie bin ich nicht nur Jan Zamoyski, sondern auch Sobiepan (mein eigener Herr) Zamoyski.« Und er liebte es, wenn man ihn Sobiepan nannte. Obwohl er eine durchaus gute Erziehung genossen und seine Jugend an ausländischen Höfen zugebracht hatte, spielte er gern den einfachen Mann von geringem Verstande. Trotz aller seiner Mängel war er im Grunde ein würdiger Mann und besser als viele seinesgleichen in der Republik.

Der Obermundschenk fand an Kmicic Gefallen und lud ihn zum Diner ein. Hier hatte Pan Andreas Gelegenheit, die Fürstin Gryselda Wisniowiecka, die Schwester Pan Zamoyskis und Witwe des berühmten Fürsten Jeremias, kennen zu lernen. Fürst Jeremias, einstmals der reichste Mann in der Republik, hatte all sein unermeßliches Besitztum während eines Kosakenaufstandes verloren, und seine Witwe lebte jetzt bei ihrem Bruder.

Die Fürstin hatte dennoch ihr ganzes majestätisches Auftreten bewahrt, und Jan Zamoyski fürchtete sie wie das Feuer. Niemals handelte er gegen ihren Willen, und stets holte er in wichtigen Angelegenheiten ihren Rat ein.

Bei Tische bemerkte Kmicic hinter den Schultern der Fürstin Gryselda eine ungewöhnlich hübsche Erscheinung. Es war ein Mädchen von blütenweißer Farbe mit rosigen Wangen. Auf ihrem Kopfe schlängelte sich das Haar in launigen Locken, die klugen Augen richteten sich schnell und fest der Reihe nach auf die Offiziere, die neben dem Pan Obermundschenk saßen und blieben schließlich auf Kmicic haften, den sie anstarrte, als wollte sie in der Tiefe seiner Seele lesen.

Aber Kmicic kam nicht leicht in Verlegenheit. Er begann sie ebenso scharf zu betrachten, dann fragte er den neben ihm sitzenden Offizier:

»Was für eine kleine Meise sitzt denn dort?«

»Sprechen Sie nicht so leicht von denen, die Sie nicht kennen,« antwortete der Offizier laut. »Das ist keine Meise, sondern Panna Anna Vorzobohata-Krasienska. – Und auch Ihnen rate ich, sie fortan so zu nennen, wenn Sie für Ihre Unhöflichkeit nicht büßen wollen.«

»Sie wissen wohl nicht, daß die Meise ein sehr schönes Vögelchen ist,« lachte Kmicic. – »Aber ich weiß nun, daß Sie zweifelsohne bis über die Ohren in sie verliebt sind.«

»Fragen Sie doch lieber, wer hier nicht in sie verliebt ist,« antwortete der Offizier gekränkt. »Der Mundschenk selbst guckt sich nach ihr die Augen aus und sitzt ganz unruhig auf seinem Platze.«

»Das sehe ich auch ganz gut.«

»Und Ihnen wird es nicht besser gehen. Vierundzwanzig Stunden genügen schon dazu.«

»Nun, nun, mit mir wird sie nicht einmal in vierundzwanzig Monaten etwas erreichen können.«

»Warum denn das? Sind Sie aus Stahl oder sonst was?«

»Nein, – aber Sie verstehen das doch, wer kein Geld hat, der kann nicht beraubt werden!«

»Das ist freilich was anderes.«

Pan Andreas' Gesicht verfinsterte sich. Seine Liebe zu Alexandra und sein Schmerz um sie bestürmten seine Erinnerung, und er bemerkte es gar nicht, daß die schwarzen Äuglein ihn immer starrer ansahen, als ob sie ihn fragen wollten, woher kommst du und wohin willst du ziehen?«

Nach dem Diner nahm Pan Zamoyski ihn unter den Arm und begann mit ihm auf und ab zu gehen.

»Pan Babinicz,« sagte er, »Sie stammen, wie mir scheint, aus Litauen?«

»Jawohl, Pan Obermundschenk.«

»Sagen Sie, bitte, ist Ihnen die Familie Podbipienta bekannt?«

»Sie ist mir bekannt; aber sie existiert nicht mehr. Der letzte aus der Familie kam bei Zbaraz um. Er war einer der bekanntesten Ritter Litauens.«

»Deshalb eben frage ich Sie. Unter der Obhut meiner Schwester befindet sich eine Panna Borzobohata-Krasienska, – aus sehr guter Familie. Sie war Podbipientas Braut, Und nun hat ihr dieser Podbipienta sein ganzes Vermögen vermacht, das in einer Anzahl Güter besteht.«

»Sehr große Güter sogar. Die Podbipientas waren sehr reiche Leute.«

»Und wo liegen diese Güter?«

»In der Witebsker Wojewodschaft.«

»Die gerade vom Feinde besetzt ist.«

»Der Feind wird ja nicht immer dableiben. Es wäre am besten, die Panna zu Sapieha zu schicken. Wenn er sich für ihre Sache interessiert, so kann sie ganz beruhigt sein.«

»Selbstredend, wenn er sie sehen wird, so wird er eher für sie alles Erdenkliche tun.«

Pan Kmicic sah seinen Gesellschafter erstaunt an.

»Warum will er sie hier loswerden?« fragte er bei sich.

»Im Lager, – in einem Zelte kann sie sich selbstverständlich nicht aufhalten; aber sie könnte bei seinen Töchtern wohnen. Die Schwierigkeit besteht allein darin, wie bringt man sie zu Sapieha? – Übrigens, Sie wollen ja zum Pan Sapieha. Ich würde Ihnen einen Brief an den Wojewoden mitgeben, und Sie geben mir Ihr Ritterwort, sich um die Panna zu kümmern.«

»Aber ich reite ja mit Tataren.«

»Man sagte mir, die Tataren fürchten Sie mehr als das Feuer. – Nun, wollen Sie?«

»Hm, – warum sollte ich nicht, wenn es Ihnen lieb ist, – aber –«

»Sie denken, die Fürstin wird nicht einwilligen? Sie wird schon. Bei Gott! Sie wird einwilligen.«

Der Obermundschenk wandte sich um und ging ins Nebenzimmer. Kmicic sah ihm nach und dachte:

»Du klügelst hier was aus, Pan Obermundschenk, aber obgleich ich dein Ziel nicht kenne, so sehe ich doch eine Falle, denn du bist nicht besonders schlau.«

Am folgenden Tage, nach dem Frühstück, suchte der Obermundschenk seine Schwester in ihrem Zimmer auf. Er lobte Kmicic über alle Maßen und legte ihr die Notwendigkeit der Reise der Panna Borzobohata dar. Aber es gelang ihm nur nach großer Mühe, die Einwilligung der Fürstin zu erhalten. – –


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