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Dreiundsiebenzigstes Kapitel

Das Schluß-Kapitel, in welchem wenigstens Ein Gegenstand seine Völlige Abfertigung findet. – Ich gelange endlich ernstlich in mein Erbe – das heißt, ich bin der Erbe von drei Rechtsstreiten. – Entdecke eine neue Methode, die Wilddieberei beizulegen – und komme nach London, um die Rolle des »Celebs, der ein Weib sucht,« zu spielen.

————

Ich stieg mit Pigtop geräuschlos die Treppe hinan, ohne auf Jemand zu treffen. Allenthalben schien das tiefste Sicherheitsgefühl zu herrschen. Von dem uns umgebenden, dunkeln Schatten begünstigt, näherten wir uns der offenen Thüre, durch die wir Alles, was immer vorging, bemerken konnten. Der Anblick war feierlich. In einem hohen, schön geschnitzten, gothischen Lehnstuhle saß, von allen Seiten durch Kissen unterstützt, die abgezehrte Gestalt meines Vaters. Ich betrachtete ihn mit nicht von Beklommenheit freier Neugierde. Sein Gesicht war lang und bleich – ohne eine Spur von Schönheit. Der Hauptausdruck desselben schien Schreck zu sein. Seine Tage waren augenscheinlich gezählt, und ich faßte ihn angelegentlich in's Auge, mein Herz zur Liebe auffordernd, das mir aber keine Antwort gab.

Unmittelbar vor meinem Vater stand ein Tisch mit reichem, goldgesticktem Tuche bedeckt, an dessen Säumen sich schwere, goldene Fransen befanden. Vier lange Wachskerzen brannten neben einem Ebenholzkruzifixe und stellten so in nachahmender Weise einen Altar vor. Sein Kaplan, in ein katholisches Priestergewand gekleidet, murmelte einige Gebetsformeln aus einem Meßbuche mit prächtigen Kupfern. Auf dem Tische stand auch ein kleines Marmorbecken mit Wasser und eine seltsam verzerrte Truhe mit Knochen – ohne Zweifel Reliquien, welche Wunder wirken sollten. Der Priester las vielleicht eine Privatmitternachtmesse. Die ängstliche Aufmerksamkeit, mit welcher Sir Reginald dem Gottesdienste folgte, bot einen schmerzlichen Anblick. Sein Geist war augenscheinlich irre, denn er konnte ihn nur für Zwischenräume der Ceremonie weihen. An einem andern Tische, etwas abseits von dem eben beschriebenen, saß der Londoner Sachwalter: er hatte gleichfalls zwei Lichter vor sich und war eifrig beschäftigt, verschiedene Pergament-Foliobände zu durchblättern.

Nun habe ich aber noch die andere Gestalt zu schildern – die mir verhaßte Person meines illegitimen Halbbruders. Er lag auf seinen Knieen, murmelte die Responsorien und betete mit dem Priester. Er war blasser und hagerer, als gewöhnlich, sah aber vollkommen gentlemanisch aus und trug eine ungemein saubere Kleidung.

Bis jetzt hatte ich Sir Reginalds Stimme noch nicht gehört. Seine Lippen bewegten sich bei den Gebeten der beiden Andern, aber ein Laut ließ sich nicht vernehmen. Als endlich die Stimmen der Betenden aufhörten und ein so tiefes Schweigen in dem großen Gemache eintrat, daß ich sogar an der Stelle, wo ich stand, deutlich das Rauschen der Pergamentblätter hörte, welche der Rechtsgelehrte umschlug, schien endlich auch dieser verhärtete Wicht das Feierliche des Augenblicks zu fühlen, indem er aufhörte, mit seinem Blättern die Grabesstille zu stören. Da erhob nun der früh gealterte Sir Reginald seine Stimme und rief laut im Tone des bittersten Schmerzens:

»Herr Jesu, habe Erbarmen mit mir!«

Das alte Gemach erdröhnte kläglich von dem brünstig flehenden Rufe. Ich hatte zum erstenmal die Stimme meines Vaters gehört: sie klang so klagend und trostlos, daß das Gefühl der Kränkung, welches ich leider so lange in meinem Busen beherbergt hatte, mit einemmale dahinschmolz und dem einer wunderbaren Innigkeit Raum gab. Ich hätte mich an seine Brust werfen und weinen können. Ja, das Unrecht, das meine Mutter erlitten hatte, war gerächt. Obschon ich mich hatte verborgen halten wollen, konnte ich mir's doch nicht versagen, aus dem Grunde meines Herzens mit gedämpftem, feierlichem Tone auf den abgebrochenen Ausruf zu antworten:

»Amen.«

Ein Auffahren der Ueberraschung und des Schrecks, als meine dumpfe Antwort die Ohren der Versammelten erreichte, folgte meiner kindlichen Unvorsichtigkeit. Jeder sah den Andern mit einem Blicke an, welcher deutlich fragte: »war das Deine Stimme?« und jedesmal war die Erwiederung ein bloßes Schütteln des Kopfes.

