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Achtzehntes Kapitel

Ralph geräth in patriotisches Feuer, wird selbst getrillt und trillt ein Zündloch. – Er bildet sich zu einem ungeheuren Lügner. – Ein Besuch, der von Niemand gesehen wird, und der Abschluß des Geheimnisses durch eine abermalige Wanderung.

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Es liegt sowohl in der Manns- als in der Knabennatur, gern in Extreme zu zerfallen. Ich habe den Leser durch meine trostlose und meine enthusiastische Epoche geführt, gelange aber jetzt zu der erbärmlichsten von allen, zu der der Lüge. Ein geständiger Poet ist zwar de jure zu einer weiten Breite von Dichtung berechtigt, aber ich mißbrauchte dieses Privilegium auf die elendiglichste Weise. Ich wurde ein harter und unerschütterlicher Lügner – was gleichfalls eine natürliche Folge meiner Erziehung oder vielmehr des Mangels an Erziehung war. In der Schule griff ein militärischer und chevaleresker Geist um sich – die Manie für freiwilligen Kriegsdienst wurde allgemein, und unsere zahlreiche Schulgenossenschaft übte sich fast ohne Ausnahme im Gebrauch der Waffen. Die Regierung selbst versah uns mit einem halben Dutzend Sergeanten, um uns gehörig in unsern Manual- und Peloton-Exercitien auszubilden. Wir hatten eine sehr hübsche Uniform, und unsere Infanterie-Equipirung war in Allem vollständig, mit der einzigen Ausnahme, daß die Musketen der jüngeren Knaben keine Zündlöcher hatten. Auch die meinige befand sich in diesem unschuldigen Zustande. Oh! welch' ein Verdruß an Exerciertagen, wenn wir uns den vereinigten A. und B. Freiwilligen anschließen durften – die großen Jungen ließen mit wirklichem Pulver und in einer Zeile mit wirklichen Männern losbrennen, während ich einen hölzernen Stein gegen eine funkenlose Batterie schnappen lassen mußte.

Es setzte einen regelmäßigen Kampf zwischen Mr. Root, meiner Muskete und mir ab; endlich aber siegte ich, indem ich meinem Sergeanten einen Schilling gab. So oft unsere Musketen auf der Parade visitirt wurden, fand man, daß in die meinige ein Zündloch gebohrt war, und dann durfte ich auch sicher darauf zählen, daß ich über die Kohlen geholt wurde. In jenem patriotischen Fieber war ich, obgleich mir weder Pulver noch Kugeln gestattet wurden, der einzige in der ganzen Schule, der für das Vaterland blutete. Indeß wurde mir doch endlich das hohe Glück zu Theil, Bonaparte und seinen versammelten Legionen an der Boulogner Küste zum Trotz, mein Pulver in's Leere hinauszuschießen. Zu meinen andern Entzündlichkeiten hatte ich also auch militärisches Feuer, und da ich außerdem in dem New-River schwimmen gelernt hatte, so begann ich, mir vorzustellen, daß mir nichts mehr zu einem Helden fehle.

Ich fing nun an, das Geheimniß meiner Geburt zu würdigen und von demselben Gebrauch zu machen. Die Romane hatte ich nicht umsonst gelesen, und ich begann jetzt meine lügnerische Laufbahn. Oh, welche Unwahrscheinlichkeiten und Unmöglichkeiten sann ich nicht aus, und Alles wurde mir treulich nachgesagt und geglaubt. Ich war ein Prinz incognito; mein Vater konnte selbst Geld schlagen lassen, und ich zeigte meinen getäuschten Zuhörern zum Beweise kleine Münzen; wollten sie mir nicht glauben, so griff ich zu einer schlagenden Ueberführung. Die älteren Knaben schüttelten die Köpfe und wußten nicht, was sie daraus machen sollten. Die Unterlehrer erlaubten sich Nachfragen, fanden aber nichts positiv Widersprechendes, wohl aber viel, auf was sich Muthmaßungen bauen ließen.

