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Dreiundvierzigstes Kapitel

Ein Diner zur See mit seinen Folgen. – Eine Disputation, die gleichfalls ihre Folgen hat. – Der Weg den Fluß hinunter wird endlich gepflastert und die Person des unglücklichen Pflästerers schließlich in Haft genommen.

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Ich habe nicht im Sinne, die oft wiederholte Beschreibung der westindischen Inseln abermals wiederzukäuen, und werde nur berichten, was mich persönlich betrifft, obschon ich natürlich hin und wieder auch schildern muß, was mir in diesen von der Natur hochbegünstigten Gegenden als besonders eigenthümlich auffiel. Wir hielten uns nicht zu lange zu »Kleinengland« auf, wie die Barbadoer ihre grüne Fläche zu nennen lieben, sondern liefen durch alle virginischen Inseln hinunter und brachten unsere Convoyschiffe nach ihren verschiedenen Bestimmungsorten. Unsere wiedergenommenen Fahrzeuge gingen, mit je einem Midshipman an Bord, gleichfalls nach ihren Häfen, und als wir vor der Insel St. Domingo anlangten, bestand unser Convoy nur noch aus vierzig Schiffen, die alle nach verschiedenen Punkten Jamaikas gingen. Die Korvettenprise hatten wir noch immer bei uns, da wir sie mit nach Port-Royal zu nehmen gedachten.

Wir Alle waren in der trefflichsten Stimmung, schwelgten in dem Vorgenusse unsres Prisengelds und thaten uns etwas darauf zu gut, daß wir so ehrenvoll für unsere Person und so einträglich für den Stationsadmiral auftreten konnten. Alles dies beschäftigte unseren Geist dermaßen, daß wir kaum Gelegenheit hatten, an gegenseitige Neckerei zu denken. Aber gewisse Charaktere können immer Zeit für Unfug finden, namentlich wenn dieser nur eine verschiedene Lesart des Wortes Belustigung ist. Die Thätigkeit, welche Mr. Silva bei Wiederwegnahme der Prisen entwickelte, hatte ihn sehr in der Achtung seiner Tischgenossen gehoben und schien zu einem wechselseitig guten Einverständnisse den Weg zu pflastern.

Was ich nun zu berichten gedenke, könnte wohl heutzutage nicht mehr im Seedienste vorkommen; es darf daher Niemand glauben, daß ich in Erzählung wirklicher Thatsachen aus vergangenen Zeiten eine Schmähschrift gegen den Beruf verbreiten will, unter dessen Mitgliedern ich die glücklichsten Tage meines Lebens verbrachte und Männer voll Ehrenhaftigkeit und Edelmuth kennen lernte – frei von jener allwaltenden Selbstsucht, welche wenigstens in England die vorherrschende Sünde der Zeit ist und alles gesellige Leben vergiftet. Das sehr wenige Gute, dessen ich mich zu rühmen hatte, wurde unter den Mühen, den Gefahren und den beharrlichen Entbehrungen meines Seelebens gesammelt; wäre jedoch der Stand selber in vielen Einzelnheiten zu der heutigen Höhe gehoben gewesen, so zweifle ich nicht, daß ich davon die wohlthätigsten Wirkungen für mich selbst erfahren hätte, obschon kein Beruf, wie er auch auf die Uebung des Körpers und die Einschüchterung des Geistes berechnet sein mag, den eigentlichen Charakter zu zerstören im Stande ist. Disziplin und Zwang erzielen allerdings stets Modifikationen; aber je vollkommener die Unterordnungen der niedrigeren Grade in einem geselligen Verbande sind, desto stolzer, eigensinniger und – nur zu oft – unverschämter muß nothwendigerweise die herrschende Gewalt werden.

Wenn ich zeige, was die Flotte war, und auf die frühern Ungebührlichkeiten ihres Dienstes aufmerksam mache, so kann dies die heutige Seemacht nicht als eine Schmähschrift, wohl aber als ein Kompliment betrachten, weil es jetzt so ganz anders geworden ist. Ein Vorfall, wie der war, welcher den armen Silva aus dem Dienste trieb, kann nicht wieder vorkommen; aber doch wird es am Ort sein, ihn zu berichten, da er gewissermaßen die Einschränkung jenes bloßen Uebermuths von Seiten der kommandirenden Offiziere rechtfertigt, welche auch jetzt noch, sehr zum Aerger manches würdigen alten Theeres, existirt. Desgleichen werden auch die psychologischen Forscher daraus Gelegenheit finden, den steigenden Gang der Leidenschaften zu verfolgen, wenn sich ein Individuum über die Rücksicht auf die Gefühle Anderer erhaben dünkt und nicht einmal der öffentlichen Meinung verantwortlich zu sein glaubt; denn letztere durfte sich damals an Bord eines Kriegsschiffs nicht laut werden lassen, wie sie denn auch jetzt noch hin und wieder passend durch die Betrachtung der Gefahr im Zaume gehalten wird.