»Ein Wunder!« rief der Priester. »Die Bitte des Sünders ist erhört worden. Laßt uns beten.«

Während dieser feierlichen Scene fanden ganz andere Vorgänge in dem Wirthshause statt, das wir kurz zuvor heimlich verlassen hatten. Unser Fortgehen war nicht unbeachtet geblieben. Der Wirth wurde geweckt und gerieth in ernstliche Unruhe, um so mehr, als man die Richtung entdeckte, die wir eingeschlagen hatten. Er zog hieraus augenblicklich den Schluß, daß wir nach Rathelin gegangen seien, um Einbruch und Raub zu verüben. Er bot den Beistand der Konstabeln auf, machte dem Friedensrichter und dem Rechtsgelehrten, Mr. Seabright, Anzeige und zog mit der ganzen bewaffneten Polizeimacht zur Hülfe herbei. Wir wollen sie bis zu der Thüre führen, welche Pigtop und ich geschlossen hatten, als wir Dauntons Mitschuldigen ausschlossen, und sie daselbst verlassen, um nach dem Krankenzimmer zurückzukehren.

Nachdem der hochwürdige Herr sein extemporirtes Gebet, von welchem nur wenige Worte unser Versteck erreichten, geschlossen hatte, begann Sir Reginald:

»Meine Freunde, es ist gut, wenn wir das kleine Geschäfte, das uns diese Nacht noch bevorsteht, schleunigst abmachen. Ich fühle mich ungewöhnlich bedrückt und hoffe, daß es nicht die Hand des Todes ist, die jetzt so schwer auf mir lastet. Ich möchte wohl noch eine Weile länger leben – aber der Wille Gottes, des Sühners unserer Sünden, geschehe! Bringt die Papiere her – ich will sie unterzeichnen. Mein Freund Brown und du, mein armer, nur zu lang vernachlässigter Ralph (die letztem Worte richtete er an Josua) – ich baue auf Eure Redlichkeit in dieser ganzen Sache, denn ich bin in diesem Augenblicke nicht geneigt, mich mit ernsten Geschäftsangelegenheiten zu befassen – bin's überhaupt auch nicht einmal im Stande. Ehe wir aber diesen unwiderruflichen Akt vollziehen, mein lieber Ralph, knie nieder, empfange den Segen eines reuigen Vaters und höre, wie er aus zerknirschtem Herzen seinen Sohn und seinen Gott um Vergebung bittet.«

Der diensteifrige Rechtsgelehrte brachte die Pergamente herbei und legte sie dem Baronet vor, während der Sohn – denn ein Sohn Reginalds war er jedenfalls – mit der Miene demüthiger Andacht und die Augen voll heuchlerischer Zähren, unterwürfig zu den Füßen des zitternden, kranken Vaters niederkniete. Sir Reginald hält seine Hand aus über das geneigte Haupt des Betrügers, seine Lippen öffnen sich – dies – nein, dies kann ich nicht ertragen. Ehe unser gemeinschaftlicher Vater nur ein einziges Wort gesprochen hat, eile ich herzu, kniee an der Seite meines meuchlerischen Bruders nieder und rufe in schmerzlich bewegtem Tone, vom Geiste neu erwachter Liebe erfüllt:

»Segnet auch mich, o mein Vater! Er hat mir mein Erstgeburtsrecht weggenommen, und siehe, jetzt will er mir auch meinen Segen stehlen. Segnet auch mich!«

»Ha, bei der Hölle – Ralph Rattlin!« schrie der sich selbst überführende Betrüger.

So leistete mir dieser scheinbar unkluge und übereilte Schritt weit wesentlichere Dienste, als ich von dem besten vorbedachten Plane hätte hoffen dürfen. In einem Nu waren wir wieder auf den Beinen und hatten unsere Kehlen mit der Hand gefaßt. Dieser plötzliche Auftritt schien unsern Vater wie durch ein Wunder zu beleben. – Er erhob sich von seinem Sitze, stand in der vollen Höhe seiner großen, hagern Gestalt da, legte seine knöcherne Hand schwer auf meine Schulter, sah mir fest in's Gesicht und sagte:

»Wenn du Ralph Rattlin bist, wer ist denn dieser?«

»Der unehliche Sohn Eurer par amour

Und mit Energie schleuderte ich ihn von mir, daß er krachend unter das große, gothische Fenster am Ende des Gemaches flog.

»Das ist eine ungebührliche Rede – eine grausame Handlung,« sagte der Baronet tief bekümmert. »Ach, wie schwer werden mir meine Sünden in's Gedächtniß gerufen! Ich stoße meine Söhne hinaus in die Welt, und in meiner Sterbestunde kommen sie, um sich vor meinen Augen zu erwürgen. Ach, diese Züchtigung – mein Verbrechen wird schwer an mir heimgesucht.«

Die übrigen Personen im Gemache waren kaum weniger erschüttert, nur handelte sich's bei ihnen um andere Beweggründe. Der Londoner Attorney eilte hurtig nach der Thüre, wurde aber von Pigtop aufgefangen, der ihn wieder in das Zimmer zurückstieß und dann keck dem Priester entgegentrat – letzterer in seinem kanonischen Ornat, mein Begleiter aber in der Tracht eines sektirerischen Predigers.

