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Der Todtengräber

Wien, 1810.
Zu finden bey Ignaz Eder, Kupferstichhändler am Thury in der Flecksiedergasse im eigenen Hause beym guten Hirten.

1. Theil.

Menschen schaudert nicht zurücke,
Einen Freydhof anzusehn;
Gönnt der Zukunft eure Blicke,
Denn einst müßt ihr auch vergehn.

Der Todtengräber selbst ihr Brüder,
Wißt ihr, ist davon nicht frey;
Staub und Asch sind Menschenglieder,
Wir sind alle einerley.

Kinder sammeln sich zu Greisen,
Treu und Unschuld geht zur Ruh;
Thoren liegen unter Weisen,
Meine Hand deckt alles zu.

Seht so manches holdes Liebchen,
Blüht wie Rosen in den May;
Nun blüht ein Veilchen auf ihr Grübchen,
Als ihre letzte Schmeicheley.

Unter diesen Grabeshügel,
Ist der Fürst dem Bettler gleich;
Jeden drückt des Todes Siegel,
Sey er arm oder reich.

Sieh die kahlen Todtenschädel,
Hier in dieser stillen Ruh;
Waren einst so jung und edel,
Vielleicht schöner noch als du.

Du wirst ihnen wieder gleichen,
Denn unsterblich bist du nicht,
Wenn einst auf des Todes-Zeichen,
Deine morsche Hülle bricht.

Hier in diesem Todtenreiche,
Wüthet nicht des Lebens Sturm;
Ruhig in der stolzen Leiche,
Nistet sich der kleine Wurm.

Der gelähmte Greis am Stabe,
Fröhnt hier nicht des Kargen Stolz;
Ihn verschließt im niedern Grabe,
Nur ein wenig faules Holz.

Bettler die an Krücken schleichen,
Werden hier des Leidens los;
Arme liegen da bei Reichen,
In der kühlen Mutter-Schoos.

Suche keine große Ehren,
Hier ist man vor ihnen taub,
Du wirst nichts von Größe hören,
Alles – alles ist nur Staub.

Ruht nur sanft die ihr treu gewesen,
In dem Recht und jeder Pflicht;
Meine Erd drückt nur die Bösen,
Gute Menschen drückt sie nicht.

Drum schaudert nicht vor jenem Orte,
Wo so mancher Freund schon ruht;
Einst eröffne ich euch die Pforte,
Wenn euer Sand verrinnen thut.

2. Theil.

Alles schläft des Todesschlummer,
Hier in dieser öden Flur;
Frey von Sorgen, frey von Kummer,
Ruht hier einsam die Natur.

Diese niedern Grabeshügel
In den die Verwesung wühlt;
Zeigen dir in Zukunftsspiegel,
Deiner Größe kleines Bild.

Dem Eroberer mit dem Schwerte,
Wird die halbe Welt zu klein;
Und mit einer Schaufel Erde,
Muß er einst zufrieden seyn.

Jede Freude dieses Lebens,
Schwindet wie ein Saifenschaum;
Und man haschet stets vergebens,
Alles schwindet wie ein Traum.

Gute Fürsten auf dem Throne
Finden in der Menschheit Glück
Jede Freude und zum Lohne,
Gnüge ihm ein Segenblick.

So den Armen, so den Reichen,
Lohnt der Tod mit seinem Schwert,
Bettler werden Fürsten gleichen,
Nur die Tugend hält den Wert.

Ruhet sanft verweste Brüder,
In den Gräbern rings umher;
Einst wart ihr der Menschheit Glieder,
Jetzt fühlt ihr kein Leiden mehr.

Fällt einst meine morsche Hülle,
Von der freyen Seele ab;
So gönnt mir in dieser Stille,
Neben euch ein kühles Grab.


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