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Neunundvierzigstes Kapitel

Ralph wird seiner Pflicht untreu – gibt für die Liebe die Welt und den Verstand obendrein auf. – Sehr feine Bemerkungen über Ehre.

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Das soyez tranquille des Monsieur Manuel übte nur eine vorübergehende Wirkung und brachte mir keinen Trost. Was ich gehört hatte, schien das gewöhnlich gesunde Pochen meines Herzens zu beengen, benahm mir den Athem, und ich versank in ein bitteres Träumen. Das tiefste Mitleid, die leidenschaftlichste Bewunderung und der glühendste Wunsch, Schutz zu verleihen – sind dies nicht die geeignetsten Ingredienzien, um einen allmächtigen Liebestrank zu brauen? Möge die ganze Menschheit darauf antworten; – ich liebte. Aber dies Gefühl, das im Allgemeinen so viel Glück bringt, überwältigte mein junges Herz und tauchte es in die Bitterkeit der Besorgniß. Mein Busen schwoll unter hohen Entwürfen; heiße Leidenschaft für einen einzigen Gegenstand und Haß gegen den ganzen Rest meines Geschlechts erfüllte mein Inneres. Ich dachte unaufhörlich daran, mit der jungen Schönheit in die unzugängliche Abgeschiedenheit der Wälder zu flüchten, damit wir uns daselbst gemeinschaftlich des makellosen Glücks und der eingebildeten Herrlichkeit eines Wildenlebens erfreuen möchten. Ja, ich schauderte nicht einmal vor dem Gedanken zurück, uns gegenseitig selbst den Tod zu geben. Es war eine schwarze Stunde der Verzweiflung, und sie betraf mich so plötzlich, wie eine totale Sonnenfinsterniß am Mittage eines Sommertages.

Mit zwischen den Knieen verklammerten Händen saß ich da und mein Kopf war auf die Brust niedergesunken. Ich bemerkte nicht einmal die schwarzen Diener um mich, welche in dem Zimmer aufräumten, das ich kürzlich erst in so schlimme Verwirrung gebracht hatte. Die Außenwelt hatte nichts mit meiner Welt zu schaffen. Meine ganze Umgebung erschien mir nur wie ein Schatten aus dem Traume eines Andern, der mich nicht berührte und kein Interesse für mich haben konnte. Zwei Vorstellungen nahmen mich ausschließlich in Anspruch – die furchtbare Ungerechtigkeit und Josephine. Ich hatte mich so sehr in das bodenlose Meer der einen und in die Liebenswürdigkeit der andern vertieft, daß ich kaum die wirkliche Gegenwart derjenigen bemerkte, deren ideales Dasein mein Gehirn zerwühlte, als das Mädchen selbst leise in das Zimmer kam und sich mit allem Zauber ihrer Anmuth vor meinen Augen bewegte. Kalten, leidenschaftslosen oder egoistischen Menschen mag dies als eine Unmöglichkeit erscheinen; ohne mich jedoch auf metaphysische Gründe in Betreff dieses Gegenstands einzulassen, will ich nur sagen, daß ich mich der Wahrheit tief bewußt bin. Während ich darüber brütete, daß sie mit mir, ihrem Beschützer, dem Drucke entweichen und in irgend eine grimmige Einöde fliehen solle, kam sie heran, setzte sich, fast ohne daß ich's merkte, an meine Seite, nahm meine nicht widerstrebenden Hände zwischen die ihrigen und ließ sich, als sie sah, wie wenig ich aus ihre Liebkosung zu achten schien, allmälig vor mir auf ihre Knie nieder, wobei sie ihre Stirne auf meine Hände legte und eine Weile stumm blieb. Erst das Gefühl heißer Thränen, die durch meine Finger rieselten, weckten mich aus meiner düstern Träumerei, und als ich der Gegenwart wieder bewußt wurde, hob sich ein schwerer, langer Seufzer aus meiner fast zerspringenden Brust.