Die Antipathie war wechselseitig. Aber ehe der eigentlich ehrwürdige Gentleman eine fromme Beschwörung über diese augenfällige Einmengung bei seinem Kommunikanten beginnen konnte, stieß Pigtop einen der schwersten Flüche aus, die Gemeinheit und Zorn je zusammengekocht haben, ging geraden Wegs auf den sich unter das Fenster kauernden Josua zu, zog ihn vor den erschütterten Vater hin und rief:

Es sind Haftbefehle gegen ihn erlassen, Sir Reginald, wegen Einbruch, Fälschung und Meuchelmordsversuch – er ist mein Gefangener.

Die Memme vermochte kein Wort zu entgegnen – seine Kniee schlotterten – er bot einen kläglichen Anblick des von Schreck überwältigten Verbrechens. Sir Reginald begann bereits mit Verachtung auf ihn niederzublicken. Das Herz hüpfte in meinem Innern, als ich fand, daß er sich bereits väterlich auf meine Schulter stützte.

»Sprich, Zitterer, ist diese Person der wahre Ralph Rattlin?«

»Habt Mitleid mit mir – verzeiht mir, und ich will Alles bekennen.«

»Da schlage ein Donnerwetter drein,« sagte der Attorney, und verschwand durch die nun ungehütete Thüre.

»Sprich!«

»Dieser Gentleman ist Euer rechtmäßiger Sohn – aber auch ich –«

»Stille jetzt – entweiche – hier ist Geld – fliehe – verbirg dich für immer vor dem Auge der Menschheit!«

»Nein,« rief Pigtop, der ihn erbarmungslos schüttelte – »siehst du diese Narbe?«

»Laßt ihn augenblicklich los, Pigtop! – gehorcht mir – ich habe seiner Mutter mein Versprechen gegeben – es ist mir heilig.«

»Um meinetwillen!« sagte Sir Reginald.

In diesem Augenblicke stürzte der nur halb angekleidete Hausmeister herein und rief:

»Sir Reginald, Sir Reginald, die Konstabeln und Magistratspersonen haben drunten die Hallenthüre erbrochen und kommen jetzt heraus, um die Räuber zu verhaften – sie haben alles Silber zusammengepackt; es liegt in der Halle drunten und in einem Zustande, um augenblicklich fortgeschickt werden zu können.«

»Mein Gott! es ist zu spät,« rief Sir Reginald, seine Hände ringend.

»Nein,« sagte ich, »er kann durch das Fenster entkommen. Habt die Güte, Sir,« bemerkte ich gegen den Priester, »die Thüre zu schließen – wir gewinnen Zeit dadurch. Oeffnet nicht, so lange es anders thunlich ist. Das Gerüste wird den Schuldigen in die Lage setzen, den Boden mit verhältnißmäßig wenig Gefahr zu erreichen.

Der Priester gehorchte und verriegelte nicht nur die Thüre, sondern verbarrikadirte sie auch mit dem Möbelwerk.

»Nun, Pigtop,« fuhr ich fort, »wenn Euch meine Freundschaft lieb ist, so helft diesem armen Elenden entkommen, denn die feige Furcht hat ihn ganz gelähmt. Kommt, Sir,« fügte ich gegen Josua bei, »wenn Ihr Euch nicht anstrengt, werdet Ihr zuverlässig gehangen werden.«

»Der Galgen entflieht ihm dennoch nicht,« sagte Pigtop sauertöpfig. »Aber ich bin ein alter Seemann und will Ordre pariren. Kann ich mich doch damit trösten, daß ich es noch erleben werde, ihn baumeln zu sehen. Kommt mit, Bürschlein!«

Wir führten ihn nach dem Fenster und schafften ihn auf das Gerüste hinaus, aus dem er in gleicher Höhe mit dem Fenstersimse schaudernd stehen blieb.

»Laßt Euch an den Stangen hinunter und lauft, was Ihr wißt und könnt,« sagten ich und Pigtop zumal.

»Ich kann nicht,« entgegnete er schaudernd; »die Kluft ist entsetzlich tief.«

»Ihr müßt, oder Ihr habt den Tod eines Verbrechers zu gewärtigen.«

»Oh, was soll ich thun?«

»Reißt das Bindsel über Euch ab,« sagte Pigtop, »schlingt es ob dem Kreuzstück über Euern Kopf, macht eine laufende Schlinge, zieht sie Euch um den Leib und haltet das andere Ende des Taues in Eurer Hand. Ihr könnt Euch dann mit Euren Beinen an der Stange anklammern oder nicht, wie Ihr's für gut haltet – denn Ihr seid dadurch in die Lage gesetzt, Euch so gemächlich niederzulassen, als ob Ihr ein Schläfchen thun wolltet.«

»Kommt weg, Pigtop – schließt das Fenster und die Läden – die Konstabeln rücken uns zu Leibe,« rief ich.

