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Der arme Vater

Verfaßt von Joh. Ernst.

I. Theil.

Ein armer Mann der vieles schon erfahren,
Der hatte einen stolzen, reichen Sohn.
Der Vater war stets krank, und hoch im Jahren,
Und stand dem Grabe ziemlich nahe schon.
Einst ging der Greis mit schwachen leisen Schritten
Zu seinem Sohn, sah ihn ganz schüchtern an,
Den reichen Sohn um ein Geschenk zu bitten,
Damit er sich den Hunger stillen kann.

Da sprach der Sohn zu ihm mit harten Worten:
Entfernet Euch und kommt nicht mehr zu mir,
Mein Name prangt an allen fremden Orten,
Und ihr macht mir nun diese Schande hier!
Soll ich vieleicht euch meine Schätze geben?
Da wäre ich doch wahrlich gar nicht klug,
Drückt euch die Noth, so nehmet euch das Leben,
Was liegt daran ihr seid schon alt genug.

Da sprach der Greis: Mein Sohn hab' doch Erbarmen,
Verstosse deinen alten Vater nicht;
Und habe du jetzt Mitleid mit mir Armen,
Verletze doch nicht deine Kindespflicht.
Da knirschte dann der Sohn mit seinen Zähnen,
Stieß seinen Vater schnell zur Thür hinaus.
Ach! da zerfloß der edle Greis in Thränen,
Und ging betrübt und wehmutsvoll nach Haus.

Einst ging der Sohn mit seinem Freund spazieren.
Die Sonne schien ganz heiter, rein und klar;
Der Weg mußt' ihn zu einem Dorfe führen,
Das nicht gar fern von seinem Hause war.
Da sah er seinen alten Vater stehen;
Verkümmert fast, an Hungers Bettelstab,
Wollt' er um eine kleine Gabe flehen,
Und sah dabei beschämt zur Erd' hinab.

Der arme Vater.
II. Theil

Da sprach der Sohn zu seinem Freund in Reue,
Geh' du zu meinem alten Vater hin;
Gib ihm dieß Geld, ich geb' es für uns Beide,
Doch sage nichts, daß ich so nahe bin.
Und sollte dich mein Vater nicht erkennen,
Dann guter Freund spiel' deine Rolle gut,
Thu mich zum Schein den größten Schurken nennen,
Will hör'n was dann der Alte sprechen thut.

Sein Freund that nun zu diesem Alten gehen,
Und sprach zu ihm: Nehm't meine Gabe hier;
Doch muß ich Euch ganz offen jetzt gestehen,
Daß Euer Sohn ein Schurke ist vor mir.
Er ist so reich und kann euch ganz verlassen,
Das kann ein guter edler Sohn nie thun;
Wird einst der Tod den Bösewicht umfassen,
So läßt ihm sein Gewissen auch nie ruh'n.

Da sprach der Greis in wehmutsvollem Tone:
O! edler Mann ich bitte Euch recht sehr;
Sprecht nicht so hart von meinem guten Sohne
Und wenn es wirklich in der That so wär'!
So würde ich als Vater ihm verzeihen,
Denn Gott verzeih't auch jedem Sünder hier;
Ich werde ihm stets meine Liebe weihen,
So lang mein Vaterherz hier schlägt in mir.

Von tiefen Schmerz und Reue hingerissen,
Trat nun der Sohn zu seinem Vater hin;
Warf sich in wahrer Reue ihm zu Füßen,
Und sprach zu ihm mit wahrem edlem Sinn:
Verzeihet mir ich muß es frei bekennen,
Ich habe Euch als Sohn zu hart gethan;
Ich werde mich von Euch nun nicht mehr trennen,
Will Euch ernähr'n so gut als ich nur kann.


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