Aber ungeachtet meines Erfolgs begann dennoch mein Leben sehr lästig zu werden. Die Lügen wurden zu mannigfaltig, zu handgreiflich und für mich zu beschwerend. Es fehlte ihnen gar sehr am Zusammenhang, und nun erhob der Spott sein zischendes Haupt. Beschämung war meine beständige Begleiterin – und doch log ich fort. Ich glaube übrigens wohl sagen zu dürfen, daß ich zu der Zeit, in welcher ich mich für einen künftigen König ausgab, die mindeste Verletzung der Wahrheit verschmäht haben würde, wenn es sich bloß darum gehandelt hätte, mich einer schweren Züchtigung zu entziehen oder wenn ich dadurch auch meinen schlimmsten Feind nur im Geringsten verletzend nahe getreten wäre. Meine Lügen waren nur Ergüsse einer höchst untergeordneten Eitelkeit; ich wollte einen großartigen Eindruck hervorbringen, und beharrte dann aus Stolz und Hartnäckigkeit darauf. Aber ich unterlag unter der unfaßbaren Größe meiner eigenen Schöpfungen. Ich war so umständlich in Allem gewesen, hatte die Paläste, die Musterungen, die Schlachten, meine eigenen Zelte beschrieben, und nun, oh! wie bitter empfand ich nicht alle diese Machwerke! Es war Zeit, daß ich die Schule verließ, oder ich mußte vergehen, denn das Leben in derselben war mir ganz unerträglich geworden. Und doch währte dieser Zustand des Elends – die Jammerlage eines überwiesenen, und doch hartnäckig auf seinen Schwindeleien beharrenden Lügners beinahe ein Jahr. Eilen wir darüber hinweg; zu gleicher Zeit möge es übrigens der Jugend als Vorbild dienen – nach demselben Grundsatze, welchem zufolge die Spartaner ihren Kindern betrunkene Sklaven zeigten. Könnte ein junges Herz nur den zehnten Theil des Elends begreifen, als ich erduldet, so würde es nie von der Wahrheit abschweifen.

Ich habe keine Zeit, mich über entschieden possirliche Unfälle, welche Mr. Root zustießen, weiter zu verbreiten: wie er einmal in die volle Gluth eines Rossekriegs gestürzt wurde, oder wie er einmal Nachts, als er, mit rothgepudertem Kopfe, seiner Gewohnheit gemäß auf allen Vieren in die Schlafsäle der Knaben kroch, um ihre nächtlichen Unterhaltungen mitanzuhören – ein Besuch, welcher, da er erwartet wurde, damit endigte, daß sein Kopf an der Bettstatt, an welcher er horchte, durch ein halb Pfund warmen Schusterpechs festgehalten wurde und nur durch die Jasonartige Operation des Vließscheerens wieder befreit werden konnte. Wir müssen jetzt rasch vorwärts gehen. Mich verlangte sehr, von dieser Schule fortzukommen, und mein Wunsch wurde in der folgenden, sehr auffallenden Weise erfüllt.

An einem schönen, sonnigen Sonntagsmorgen waren wir alle in hübscher Ordnung aufgestellt, um paarweise von dem Spielplatze aus durch das Haus nach der Kirche zu gehen, als sich der ungewöhnliche Ruf vernehmen ließ, daß Jemand zu »Master Rattlin wolle,« dies war nämlich stets das erfreuliche Signal, daß ein Vater oder sonstiger Verwandter zum Besuch angekommen sei. Ich mußte augenblicklich in das Haus, und nun fand ein Geflüster zwischen Mr. und Mrs. Root statt, in dessen Folge ich in das Schlafgemach geschafft wurde und meine zweitbesten Kleider, welche ich anhatte, gegen die besten vertauschen mußte. Nachdem man mir noch obendrein mit einer feuchten Twehle über das Gesicht gefahren war, stieg ich wieder hinunter und wurde mit einem Herzen, das wie ein paar Kastagnetten gegen meine Rippen klapperte, der zärtlichen Obhut des Pädagogen übermacht.