Dies war augenblicklich geschehen und so Josua unsern Augen entnommen. Da die Angriffe auf die Zimmerthüre immer kräftiger wiederholt wurden und wir Josua nun für sicher hielten, so beschloßen wir, die Polizeimacht einzulassen. Mit einemmale aber hörten wir ein furchtbares Krachen vor dem Fenster draußen.

»Bei Gott, der Tölpel hat das Thau fahren lassen!« sagte Pigtop. »So entrinnt er am Ende doch noch dem Galgen.«

»Hoffen wir zu Gott, daß es nicht der Fall ist,« sagte Sir Reginald schaudernd. »Nein, es kann nicht sein – ich höre keinen Ruf, kein Schreien. Dem Tone nach müssen die Bretter über einander gefallen sein, denn wahrscheinlich hat er bei'm Hinuntergleiten einige auf die Seite geworfen.«

»Sollen wir die Leute einlassen, die an die Thüre donnern, Sir Reginald?«

»Noch nicht – man soll keine Spur von Unordnung hier finden. Entfernt dies« – er deutete auf das Kruzifix – »und würde es nicht gut sein, mein Freund, Ihr legtet Euer heiliges Gewand ab, da es vor ketzerischen Augen doch nur Aufregung hervorbringen kann? Hilf mir nach meinem Stuhle, Ralph.«

Ich brachte ihn achtungsvoll so ziemlich in dieselbe Lage, in welcher ich ihn zuerst gesehen hatte. Alle Spuren der katholischen Konfession wurden sorgfältig beseitigt und die Thüre zuletzt geöffnet. Die Konstabeln traten ein.

Es folgte eine hastige Erklärung, aber wir konnten vor dem Friedensrichter nicht geheim halten, daß wirklich ein Raub veranschlagt und beinahe zur Ausführung gebracht worden war; dabei erklärten wir, daß die eigentlichen Schuldigen, für die man anfangs mich und Pigtop genommen hatte, entronnen seien.

Endlich machte der Wirth zu den drei Glocken darauf aufmerksam, daß sie möglicherweise durch das Fenster entwischt seien und sich vielleicht noch auf den Brettern des Gerüstes aufhielten. Die Läden wurden hastig aufgerissen und man entdeckte draußen – o entsetzensvoller Anblick – Josua Daunton – todt am Halse aufgehangen! Sir Reginalds Auge fiel für einen Moment voll sprachlosen Schreckens auf das grausenvolle Schauspiel – dann sank er in todtenähnlicher Ohnmacht zurück. Die Leiche wurde hereingebracht, aber jeder Versuch der Wiederbelebung blieb fruchtlos. Er war todt und gerichtet – möge er Gnade gefunden haben! Einige glaubten, er habe sich absichtlich erhängt, da die Schlinge auf's Vollkommenste seinen Hals umschloß, Andere aber, unter denen sich auch Pigtop befand, waren verschiedener Ansicht. Der alte Matrose schloß aus den eingebrochenen Brettern unter seinen Füßen, er habe die Schlinge nur bis an's Kinn und nicht tiefer gebracht; dann sei sein Fuß auf dem Gerüste ausgeglitten – er habe dabei das andere Ende des Theils fahren lassen, welches nun einen halben Stich machte und sich so über den Kreuzpfahl einklemmte. Wie es nun übrigens zugegangen sein mochte, er war ausgezeichnet gut gehangen, und, wie Pigtop prophezeit hatte, wandelte sich die Postchaise in dem Gebüsche zu einem Leichenwagen um, der den Verunglückten nach dem Wirthshause brachte, wo das Leichenschauergericht sein Gutachten abgeben sollte.

»Ich wußte es ja, daß ich's erleben würde, ihn gehangen zu sehen,« brummte Pigtop, als er mir gute Nacht sagte, woraus wir Beide in dem Hause meines Vaters Schlafgemächer bezogen.

Gegen alle Erwartung schien die Erschütterung Sir Reginald, statt sein Leben zu zerstören, neue Thatkraft zu geben; denn er lebte noch sechs Monate, überzeugte sich vollständig von meiner Identität und starb, als er eben in der Liebe seines Sohnes ein wahres Glück zu kosten begann, nachdem er zuvor alle gesetzlichen Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte, um mir den ruhigen Besitz meines großen Erbes zu sichern.

Mein Schmerz über sein Hinscheiden war weder sehr groß noch von besonders langer Dauer. Nach seiner Beerdigung wollte ich die alte Behausung ausbessern lassen, fand mich aber mit einemmale in drei Rechtsstreite verwickelt, durch welche meine Ansprüche angefochten wurden. Ich kam bald zu einem Entschluß über die Art meines Verhaltens. Die Hauseinrichtung wurde verkauft, und da ich meine Pflegeltern, Mr. und Mrs. Branden, wieder aufgefunden hatte, ließ ich die Pförtnerhütte gemächlich aufbauen, um sie darin unterzubringen. Ich schloß die ganze Halle, ein kleines Besuchszimmer nebst zwei Schlafgemächern für mich und Pigtop ausgenommen, und so lebten wir wie ein paar Einsiedler, ohne weitere Bedienung, als die der Brandons.