Die dunkeln, glanzvollen, wehmüthigen Augen waren, in Thränen schwimmend, zu mir erhoben. Menschenalter von Beredtsamkeit drängten sich in jenem einzigen Blicke zusammen. In ihm las ich die ganze Geschichte ihres Lebens, die Tiefe ihrer Liebe, die Innigkeit ihres Glaubens und die brünstige, unaussprechliche Bitte um Theilnahme, um Liebe, um Schutz. Ich vermochte nicht zu antworten auf das stumme Flehen, aber es schien mir durch die Stimme des Schicksals zugeführt zu werden, die in meinem Innern lauter und furchtbarer hallte, als der Donner. In jenem Augenblicke that ich ihr mein ewiges Gelübde, und allmälig ihre nachgiebige, leichte und elastische Gestalt an meinen Busen ziehend, schluchzte ich:

»So lange ich Athem habe, meine Theuerste, sollst du dich nie unter der Geißel krümmen.«

Dann machte ich meiner nicht bewältigbaren Leidenschaft durch Thränen Luft, in die sie die ihrigen mischte, und wir waren glücklich. Ja, unsere junge Liebe erhielt die Thränentaufe – eine inhaltsschwere, passende Feierlichkeit. Wir weinten mit einander wie Kinder, anfangs aus Schmerz, dann voll Hoffnung und Liebe, zuletzt in dem ganzen Hochgenusse einer neugebornen Seligkeit.

Nachdem sich der Sturm der Leidenschaft ein wenig gelegt und die halblauten Ausrufe des Glücks sammt dem sie begleitenden Lächeln den Thau des Schmerzes und der Wonne abgestreift hatten, näherte sich der alte Manuel, augenscheinlich sehr erfreut über die Zeichen der Liebe, mit denen wir uns gegenseitig überschütteten. Ich schlang meinen Arm um Josephinens schlanken Leib, und ihr schönes Antlitz ruhete auf meiner Schulter, als er seinen kunstgerechten Vortrag begann. Er brachte die Rede allmälig auf mich selbst, meine Freunde und meine Aussichten, bis zuletzt meine seltsame, geheimnisvolle Geschichte voll vor ihm entfaltet war. In meinem langen Berichte fühlte ich mich hinreichend belohnt durch die innigen Blicke der schönen Zuhörerin an meiner Seite und durch die Thränen, die bei jeder Stelle, welche von meinen Leiden sprach, hervorzubrechen bereit waren. Das zärtliche Wesen schmiegte sich in jedem Augenblicke der Gefahr dichter an mich an, und ihr Auge leuchtete vor Freude, wenn ich dieselbe siegreich überwunden hatte.

Nachdem ich meine Geschichte erzählt hatte, schloß ich, halb neugierig und matt lächelnd, mit dem ziemlich einfältigen Ausdrucke: »Hier bin ich nun,« woraus mich Josephine mit ihren Armen umschlang, indem sie mit Pathos ausrief: »Und für immer!«

»Josephine spricht gut,« sagte Manuel, indem er sich erhob und patriarchalisch jedem von uns die Hand auf den Kopf legte. »Meine Kinder, wollte Gott, es wäre für immer! Aus dieser Erzählung scheint hervorzugehen, daß Monsieur uns die große Ehre erwiesen hat, zu berichten, er sei ein Verstoßener – ohne Angehörige – und wenn mein junger Freund von all der Weisheit Gebrauch macht, die er ohne Zweifel in so hohem Grade besitzt, so wird er mit uns die Vorsehung preisen, daß sie dem tapferen, jungen Heimathlosen eine Heimath geschenkt hat; denn ich brauche ihm nicht zu sagen, daß Alles, was er rund umher sieht, sein Eigenthum ist – das Land und das Haus. Der bisher Ungeliebte hat ein zartes, junges Herz, das ihm treu anhängen wird, und der Vaterlose einen Vater gefunden.«

Der alte Emigré schloß seine Rede mit einer Verbeugung, während eine Thräne in seinem Auge glänzte. Hätte er sich in meine Arme geworfen, so wäre die Wirkung vollständig gewesen. Ich liebe es nicht, bei derartigen Scenen zu verweilen; da ich aber einmal das Geschäft auf mich genommen habe, so soll es erfüllt werden. Zwar ist die Versuchung groß, mir eine Selbstverhöhnung zur Buße aufzulegen, da ich damals sowohl der Held, als der Abkömmling eines Romans war, nun aber in der höchst schmutzigen Weltlichkeit der Welt selbst weltlich geworden bin – aber um der jungen, noch unversehrten Herzen willen muß ich an mich halten.