Sein Gesicht in die angenehmsten Falten legend, ergriff er mich bei der Hand und öffnete das Besuchszimmer, wo der muthmaßliche Gast erwartet wurde – aber siehe da; das Gemach war leer. Mrs. Root und sämmtliche Dienstboten wurden herbeigerufen; sie erklärten jedoch alle auf's Entschiedenste und waren bereit die Thatsache zu beschwören, daß ein Gentleman in das Zimmer getreten und nicht wieder herausgekommen sei. Das Gemach lag zu ebener Erde und ging vorne hinaus. Durch das Fenster konnte der Fremde nicht wohl entwischt sein, da die area zwischen diesem und dem gepflasterten Wege lag; auch dünkte es sogar Herrn Roots Einbildungskraft ungereimt, daß ein Gentleman durch eine derartige Oeffnung aus einem der Haupthäuser in die Hauptstraße von – – hinaus schlüpfen könne, während die Leute eben zur Kirche gingen. Wie dem übrigens sein mochte, Alles sah der Reihe nach in den Schornstein hinauf, ob nicht ein ältlicher, militärisch aussehender Gentleman mit einem Ueberrocke (denn als ein solcher war der Besuch beschrieben worden) so großmüthig gewesen sei, meinem Schulmeister dadurch einen Schilling zu ersparen, daß er in den Kamin hinaufkroch und den Ruß herunterfegte. Die Person war jedoch nicht aufzufinden. Root begann nun unruhig zu werden, schickte nach einem Constable und ließ das ganze Haus von der Dachstube an bis zum Keller durchsuchen. Die Wohnung war jedoch weder beraubt, noch irgend einer ihrer Insaßen ermordet worden, obschon die geheimnißvolle Person nicht aufgefunden werden konnte.

Obschon sich Mr. Root einbildete, sehr weise zu sein, so war er doch ein großer Thor – einer aus der Klasse derjenigen, die hin und wieder ihren Nebenmenschen überlisten, aber doch unvermeidlich dabei ihr eigenes Gleichgewicht verlieren und in den Korb purzeln. In seiner schlauen Dummheit hatte er für jedes mögliche Ereigniß, nachdem es einmal eingetreten war, ein » hab' ich's nicht vorher gesagt« bereit und war so daran gewöhnt, diese Lieblingsphrase auf alle unglückliche Anlässe anzuwenden, daß er sich nicht erwehren konnte, dieselbe auch eines Morgens in Bezugnahme auf eine unglückliche Hausmagd zu gebrauchen, welche Nachts zuvor heimlich Zwillinge geboren hatte, obschon Mrs. Root eine derartige Anwendung durchaus nicht gefallen wollte.

Statt der Geschichte mit dem vermißten Gentleman eine vernünftige Ansicht abzugewinnen und auf die Vermuthung zu kommen, daß der Diener bestochen worden sei, ihn ruhig zur Hausthüre wieder hinausgehen zu lassen, weil er vielleicht seine Gefühle nicht hinreichend zu bewältigen vermochte, um die nachgesuchte Zusammenkunft zu erstehen – machte Root ein eigentliches Mirakel aus der Sache. Sie war erstaunlich – ja, übermenschlich! Er las darin die Vorbedeutung eines Unglücks, das ihn betreffen sollte, und hatte eigentlich darin Recht, denn durch die Art, wie er die Angelegenheit behandelte, wurde wirklich etwas der Art herbeigeführt. Ich glaube wahrhaftig, hätten die Diener oder Mrs. Root, welche den Gentleman gesehen, die Behauptung aufgestellt, es habe unter dem militärischen Ueberrock ein Pferdefuß hervorgeblickt, so würde er nicht nur der Versicherung unbeschränkten Glauben geschenkt, sondern ihr auch unbeschränkte Cirkulation gestattet haben. Wie dem übrigens sein mochte, er machte sich mit der Sache gewaltig zu schaffen, forderte seine Kollegen, die Kirchenpfleger, sammt dem Pfarrer auf, mit ihm ein Nachforschungsgericht abzuhalten, ließ die Zeugnisse in aller Form ausstellen, leitete eine Art Verbal-Prozeß ein und sorgte dafür, daß demselben die gebührende Beglaubigung ertheilt wurde. Mr. Root gab sich jetzt mit Mirakeln ab und that gewaltig dick damit, daß er sich zum Helden seiner eigenen Wunder machen konnte.