Hiedurch wurde ich in den Stand gesetzt, alle meine Renten auf Führung meiner Prozesse zu verwenden, ohne das Besitzthum zu schmälern. Im Lauf von achtzehn Jahren richtete ich, Gott sei, Dank, meine Gegner zu Grunde, so daß sie in bitterster Armuth starben. Als ich ein Jahr später den mir rechtlich zugesprochenen Besitz meiner Güter antrat, wirkte der nächste Erbe ein Writt » de inquirendo lunatico« gegen mich aus, als Grund die seltsame und unwürdige Weise angebend, in welcher ich als ein Baronet mit einem ungeheuren Vermögen die letzten achtzehn Jahre gelebt habe. Ich nannte der Jury meine Gründe, und sie fand in mir den verständigsten Mann, von dem sie unter ähnlichen Umständen gehört hätte.

Nachdem diese Kleinigkeiten so hurtig abgemacht waren, stand ich meinem vierzigsten Lebensjahre bereits ziemlich nahe. Ich begann nun meine Lebensweise mehr meinem Rang und meinen Einkünften anzupassen, obschon ich noch immer alle Vertraulichkeit mit meinen Nachbarn fern hielt.

Jetzt bin ich einundvierzig und nachgerade korpulent geworden. Vor einundzwanzig Jahren sah ich meinen unglücklichen Vater zu Grabe tragen, und ich gehe nun auf meinen Domänen umher, nach Herzensgelüsten – oder vielmehr bis zum Aerger – von allen Seiten als Sir Ralph begrüßt. Der alte Pigtop ist ein Hausmöbel und nun wirklich recht alt geworden. Ich kann ihn nicht meinen Freund nennen, denn ein Mann, dem ich diesen Titel gebe, muß auf meine Verehrung Anspruch haben – und dies, oder überhaupt nur Achtung ist ein Gefühl, das Pigtop nie einzuflößen vermochte. Auch ist er nicht mein demüthiger Gesellschafter, denn Niemand kann in seinem Benehmen gegen mich weniger demüthig sein, als er. Er ist zänkisch, wie der Schooßhund einer Dame, und scheint nie glücklich zu sein, als wenn er meinen Absichten ein wirksames Hinderniß in den Weg gelegt hat. Prinz Heinz sagt von dem lustigen Weinfreunde Jack, daß er »lieber einen besseren Mann entbehrt haben würde«; von Pigtop muß ich aber noch mehr sagen – »ich könnte ihn gar nicht entbehren, da er mir nothwendig geworden ist.« Unter die Schönen hat er nie gehört, aber jetzt, in seinem zweiundsechzigsten Lebensjahre ist er eine wahre Vogelscheuche geworden – wenigstens ist alle Welt dieser Ansicht, obschon ich selbst es nicht finde.

Sein Dienst um meine Person scheint ohne Unterlaß eine gesunde Aufregung zu sein; der wichtigste besteht aber darin, daß er mich im Junggesellenstande erhält und alle Weiber von Rathelin-Hall verscheucht.

Er hat die Aufsicht über meine Diener und hilft mir sie verderben. Ein solcher Haufen schwerfälliger, gedunsener, taugenichtsiger, unverschämter und glücklicher Hunde hat sich noch nie an dem Wohlstand eines Baronets gemästet, ihm in's Gesicht widersprochen und hinter seinem Rücken sich für ihn gebalgt. Die Weibspersonen meines Haushalts stehen in einer sehr winzigen Proportion gegen die männliche Dienerschaft – in dem Verhältnisse Fallstaffs, einen Penny Werths Brod auf viele Gallonen Sekt. Auch sind diese wenigen die häßlichsten, pockennarbigsten, triefäugigsten Damen, welche das Land hervorbringen konnte – Alles Pigtops Werk.

Nie will ich die Bestürzung, das kreideweiße Entsetzen seines Gesichts vergessen, als ich ihm an einem schönen, sonnigen Morgen meine Absicht ankündigte, eine achtbare, ältliche Frau von Stande als Haushälterin in die Halle einzuführen. Es stund einige Zeit an, ehe er Worte finden konnte.

»Blut und Donner! Bomben und Granaten! Was hab' ich gethan, daß Ihr mich mit meinen grauen Haaren aus Eurem Hause werfen wollt? Jetzt bin ich abgetakelt und so zu sagen ein aufgelegtes Schiff.«

»Euch aus dem Hause werfen, Piggy? Wie kommt Ihr nur auf einen so thörichten Einfall?«

»Wenn Madame hereinkommt, so kappe ich mein Kabel und lasse Rathelin-Hall in meinem Sterne liegen – ja, und sollte ich dann in einem Graben sterben und vom Kirchspiel begraben werden. Eine Haushälterin nehmen? – Ach, du mein Himmel! Eben so gern wollte ich Euch verheiratet oder in Eurem Sarge sehen.«