Als wir das östliche Ende von Jamaika erreicht hatten, wurde der zweite Lieutenant mit seinen beiden beharrlichen Plagegeistern, dem fetten Doktor und dem sarkastischen Zahlmeister, zum Diner eingeladen, Ich hatte die Vormittagswache und wurde daher mit den Offizieren derselben einer gleichen Ehre theilhaftig. In der letzten Zeit waren wir so sehr von andern Dingen in Anspruch genommen gewesen, daß Niemand daran denken konnte, die andern zu ärgern; aber diejenigen, welche unglücklicherweise glauben, daß sie ein ausschließliches Recht haben, unangenehm zu sein, und zu diesem Ende ein besonderes Talent besitzen, vergehen sich selten gegen den Rath der Schrift, die uns verwarnt, unser einziges Talent in die Erde zu graben.

Wir fanden unsern spöttischen Kapitän in der geschmeidigsten und leutseligsten Stimmung. Er empfing mich mit einer Höflichkeit, die mir fast Liebe zu ihm einflößte. Der erste Lieutenant war gleichfalls zugegen; aber ich merkte bald aus dem schlauen Blinzeln und den bedeutsamen Blicken, die sich der Kapitän und Mr. Farmer hin und wieder zuwarfen, daß eine Teufelei in Aussicht stand. Die Tischgesellschaft bestand nur aus fünf Personen, aber dennoch war das Diner vortrefflich. Der Kapitän hatte sich jetzt mit allen schwelgerischen Genüssen eines tropischen Klima's vorgesehen, und auch die des gemäßigten, obgleich sie nicht mit sonderlicher Mäßigkeit genossen wurden, waren noch lange nicht erschöpft. Die Schildkröte erschien in verschiedenen Zubereitungen und trat zuerst in der Maske einer appetitreizenden Suppe auf. Wir hatten gebratenen Leguan, eine große Art vortrefflich schmeckender Eidechsen, die für den Anstoß, den sie dem Auge durch ihr unscheinbares Aeußeres bot, hinreichend durch den wunderbaren Reiz schadlos dielt, welchen sie aus die zahlreichen Nerven übte, womit die Vorsehung so wohlthätig den Gaumen und die Zunge ausgestattet hat. Die Betrachtung dieser herrlichen Einrichtung wäre schon hinreichend, einen fluchenden Hochbootsmann fromm zu machen.

Es fehlte weder an Fischen, noch an Ochsen- oder Schöpsenfleisch, obgleich ich sagen muß, daß die Leichname der Schafe, nachdem sie von dem Fleischer zugerichtet und unter dem Halbdeck aufgehangen waren, uns den Trost verliehen: so lange wir nur noch ein Stück an Bord hätten, würde es uns nie an einer Hüttenlaterne fehlen, so zart, dünn und durchscheinend waren die Bedeckungen, durch welche die Rippen mit einander in Verbindung standen. In der That hätte bei einer gehörigen Streckung der Leib die Stelle einer Trommel versehen können, während es nur wenigen Abschabens von Fleisch bedurfte, um die Beine und Schultern in Trommelschlägel umzuwandeln. Die Tafel war außerdem mit Geflügel aller Art und einem Zugemüß aus Reis und Senf besetzt. Kapitän Reud hielt sich zwei erfahrene Köche, von denen der eine, ein Indianer, in allen Geheimnissen der Gewürze wohl erfahren war, während der andere, ein Franzose, sogar in der Küche des Baron Rothschild einen hohen Rang eingenommen haben würde; denn dem Vernehmen nach soll jene hebräische Küche die am besten bestellte in der ganzen christlichen Welt sein. Freilich stürzten die Nebenbuhler hin und wieder in ihrem Streite um den Vortritt einen Topf oder eine Schüssel mit ihrem köstlichen Inhalt um, da den Köchen wie den Königen Fehler begegnen können; ich muß übrigens gestehen, daß ihr Kreolengebieter stets gleiche Gerechtigkeit walten ließ, indem er sehr gewissenhaft beide durchpeitschte.