Ich fühlte mich ungemein ergriffen und aufgeregt von dieser Anrede, deren Zweck ich nicht mißverstehen konnte. Meine Empfindungen hinderten mich anfangs zu sprechen. Ich stand von dem Sopha auf, während Josephine noch immer an meiner Schulter hing, ergriff die Hand ihres Vaters und führte beide nach dem Fenster. Die Sonne stand dem Horizonte nahe, und Gebirg, See, Thal und Wald waren in eine rosige Glorie getaucht. Ungefähr drei Meilen unter uns lag meine Fregatte auf dem sanft sich kräuselnden Wasser wie eine Sultanin auf ihrem gestickten Divan, Wimpel und Flagge frei im Abendwinde flattern lassend. Ich deutete danach hin und rief mit kaum artikulirter Stimme, denn damals ging es mit dem Weinen und Schluchzen nur allzuleicht –

»Schaut meine Heimath – mein Vaterland verlangt den Dienst eines Sohnes!«

»Monsieur muß das am Besten wissen,« sagte Manuel fast mit Kälte. »Seine Landsleute haben uns besiegt, und ihr seid ohne Zweifel ein tapferes Geschlecht, aber Einer davon hat meiner Tochter nicht viel Gnade gezeigt.«

Das leidenschaftliche Mädchen warf sich zu meinen Füßen – ja, sie kniete zu meinen Füßen, und ihre flehenden Hände waren mit jener Demuth gefaltet, die man nur Gott schuldig ist. Wer hatte sie das unendliche Pathos jener schönen Stellung gelehrt? Gelehrt? Sie hatte keine andere Lehrmeister, als die Natur und die Liebe.

»Josephine,« sagte ich, sie sanft aufrichtend und ihre schöne Stirne küßend, »Ihr brecht mir das Herz. Nein, dies kann ich nicht ertragen – ich muß das Haus verlassen. Ich habe nie gesagt, daß ich Euch liebe« – (elende Ausflucht!)

»Aber Ihr liebt mich doch, Ihr liebt mich – es ist meine Bestimmung – es ist die Eurige – denn schon seit drei Jahren erwarte ich Euch. Wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so fragt das Obeah-Weib. Es ist wahr!« Dann schoßen ihr die Worte wie ein Bergstrom von den Lippen als sie fortfuhr: »Liebt Ihr mich? – liebt Ihr mich? – liebt Ihr mich?«

»Ich liebe Euch, Josephine – ich liebe Euch bis zum Wahnsinn! Aber die strenge Ehre tritt mir in den Weg.«

»Und wer ist diese Ehre?« rief sie mit ungekünstelter Einfalt, denn es war augenscheinlich, daß sie das Wort nie zuvor gehört und nicht die mindeste Vorstellung von seiner Bedeutung hatte. » Et quel est cet honneur Ià?« Es lag ein Anflug von Verachtung in ihrem Tone.

Ich fand keine Worte der Erwiederung.

»Wird diese Ehre für Euch thun, was mein Vater – was ich für Euch thun will? Was hat diese Ehre für ihn gethan? – Sagt es mir, Vater. Hat sie ihm diese blaue Jacke angezogen und diesen kleinen Degen an seine Seite gegeben? Zeigt ihm, lieber Vater, die reichen Anzüge und die schönen Waffen, die wir haben. Wird die Ehre in Stunden der Krankheit an Eurem Lager wachen, Euch in der Hitze des Nachmittags hinausnehmen und Euch die kühlen, schattigen Plätze, die erfrischend murmelnden Quellen zeigen? Wer ist diese Ehre, die Euch zu gebieten scheint, mir das Herz zu brechen und mich vor Gram sterben zu lassen?«

»Monsieur Manuel,« versetzte ich in großer Verwirrung, »habt die Güte, der lieben Josephine auseinanderzusetzen, was Ehre ist.«

»Eine Verhaltungsregel,« versetzte er finster, »die nie näher bestimmt oder verstanden wurde und die die Menschen nach ihrer Bequemlichkeit deuten können. Ein einziger edler Antrieb des Herzens ist mehr werth, als alle Ehre, von der ich je gehört habe.«

Da hatte mir der Freund sauber aus der Noth geholfen. Ich suchte Trost, indem ich mich von dem sarkastischen Vater zu dem schönen Antlitz der Tochter wandte, begegnete aber daselbst einem Ausdruck so tiefen Kummers, daß ich hätte vergehen mögen. Ihre plötzliche und mir ganz unerwartete Aufregung war verschwunden und die Schwermuth schien ihre dunkelsten Fittige über sie ausgebreitet zu haben, so daß ich glaubte, sie müsse bald unter dem unheimlichen Schatten derselben erliegen. Für einen Moment begegneten meine Augen den ihrigen – nein, diesem Aufrufe konnte ich keinen Widerstand leisten.