»Für ein so großes Hauswesen ist aber doch eine Person unbedingt nothwendig, die dasselbe in Ordnung hält; ich brauche daher für alle Fälle eine Wirthschafterin.«

»Ei, zum Teufel, muß es denn gerade ein Weibsbild sein? Warum kann's nicht auch ein Mann – warum kann's nicht ich versehen?«

»Ihr?«

»Ja, ich, Andrew Pigtop. Ich bitte um den Posten – ach, seid ein guter Sir Ralph und theilt mir ihn ohne Weiteres zu. Drückt Eure Unterschrift darauf, und laßt die Ausfertigung wie eine Bestallung lauten. Ich erbitte mir's als eine Gunst. Ihr wißt ja, was ich für große Opfer für Euch gebracht habe.«

»Auf Ehre, davon höre ich zum erstenmal. Wollt Ihr so gut sein, mich darüber zu belehren?«

»Ei, Ihr müßt doch überzeugt sein, Sir Ralph, daß ich jetzt, wenn ich nicht die Flotte verlassen hätte, um Euch durch alle Welt zu folgen, wie der Pilotenfisch dem Hay – ein alter Postkapitän und sehr wahrscheinlich ein C. B. obendrein wäre.«

»Ihr, die Ihr während eines thätigen Kriegs ein Vierteljahrhundert lang Meistersmate bliebt, solltet in anderen fünfundzwanzig Jahren tiefen Friedens durch die Grade des Lieutenants und Kommandeurs bis zu dem eines Fregattenbefehlshabers gestiegen sein? Doch vielleicht hättet Ihr aus Eure großen Familieninteressen bauen können. Wenn ich Euch aber zu meiner Haushälterin ernenne, werdet Ihr auch die Obliegenheiten dieses Dienstes besorgen?«

»Natürlich.«

»Und die Uniform tragen?«

»Natürlich, wenn sie so ist, wie sie ein Mann tragen kann. Aber von Unterröcken, Hauben und dergleichen Weiber-Siebensachen will ich nichts wissen.«

»Ihr führt die Schlüssel?«

»Natürlich.«

»Tragt Sorge dafür, daß die Zimmer und Fluren gut gefegt werden – desgleichen, daß die Mägde Morgens bei Zeiten aufstehen?«

»Hol' sie der Henker! – Freilich – freilich.«

»Und wenn Lady Aurelia Cosway mit ihren fünf schönen Töchtern an der Thüre anfährt, wollt Ihr hingehen und sie in der Halle empfangen – ihnen eine höfliche Verbeugung machen und sie in ein Ankleidezimmer führen?«

»Nein – von wegen, seht Ihr, weil keine Damen je weiter kommen, als vor Eure Thüre.«

»Und wem habe ich dies zu danken?«

»Zuverlässig mir,« versetzte Pigtop sehr stolz.

»Allerdings.«

Indeß kam weder Pigtop noch ich zu dem beiderseitig beabsichtigten Zwecke. Ich gab ihm die Anstellung nicht, worüber er sich ärgerte, aber andererseits kam ich auch zu keiner Haushälterin, was mir anfangs auch ein wenig verdrießlich war. Dennoch versieht mein Freund in einer ex officio Weise die beiden Obliegenheiten des Dienstes, zu dem er seine hohen Ansprüche erhob.

Ohne Eitelkeit – mein Aeußeres hat sich noch gut erhalten, obgleich ich bekennen muß, daß ich ein wenig ungebührliches Fett zugelegt habe. Dennoch fürchte ich, daß mich meine Trägheit, Pigtops Starrsinn und vielleicht auch gewisse Rückerinnerungen an eine schöne grüne Bai in einer der Sommerinseln für immer zum Junggesellen stempeln. Wie dem übrigens sein mag, ich bin nicht ganz einer von jenen natis fruges consumere, denn ich kann wohl sagen, daß nicht ein einziger Armer auf meinen Gütern ist, und ich meine ererbten Grundstücke beträchtlich erweitert habe.

Ich bin stets ehrlich gewesen, und will daher meinen Grundsätzen getreu auch bekennen, daß ich bei der benachbarten Gentry in etwas schlimmem Geruche stehe. Das Wort »benachbart« muß übrigens ganz im ländlichen Sinne genommen werden. Der nächste Grundeigentümer, welcher sich gesetzlich Squire schreiben kann, wohnt ungefähr fünf Meilen von der Halle. In dieser Entfernung schaart sich aber meine Nachbarschaft dicht, und ich kann darunter einige neugebackene Lords, zwei Friedensrichter und mehrere Gentlemen mit anständigen Besitzthümern aufzählen. Meine zurückgezogene Lebensweise gab ihnen zuerst eine ungünstige Vorstellung von meinem Charakter, und da meinem Hauswesen keine Weibsperson vorsteht, so sahen sich die Damen genöthigt, meine Cölibatswirthschaft zu meiden.