Nehmen wir jetzt an, das Diner sei vorüber, das westindische Dessert auf dem Tisch, und während des Mahles habe sich unser Wirth mit musterhafter Leutseligkeit benommen. Er fand einige Mittel, jeden von uns in die heiterste Laune zu versetzen. Wie wenig kostet es, uns gegenseitig das Leben angenehm zu machen! Der erfrischende Champagner hatte zwei oder drei Male gekreist und der Kapitän mit eigener wissenschaftlicher Hand die Ananas zerschnitten, denn unser gestrenger Herr schien in den heimischen Regionen eine erhöhete Portion Leben zu sich genommen zu haben. Die ganze Zeit über war nichts Persönliches oder nur im Mindesten Verletzendes zur Sprache gekommen. Der Claret, den man durch einen Verdunstungsprozeß in einer der Halbdeckgallerien den ganzen Tag kühl erhalten hatte, wurde nun zum Vorschein gebracht, und der Kapitän ließ allen Anwesenden, mich ausgenommen, ein paar Flaschen vorsetzen. Nachdem er seine Beine auf einen anderen Stuhl gelegt hatte, begann er:

»Jetzt wollen wir's uns wohl sein lassen, Gentlemen, denn wir haben die Mittel vor uns und wären wohl thöricht, wenn wir sie nicht benützten. In einem heißen Lande liebe ich es nicht, daß man sich mit dem Herumgeben der Flaschen bemüht.«

»'s ist eine große Mühe für mich, wenn die Flasche voll ist,« sagte Doktor Thompson.

»Außerdem stört der Lärm und die Anstrengung den Fortgang einer edlen geistvollen Unterhaltung,« fügte Kapitän Reud mit liebenswürdiger Gravität bei.

»Jetzt kömmt's,« dachte ich.

Lieutenant Silva machte zuerst eine verlegene und dann eine etwas finstere Miene; es war augenscheinlich, daß das, was der Kapitän als eine edle, geistvolle Unterhaltung zu bezeichnen beliebte, trotz seiner wissenschaftlichen Bildung und der Ueberlegenheit, welche er dem Schreiben eines Buchs verdankte, nicht länger nach dem Geschmacke des Autors war.

»Ich habe –« fuhr Kapitän Reud fort, indem er den Zeigefinger seiner linken Hand mit der Miene großen Ernstes an die linke Seite seiner Nase legte – »ich habe über das gar seltsame Schicksal nachgedacht, das sich an Mr. Silvas vortreffliches Werk geheftet hat.«

»Mit Erlaubniß, Kapitän Reud,« versetzte Silva. »Wenn Ihr dieses unglückliche Werk der Vergessenheit anheim geben wolltet, welche es vielleicht nur zu sehr verdient, so würdet Ihr mir, seinem anspruchslosen Verfasser, eine wesentliche Gunst erweisen.«

»Keineswegs. Ich sehe keinen Grund ein, warum ich nicht stolz auf das Buch und stolz auf den Autor sein sollte (Mr. Silva stutzte), vorausgesetzt, daß das Buch gut ist. In der That bilde ich mir viel auf die Ehre ein, einen Offizier unter mir zu haben, der ein Buch drucken ließ. Schon dieser Akt allein bekundet großen Muth« (Mr. Silva schlug aus).

»Ihr müßt unter allen Umständen dabei gewinnen, Kapitän Reud,« sagte der boshafte Zahlmeister. »Der Muth wird um so größer, je schlechter das Buch ist. Wenn Mr. Silvas Geist –«

»Meinen Geist könnt Ihr aus dem Buche kennen lernen, Mr. Z., wenn Ihr es zu lesen beliebt (der Autor machte eine geringschätzige Miene), meinen Muth aber mögt Ihr erproben, wenn wir zu Port-Royal anlangen.« (Ein großartiger Blick des Offiziers.)