»Ich will bleiben,« sagte ich leise, »bis das Schiff absegelt.«

Jetzt hatte ich zum erstenmal Gelegenheit, Zeuge von dem Enthusiasmus des melancholischen Temperaments – von der Beredtsamkeit der nicht durch die Schule gebildeten Natur zu sein. Die gebeugte Gestalt, die auf meinem unterstützenden Arme zusammenzubrechen schien, riß sich plötzlich von mir los. Ihre gerundete und zarte Figur hob sich mit einemmale zu plötzlicher Würde; ihre Muskeln nahmen, ungeachtet ihrer Weichheit, doch das Starre einer schönen griechischen Statue an, und so stand sie vor mir, unaussprechlich schön, als ob sie durch irgend einen Zauber halb in Marmor umgewandelt sei. Das war eine schwere Heimsuchung für mich. Keine Geberde, keine Bewegung des Arms, während sie sprach! Ihre Stimme drang musikalisch hervor, wie aus einem geweihten Orakel, das nur in seinen Worten Leben trägt. Monsieur Manuel hatte sich sehr weislich bei Seite gemacht.

»Nicht eine Stunde – keine Minute – keinen Augenblick – oder für immer! Junger Herr, Ihr seid bereits zu lange geblieben, wenn Ihr nicht immer bleiben wollt. Laßt mich von Euch träumen und sterben. Der Dorn ist in meinem Herzen und wird mich allmählig tödten. Geht! Warum habt Ihr Blicke auf mich geworfen, wie es nie zuvor ein Mann gethan? Warum habt Ihr Eure falschen Thränen mit den meinigen gemischt, die so aufrichtig – und oh, so voll Liebe waren? Aber wer bin ich, daß ich so stolz gegen ein Wesen spreche, das ich, wenn ich es nicht als verräterisch kennte, für einen Engel ( un des bons esprits) halten müßte? Ich bin ein armes, schwaches, unwissendes, farbiges Mädchen – als Sklavin und zur Sklaverei geboren – deren einziger Ehrgeiz war, geliebt zu sein – geliebt für eine kurze, kurze Weile – denn ich weiß, daß ich früh sterben werde – ich würde Euch nicht lange belästigt haben. Aber Ihr seid zu gut für mich – ich war eine anmaßende Thörin. Geht – entfernt Euch eilig und nehmt Alles mit Euch, was ich Euch geben kann, den Segen einer armen zum Sklaventhum Gebornen.«

Während dieser ganzen Zeit stand sie fest und fast regungslos, die Hände unter ihrer bebenden Brust gefaltet, in einiger Entfernung von mir. Ich näherte mich ihr mit ausgebreiteten Armen und wollte in irgend eine thörichte Floskel, als da war: »schöne Tochter der Sonne,« ausbrechen, denn ich hatte sie bereits in einem neuen Lichte kennen gelernt, als sie zurückwich und, während sie mir zuwinkte, fortfuhr –

»Bereits zu viel davon – laßt mich lieber durch Grausamkeit, als durch Liebkosungen sterben, die noch schlimmer, als die erstere sind. Ich fühle mich von einem neuen Geiste durchdrungen und bin kein Kind mehr. Gestern hätte ich noch als eine Herabgewürdigte den Staub vor Euch geküßt, was ich eigentlich jetzt noch thun sollte; aber Ihr habt mich an Euer Herz gedrückt, habt mit mir wie zu Eures Gleichen gesprochen – habt sogar mit Euren Thränen meine Stirne gebadet. Durch Euch bin ich geadelt worden! Oh! es ist ein Glück und ein großer Ruhm. Aber wie demüthig ich auch früher war, so befehle ich Euch jetzt zu gehen – geht, lieber, theurer Ralph. Ihr werdet mich nicht ganz tödten, wenn Ihr Euch jetzt entfernt; deshalb seid großmüthig und geht.«

Ich war bereits hinreichend verliebt und fing an, mich vor mir selbst zu schämen, weil ihre Begeisterung so wenig ansteckend auf mich wirkte.