Nachdem er sich damit getröstet, daß er im Laufe von vierzehn Tagen das erstaunliche Papier allen seinen Nachbarn gezeigt hatte, hielt er es für passend, seiner Klugheit und seinem eiteln Ruhm die Krone aufzusetzen, indem er sich mit seiner Kunde zu dem Bankier in die Stadt begab, wo der volle Betrag seiner Rechnungen für Kost und Unterricht stets ohne Prüfung und Widerrede ausbezahlt worden war. Der ehrenwerthe Geldmann machte ein grämlich höfliches Gesicht über den langen wunderbaren Bericht des Schulmeisters, nahm mit nachdrucksvollem Schweigen eine Abschrift des Aufsatzes über den geheimnißvollen Besuch entgegen, und begleitete mit aller nur erdenklichen Etikette den Pädagogen nach der Thüre.

Mr. Root kam, außerordentlich wohl mit sich selbst zufrieden, nach Hause, legte seiner theuren Ehehälfte und den aufmerksamen Haupt- und Unterlehrern Stillschweigen auf, wischte dann den Schweiß von seiner Stirne und fuhr fort, seinen bewundernden Auditoren mitzutheilen, welche große, gewaltige Anstrengungen er gemacht, und wie mannhaft er in der ganzen schrecklichen Geschichte seine Pflicht gethan habe. Leider fand er bald auf seine eigene Kosten, daß er es ein wenig zu weit getrieben, denn er hatte sich dadurch um einen guten Zögling gebracht. Vierzehn Tage nachher wurde wieder nach mir gefragt. An der Thüre stand eine Glaskutsche, und ein sehr zurückhaltender Gentleman stieg aus, der das Pensionsgeld bis zum Ende des laufenden Halbjahrs ausbezahlte, ohne sich auf eine Beantwortung von Fragen einzulassen, sondern nur ein Dokument hervorzog, mich sammt allein meinem weltlichen Reichthum in den Wagen schaffte und dann von hinnen fuhr.

Wenn ich mich recht erinnere, bestand das ganze Gespräch, welches ich mit dieser schweigsamen Person unterhielt, von Seite meines Begleiters in der originellen Erwiederung: »Stellt keine Fragen an mich und ich werde Euch kein Mährchen aufbinden.« Da ich nun mit meinem erzwungenen tête à tête nichts anzufangen wußte, so begann ich mich mit Hypothesen über meine muthmaßliche Zukunft abzugeben. Mit Luftschlössern trug ich mich nicht, denn ich war der großsprecherischen Reden, welche ich gegen meine Schulkameraden für Wahrheit ausgegeben hatte, herzlich satt. Dennoch muß ich bekennen, daß meine Gefühle sehr behaglich waren, denn es war wirklich ein sehr erfreulicher Trost für mich, dem ungeheuern Lügenlabyrinthe, das ich um mich gepflanzt, entronnen zu sein und nicht mehr länger den Ruthenschwinger Root fürchten zu müssen; außerdem ist auch eine neue Lage, unter welcher Form sie sich zeigen mag, der Jugend stets angenehm.

In diesem aufgeregten Zustand erreichte ich abermals London, und ich begann zu hoffen, daß ich meine Pflegeeltern wieder sehen würde. Ich fing an, meinem Bischen Lateinisch und meinem noch weniger Griechisch aufzubieten, um den ehrenwerthen Brettschneider sammt seiner Gattin in Erstaunen setzen zu können; auch nahm ich mir vor, seinen Wochenlohn erstlich durch einfache Arithmetik, zweitens in Brüchen, drittens in Dezimalen und viertens in Duodezimalen für den Tag zu berechnen, und zum Schlusse die Probe durch eine algebraische Gleichung zu machen. Aber alle diese Triumphe der Gelehrsamkeit waren mir nicht beschieden. Ich fand, daß der Glaswagen endlich in dem Hofe eines Kutschers anfuhr, dem ich mit wenigen Worten und mit eben so wenig Ceremonie für einen andern Wagen überantwortet wurde, als wäre ich ein häßlicher, triefäugiger Mops gewesen, der in einer Schachtel mit der Aufschrift: »dies ist die obere Seite« an eine Jungfer Tante oder an eine uralte Großmutter geschickt werden sollte.