Es ist wahr, nach meiner Rückkehr von einer langen Reise, die ich unmittelbar nach Abfertigung meiner prozessirenden Gegner mit Pigtop gemacht hatte, nahm ich anfangs alle Dinereinladungen, die mir zugesandt wurden, an, und erwiederte sie, indem ich den Herren Gesellschaften gab; aber bald wurden derartige Einladungen weniger zahlreich und häufig, bis sie zuletzt ganz aufhörten.

»Mylord Sparrowclose, ich gebe mir die Ehre, Euch meinen Freund, Mr. Pigtop, vorzustellen. Mr. Pigtop, – Lord Sparrowclose.«

Diese Art von Vorstellung wurde, wo immer wir auch gehen mochten, mit einer grämlichen Höflichkeit entgegengenommen.

»Warum bringt er denn immer diesen Seespitzbuben mit?« mußte ich oft von den Mamas und den ehrenwerthen Misses hören. Wenn dies nun zufällig in einer Weise geschah, daß ich Anlaß zu einer Antwort nehmen konnte, so pflegte ich stets mit abbittender Demuth zu erwiedern: – »Weil er mein Freund ist, meine theure Madame oder Miß.«

Freilich muß ich sagen, daß Pigtop nicht die Gabe besaß, sich beliebt zu machen. Nicht daß er gerade unbekannt gewesen wäre mit den Gebräuchen der Gesellschaft oder mit den Höflichkeiten eines Speisesaals und eines Besuchszimmers – aber er war störrisch gegen die Männer und ließ stets den Groll blicken, den er gegen das schöne Geschlecht im Herzen trug. Er konnte nach dem Diner in technischem Jargon Histörchen erzählen, die sich schlecht genug ausnahmen; was aber noch unendlich schlimmer war, er bestand stets darauf, sie zu erklären, und, wenn man ihm Einwürfe machte, die Erklärung abermals zu erläutern. Außerdem hegte er eine entschiedene Verachtung gegen Alles, was keine nautische Erziehung genossen hatte, und trug sich mit einer unbegränzten Vorliebe zu allen Arten von alkoholisirten Flüssigkeiten. Wurde er einmal mit in Damengesellschaft geschleppt, wozu ihn nichts Anderes, als seine Besorgniß für mich bewegen konnte, so war er mir stets im Wege. Kaum hatte sich die weiße Hand irgend eines bezaubernden jungen Wesens, das aus seinen nußbraunen Locken ambrosische Düfte schüttelte, mit ermuthigender Vertraulichkeit auf meinen Arm gelegt, als sich Pigtop zwischen uns schob, und irgend eine schreckliche Geschichte zur Unehre des schönen Geschlechts zu erzählen begann.

»Aber warum duldete ich alles dies?« wird man mich fragen. Die Antwort liegt sehr nahe. Der rauhfellige Bastardköter, der gegen Alles bissig ist, nur gegen seinen Gebieter nicht, wird von diesem nur um so mehr gehätschelt, weil er sonst überall gehaßt wird. Außerdem hatte mir Pigtop zuverlässig ein, wo nicht gar zweimal das Leben gerettet, und ich war durch die Reihe der Jahre an ihn gewöhnt worden.

Endlich wurde auch ich bei den Männern so unbeliebt wie mein fidus Achates, während mich die Frauen nur bemitleideten. Aber der letzte Stoß, der mich völlig von meinen Nachbarn abschied, wurde durch folgende Umstände veranlaßt. Unser Theil der Grafschaft wimmelte von Wild, folglich auch von Wilddieben, und ich schloß mich, sobald ich sicher in meinem Besitzthum war, einer Gesellschaft an, welche sich's zur Aufgabe setzte, dem Unwesen der letzteren ein Ziel zu stecken.

Ich bezahlte zwei Förster und ihre Gehülfen mit theurem Gelde – aber das half nichts. Krack, krack! ging es alle Nacht – meine Pflanzungen wurden verwüstet und meine Zäune niedergebrochen. Die Unkosten waren ungeheuer und ich gerieth in Wuth. Pigtop theilte meine Gefühle. Ich zog daher jede Nacht in seiner Begleitung aus, um die Spitzbuben auf der That zu ertappen.

Nach mancher langen und regnerischen Nacht traf unser acht Mann starker Haufen endlich mit einer Bande von sieben Wilddieben zusammen, die, statt sich dem an sie ergangenen Geheiße zufolge zu ergeben, ein regelmäßiges, recht hübsches Buschfeuer auf uns eröffneten. Auf beiden Seiten wurden Gewehre abgeschossen, und ich selbst trug mehrere Schrote in meinem Leibe davon. Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß wir geschlagen wurden, was ich der Feigheit meiner Diener zu danken hatte. Die Wilddiebe nahmen uns unsere Gewehre ab und zerbrachen sie vor unsern Augen.

Pigtop, der sich unnöthiger Weise ereifert hatte, sogar als er sah, daß Heftigkeit ihm nichts nützen konnte, wurde mit dem Ladstock seines Gewehres fast zur Mumie zerdroschen, und dann in einen Sumpf geschleudert, wo er beinahe erstickt wäre. Die Wilddiebe dagegen zogen, nachdem sie ihre Rachsucht befriedigt hatten, nur mit einem einzigen Verwundeten ab.