»Josephine,« sagte ich in ruhigem ernstem Tone, »reicht mir Eure Hand.«

Ich nahm sie – sie war leichenkalt. In diesem Augenblicke sammelt sich all ihr bestes Blut in ihrem jungen Herzen. Ich führte sie zu dem offenen Fenster, zeigte ihr die edle Fregatte, die ihr so verhaßt war, und sprach:

»Theure Josephine, in jenem Schiffe dort sind mehr als dreihundert tapfere Männer, lauter Landsleute von mir, und einige davon meine vertrauten Freunde. Ich habe oft mit ihnen die Gefahr im Angesichte des Todes getheilt und seit fast drei Jahren mit Einigen davon ohne Unterlaß mein Brod gebrochen. Diese Alle haben Ansprüche an mich. Ihr seht, daß ich ruhig mit Euch spreche. Ich dachte mir nie, daß Ihr eine so leidenschaftliche, kleine Rednerin sein könntet – aber macht jetzt keine so niedergeschlagene und demüthige Miene, ich liebe Euch nur um so mehr dafür. Meine Bemerkung hat blos den Zweck, Euch zu überzeugen, daß dasjenige, was ich Euch jetzt sagen will, nicht die bloße Einflüsterung eines vorübergehenden Impulses ist. Aber, Josephine, in meinem eigenen, weit entlegenen Lande habe ich auch einige Freunde, und ich bin nicht ganz verlassen. Mein Ursprung ist in ein Geheimniß gehüllt, das einen besondern Reiz für mich hat, und das ich zu zerstreuen wünsche. Wenn ich mich aufführe, wie ich bisher gethan habe, so steht mir die Herrschaft über ein Schiff in Aussicht, so stolz, wie jenes dort, und gleich edle Geister würden meinem Befehle Folge leisten. Ich hoffe zuversichtlich, daß das gedachte Geheimniß sich aufklären wird, und ich erhalte vielleicht eines Tages meine Stellung unter den Edlen meines Vaterlandes, wie dieß jetzt unter den Edlen der See der Fall ist. Weint nicht so, meine Liebe, oder Ihr werdet mich mit Empfindungen erfüllen, die zu schmerzlich sind, als daß ich sie zu ertragen vermöchte. Laßt uns für eine kleine Weile ruhig sein, denn das Reich der Leidenschaft wird bald genug beginnen. Merkt auf mich – um Euretwillen – Gott vergebe mir, wenn ich eine Sünde begehe! – Um Euretwillen sage ich mich los von meinen Genossen, trenne alle Bande der Freundschaft, lasse das Geheimniß meines Ursprungs unenthüllt bleiben, und verzichte auf das Land meiner Geburt! Ja, um Euretwillen setze ich mich sogar der Gefahr aus, wegen Desertion gehangen zu werden! Josephine, Ihr unterzieht Euch einer großen Schuld, einer schweren Verantwortlichkeit. Mein Herz, mein Glück ist in Eurer Hand. Josephine, ich bleibe.«

»Für immer?«

»Für immer!«

Sie brach in einen wilden Freudenschrei aus, während sie an meinen Busen sank, und zum erstenmale besiegelten unsere Lippen den geheimnißvollen Bund der Liebe. Nach einer kleinen Weile entwand ich mich ihrer süßen Umarmung und sagte:

»Theure Josephine, dieß kann für mich kein Augenblick ungetrübter Freude sein. Du siehst, die Sonne hat sich halb hinter den Horizont gesenkt. Gib meinem natürlichen Schmerze nur eine kurze Frist, denn so wahr ich hier stehe, so zuverlässig gehen alle meine Hoffnungen aus Ruhm, wie jener Feuerball, für immer unter.« Die Thränen traten mir in die Augen, während ich rief: »Lebe wohl, mein Vaterland – lebe wohl, Ehre – Eos, meine ritterliche Fregatte, lebe wohl.«

Wie mit dem Instinkte des Lebens beantwortete das schöne Schiff meine Anrede. Der majestätische Donner seiner Hauptdeckkanonen rollte feierlich und, wie mich dünkte, wehmüthig über die Wogen hin, an den Bergen sich in wiederholten Echo's brechend, und endlich langsam dahin sterbend. Es war das Geschütz, welches man aus dem Commodoreschiff beim Untergang der Sonne zu lösen pflegte.

»Es ist Alles vorüber,« rief ich. »Ich habe meine Wahl getroffen. Laß mich eine kleine Weile allein.«

*

 


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