»Nichts mehr davon,« sagte der Kapitän. »Ich wollte bemerken, daß ich vielleicht der einzige Offizier auf der Station oder vielleicht in der ganzen Flotte bin, der über einen lebenden Autor, dessen gedrucktes Buch mir zu Gebote steht, kommandirt. Wir sitzen jetzt Alle gemächlich hier, Mr. Silva, und Niemand denkt auch nur entfernt daran, Euch beleidigen zu wollen – nur Kompliment und Ehre. Wollt Ihr uns wohl gestatten, daß uns Euer Werk bei der gegenwärtigen angenehmen Gelegenheit vorgelesen wird? Wir werden ganz Ohr sein. Ihr sollt dabei nicht um Euern Wein kommen – gebt das Buch dem jungen Gentleman dort.«

»Wenn Ihr die Güte haben wollt, Kapitän Reud, mir in Eurem und der übrigen Gentlemen Namen zu versprechen, daß über was immer für eine besondere Phrase, die wohl vorkommen könnte, keine Beanstandung erhoben wird.«

Der Kapitän gab seine Zusage: wie sie gehalten wurde, werden wir bald sehen. Man schickte nach dem Buche und übergab es meinen Händen. Nun glaubte ich, daß wir wenigstens die zweite Seite übergehen würden, aber dem war nicht so.

»Steward,« sagte der Kapitän, »stellt eine halbe Flasche Bordeaux neben Mr. Rattlin. Wenn Eure Kehle trocken ist, junger Herr, könnt Ihr sie anfeuchten, und kommt Ihr zu irgend einem besonders schönen Abschnitte, so habt Ihr Gelegenheit, ihn mit einem Glase Wein hinunterzuwaschen.«

»In diesem Falle erlaube ich mir mit Unterwürfigkeit zu bemerken, Sir, daß mir auch zwei Flaschen hätten vorgestellt werden sollen; doch wenn ich Eurer Anweisung unbedingt folgen wollte, Kapitän Reud, so würde ich schon bei dem ersten Kapitel trunken werden.«

Mr. Silva dankte sogar einem Midshipman mit einem Blicke wahrer Dankbarkeit für diese Abwehr zu seinen Gunsten. Ich hatte den Mann nachgerade liebgewonnen, und es lag vielleicht eine geheime Sympathie zwischen uns, da ich dazu bestimmt war, eines Tages selbst ein Schriftsteller zu werden.

Nachdem wir uns in möglichst gemächliche Haltungen gesetzt, begann ich mit gutem Nachdruck »die Expedition auf- und abwärts auf dem Rio de la Plate.« Vorher hatte übrigens der Kapitän noch den Meister und den ehrenwerten Mr. B... herbeibeschieden, so daß ich also eine sehr achtbare Zuhörerschaft hatte.

Ich hatte kaum die Stelle beendigt: »nachdem wir unsern Weg den Fluß hinunter gepflastert hatten,« als Alle, augenscheinlich in Folge vorläufiger Verabredung, wie die Hexen im Macbeth, ihre rechte Hand ausstreckten und »Halt!« riefen. Es war zu possirlich. Die Thränen liefen mir vor Lachen über die Augen, als ich das Buch niederlegte. Mr. Silva sprang auf und wollte die Kajüte verlassen, erhielt aber von Kapitän Reud Befehl, zu bleiben. Man nahm den Schein eines freundlichen Benehmens an, und nun ging der alte Streit wieder los, in welchem der arme Autor wie ein an den Pfahl gebundener Bär geneckt wurde. Das Debattiren ist ein durstiges Geschäft. Die beiden Flaschen wurden leer, und in kurzer Zeit waren auch zwei weitere verschwunden. Der Wein begann zu operiren, und unter den streitenden Parteien hörte die Klugheit auf die bessere Hälfte des Muthes zu sein. Während die Worte wüthend hin und her schossen, bemerkte ich einen Gegenstand, acht Fuß lang und einen Fuß hoch, auf dem Deck der Kajüte, welcher mit einer Hinterflagge verhüllt war. Das Ganze sah wie ein dekorirter Sitz aus. Mr. Silva wollte nicht einräumen, daß die Phrase unpassend sei, und demgemäß gaben die Uebrigen nicht zu, daß in dem Lesen fortgefahren werde. Der Kapitän wollte die ganze Zeit über fast bersten vor Lachen, und wenn er sah, daß das Getümmel einlullen wollte, steigerte er es durch irgend eine übelzeitige Bemerkung wieder zu der frühem Wuth. Endlich hatten Alle, wie die Seeleute sagen, ein Tuch in den Wind gebracht – der Kapitän sogar ihrer zwei oder drei, und die Zeit kam heran, um auf die Posten zu trommeln. Man ging daher jetzt zu dem im Voraus verabredeten Finale über. Kapitän Reud erhob sich, indem er einerseits an der Stuhllehne, andererseits auf der Schulter des Gentleman, der neben ihm saß, eine Stütze suchte, und begann folgendermaßen:

»Gentlemen – ich bin kein Gelehrter – das heißt – ihr begreift mich wohl – auf dem Deck da – hört doch mit dem verwünschten Getrampel auf – und bringt mich nicht aus meiner Rede – wo bin ich stehen geblieben?«

»Haltet zu Gunsten, Sir,« versetzte ich, »Ihr wolltet sagen, daß Ihr kein Gelehrter seid.«

»Nein – so kann ich nicht gesagt haben. Ich habe die beste Erziehung genossen – aber alle meine Lehrmeister waren Dummköpfe – verwünschte Dummköpfe, so daß sie keinen schnellfassenden Jungen, wie ich war, unterrichten konnten – ich war ihnen zu schnell – sie konnten mich nicht einholen mit ihrer verdammten Gelehrsamkeit. Ich bin ein Mann – so gerade aus. Ich habe gesunden Verstand – ges – – gesunden Verstand. Laßt uns dieses verwünschte – ver – ver – wollte sagen – vortreffliche Argument von einem gesunden Gesichtspunkte aus betrachten. Gentlemen, kommt her.«

Und der Kapitän näherte sich, von Zweien unterstützt und von der übrigen Gesellschaft, sammt Mr. Silva, begleitet, dem geheimnißvoll aussehenden, langen Gegenstande, der in die britische Flagge eingehüllt dalag, wie die Leiche eines ungeheuren Riesen, der wegen schnellen Wachsens an der Schwindsucht gestorben ist. Der Doktor und der Zahlmeister, die ohne Zweifel in das Geheimniß eingeweiht waren, nahmen eine Miene der verblüffendsten Gravität an; aus dem Auge des Kapitäns blitzte triumphirende Teufelei, und die Uebrigen traten mit dem Ausdrucke unerkünstelter Verwunderung heran.

»Wenn Ihr,« sprudelte Kapitän Reud, über dem noch verborgenen Gegenstand schwankend – »wenn Ihr, Herr Pflästerer, Euern Weg einen Fluß hinunterpflastern könnt –«

»Mein Name, Sir, ist Don Alfonso Ribidièro da Silva.«

»Wohlan denn, Don Alfonse Ribs-abbitt-hero damned Silva, wenn Ihr Euern Weg einen Fluß hinunterpflastern könnt, so laßt uns sehen, wie Ihr es im Kleinen mit diesem Schweinstrog voll Wasser angreift.«

Damit riß er unter dem Beistand seiner Verbündeten die verhüllende Flagge weg.

»Ich nehme Narrenköpfe dazu,« brüllte der wüthende Portugiese, der, wie ich fürchte, nicht mehr sehr nüchtern war.

Obgleich ich ganz in der Nähe stand, ging mir doch das nun folgende Manöver zu schnell, um ihm gebührend folgen zu können. Der Kapitän stack mit dem Kopfe und den Schultern in dem schmutzigen Troge, der ungereinigt von dem Schweinsstalle weggenommen und mit Salzwasser gefüllt worden war. Der Doktor und der Zahlmeister konnten von größerm Glücke sagen, denn sie waren bloß darüber hingestürzt und hatten nur ihre weißen Westen sammt den wohlgeordneten Busenstreifen in der unflätigen Mischung eingeweicht. Uns Uebrigen gelang es, auf den Beinen zu bleiben. Das Schiff lief vor dem Winde und rollte beträchtlich; es war daher recht wohl möglich, daß ein Stoß desselben die Wirkung des Weines verstärkte und so den Kapitän beim Wegreißen der Flagge in seine nicht beneidenswerthe Lage versetzte. Unser gestrenger Herr war jedoch anderer Ansicht. Kaum hatte er sich wieder auf die Beine geholfen und sich den Mund von der garstigen Schweinsbrühe gereinigt, als er das arme Opfer der Verfolgung am Kragen packte und hinaussprudelte:

»Meuterei – Meu – Meu – Meuterei – Schildwache! Gentlemen, ich rufe euch Alle zu Zeugen aus, daß Mr. Silva gewaltsame Hand an mich gelegt hat.«

Der »Wegepflästerer« wurde augenblicklich in Haft genommen und ein Marinesoldat mit aufgepflanztem Bajonnete vor die Thüre seiner Kajüte gestellt. Der Kapitän hatte manchen Schaden an sich gut zu machen und gelobte die unversöhnlichste Rache dafür, daß er in seinen eigenen Schweinstrog gestoßen worden. Hat man bei Neckereien wohl je etwas Gutes herauskommen sehen?

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