Dieß war gewiß eine sehr unhöfliche Behandlung gegen einen Menschen, der in letzter Zeit seinen Kameraden auf's Ernstlichste versichert hatte, er sei ein Prinz von Geblüt und aus Staatsgründen genöthigt, ein strenges Incognito zu behaupten. Es ist zwar wahr, daß ich mit vier Pferden reiste, einen Condukteur zum Begleiter hatte, und an den verschiedenen Haltorten durch den Ton des Horns angekündigt wurde; aber alle diese fast königlichen Ehren theilte ich mit einem plebejischen Schlächter, einem schwindsüchtigen Glaser und anderen dergleichen Personen, die zwar in der Gesellschaft sehr nützlich sein mögen, übrigens kaum als Zierde einer politischen Körperschaft betrachtet werden konnten.

Wir wollen jedoch bei diesem Punkte meines Lebens Halt machen und in wenigen Worten zusammenfassen, was ich in meinem dreizehnten Lebensjahre war; denn Vermuthungen über das anzustellen, was ich hätte sagen können, würde eben so unnütz, als peinlich sein.

Es ist gewiß, daß sich in jenem Alter die Grundzüge des Charakters bereits unauslöschlich bilden. Ist den Ausbrüchen jugendlicher Leidenschaftlichkeit nicht entgegengearbeitet worden, so wird das ganze Leben stürmisch sein; wurden die Gefühle der Rachsucht nicht verbessert, so bleiben sie nachhaltig; die unkultivirten religiösen Grundsätze führen entweder zur Lauheit im Glauben oder zum Skeptizismus und zu völligem Unglauben; ist man nicht zum Fleiße angehalten worden, so wird man stets die Arbeit für etwas Unedles halten und Anstrengung nur dann löblich finden, wenn ihr unmittelbares Ziel Vergnügen ist. Nun war ich aber in dem gedachten Alter ein verlassenes und vernachlässigtes Kind – abwechselnd der Fußschemel der Unterdrückung oder der Federball der Laune – bald mit Füßen getreten, bald geschmeichelt. Dabei war ich in einem Grade abergläubisch, daß ich den traurigen Bereichen des Blödsinns verfallen sein würde, hätte nicht ein gesundes Temperament und ein unbeugsamer Stolz mit veranlaßt, den abgeschmackten Schreckbildern, an welche ich glaubte, Trotz zu bieten. Hieran waren entschieden die Methodistenprediger Schuld. Die Kirche und Alles, was mit dem Gottesdienste in Verbindung stand, war mir verhaßt, was ich Mr. Roots frommer Disciplin zu danken hatte. Ich war eitel, unstät und so wankelmüthig wie der Sommerwind, obgleich ich, wenn mich die Laune anwandelte, stundenlang und unermüdet auf den Blumengefilden der Literatur umherwandeln konnte. Dies kam auf Rechnung der Vernachlässigung, die mir in der Schule zu Theil wurde. Ich war abgehärtet, starrköpfig und grausam – eine unzweifelhafte Wirkung der Ruthe – und vor allem ein ungeheurer Lügner, obgleich ich nicht aus Furcht oder Gewinnsucht, sondern nur aus Ehrgeiz log. Da ich mir um meiner Jugend willen nicht mit dem Schwerdte Ruhm erholen konnte, so gab ich mir die eitle Mühe, dieses Ziel vermittelst der Zunge zu erreichen. Der einzige Trost, der mir bei dem Rückblick auf diesen anrüchigen Theil meines Charakters bleibt, besteht darin, daß ich denselben mit Heroismus durchführte. Wenn das Sprichwort wahr ist, daß ein Mord einen Verbrecher, tausend aber einen Helden machen, so kann ich wohl eben so gut sagen, eine Unwahrheit macht einen gemeinen Lügner, während tausend den Stempel eines großartigen Erfinders ausdrücken. Die gesunde Moral hat jedoch einen scharfen Blick und verdammt den einen wie den andern. Es gibt nichts wirklich Großes, was nicht wahr ist, und dies trifft auch bei Dingen zu, welche anscheinend die Dichtkunst zu ihrer Grundlage haben. Ich möchte jedem hochsinnigen Jünglinge allen Ernstes rathen, sich überhaupt vor Romanspielereien in Acht zu nehmen; denn wenn er Genie besitzt, wird er nicht im Stande sein, irgendwo Halt zu machen, und wenn es je einmal geschieht, so sieht er sich plötzlich dem Spotte derjenigen Preis gegeben, welche er verachtet, obgleich er ihre Ueberlegenheit nicht bestreiten kann, weil sie nicht gelogen haben.

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