Am andern Morgen begann ich ernstlich darüber nachzudenken, was ich durch meinen Feldzug eigentlich gewonnen hatte. Mein Freund war beinahe um's Leben gekommen und lag fieberkrank im Bette, während ich selbst Wunden und Schimpf davon getragen hatte. Die Sache machte großes Aufsehen, aber Jedermann war erstaunt und ärgerte sich über die kalte und ruhige Weise meiner sofortigen Schritte.

Der verwundete Wilddieb, der Sohn eines meiner achtbarsten Pächter, lag auf den Tod. Man schmähte auf mich, weil ich nicht duldete, daß er in das Grafschaftsgefängniß abgeführt wurde. Einige Tage nachher starb er in meiner Gegenwart.

Seine Mitschuldigen hatte er nie verrathen. Die Scene ergriff mich sehr, und ich benahm mich so gütig als möglich gegen seine unglücklichen Eltern. Hierüber erhielt ich einen höflichen Brief von dem Comité meiner Nachbarn, in welchem mir mitgeteilt wurde, daß ich durch den einstimmigen Beschluß sämmtlicher Mitglieder aus der Gesellschaft für die Ausrottung der Wilddiebe in der Grafschaft von – – ausgeschlossen worden sei. Meine Rückantwort war ein Danksagungsschreiben für die mir erwiesene Ehre.

Nachdem Pigtop wieder genesen war, trug ich ihm auf, Schreibmaterialien zu nehmen und den Jahresaufwand für die Erhaltung meines Wildes zu berechnen. Wir fanden, daß derselbe mit dem Gehalt der unnützen Memmen, Förster geheißen, mit den Kosten für Wiederherstellung der Beschädigungen u. s. w., mehr als vierhundert Pfund ausmachte.

»Und wenn wir des Wildprets benöthigt sind, Pigtop, so haben wir es nie in zureichender Menge.«

»Nie.«

»Was kriegen wir also für dieses Geld – und was haben wir dafür gehabt?«

»Eine verteufelte Prügelsuppe.«

»Wir müssen unsern Plan ändern. – Da fällt mir ein herrlicher Gedanke ein, der mir mehr Wild eintragen soll, als irgend einem Manne in England zu Gebote steht.«

Am nämlichen Tage noch dankte ich meine Förster sammt ihren Gehülfen ab.

»Was gedenkt Ihr zu thun?« fragte Pigtop.

»Ich will auf meinen eigenen Gütern wilddieben.«

Ich wußte es einzuleiten, daß ich mit dem Anführer der Bande welche nun nur noch aus sechs Mann bestand, ein Zwiegespräch halten konnte, wobei sich der Mann unbedingt auf mein Ehrenwort verließ.

»Giles Grimjaw,« sagte ich, »ich gebe Euch unbeschränkte Erlaubniß, sowohl bei Tag als bei Nacht über alle meine Güter zu pürschen« – der Kerl wollte mir nicht glauben – »knüpfe aber die Bedingungen daran, daß Ihr mich mit allem meinem Wildpretbedarf verseht« – er grinste entzückt – »und daß Ihr keine meiner Verzäunungen beschädigt.« Er und seine Genossen wollten noch am nämlichen Morgen Alles wieder herstellen und in gutem Stande erhalten. »Sehr wohl – aber merkt auf – Ihr dürft keiner andern Bande, als der Eurigen, erlauben, auf meinem Grund und Boden Wild zu schießen.« Er wollte sehen, wer sich deß erdreistete. Ich habe sie mit Leib und Seele an mich gebunden und ihr Leben stehe mir zu Dienst.

»Ich verlange nichts von Euch, Giles, als eine ehrliche Erfüllung Eures Vertrags. Meine Speisekammer ist eben jetzt völlig leer.«

Der Bursche entfernte sich, und ich glaube, er war in der That so glücklich, als ob ich ihm das ganze Besitzthum geschenkt hätte.

Das nenne ich nun eine wirksame Ausrottung der Wilddieberei, denn ich habe durch mein Manöver sechs verzweifelte Schufte in eben so viele thätige und unbezahlte Wildhüter umgewandelt. Meine Güter und meine Küche haben den besten Wildvorrath, obschon ich dafür von allen meinen Nachbarn in der Grafschaft bitter gehaßt bin. Letzteres thut mir leid, um so mehr, da sie mir nachsagen, meine Wilddiebe besteuerten die angrenzenden Jagdgründe, nicht aber meine eigenen. Wie dem übrigens sein mag, da ich bald nach London muß, um den Druck dieser Biographie zu besorgen, so hat ihr Groll gegen mich wohl Zeit, sich ein wenig zu legen.

In London, das ich seit vielen Jahren nicht wieder besucht habe, werde ich in Gesellschaft gehen, und sollte ich eine Dame finden, die so schön und liebevoll ist, wie – –, so heirathe ich am Ende doch noch, mag Pigtop sagen, was er will.

 

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Druck von C. Hoffmann in Stuttgart


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