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Schön Suschen

Wien,
zu haben bey Gottlieb Borck am Neubau beym 2 Jägerhorn.

Im Tone: Ich bin ein Mädchen aus Schwaben.

Schöns Suschen kannt' ich lange Zeit,
Schön Suschen war wohl fein,
Voll Tugend wars und Sittsamkeit,
Das sah ich klärlich ein.
Ich kam und gieng, ich gierig und kam,
Wie Ebb und Fluth zur See,
Ganz wohl mir that es, wann ich kam,
Doch wann ich gieng nicht weh.

Und es geschah, daß nach der Zeit,
Gar anders ich vernahm,
Da thats mir, wann ich schied, so leid,
So wohl mir, wann ich kam,
Da hatt ich keinen Zeitvertreib,
Und kein Geschäft als sie,
Da fühlt ich ganz an Seel und Leib,
Und fühlte nichts, als sie.

Ich war wohl dum, und stum, und taub,
Vernahm nichts ausser ihr,
Sah nirgends blühen Blum und Laub,
Nur Suschen blühte mir.
Nicht Sonne, Mond, und Sternenschein,
Mir glänzte nur mein Kind,
Ich sah, wie in die Sonn hinein,
Und sah mein Auge blind.

Und wieder kam gar andere Zeit,
Gar anders ward es mir,
Doch alle Tugend, Sittsamkeit,
Und Schönheit blieb an ihr.
Ich kam und gieng, ich gieng und kam,
Wie Ebb und Fluth zur See,
Ganz wohl mir that es, wann ich kam,
Doch wann ich gieng, nicht weh.

Ihr Weisen hoch und tief gelahrt,
Die ihrs ersinnt, und wist,
Wie, wo und wann sich alles paart?
Warum sichs liebt und küst?
Ihr hohen Weisen sagt mirs an,
Ergrübelt, was mir da,
Ergrübelt mir, wo, wie und wann?
Warum mir so geschah?

Ich selber sann wol Tag und Nacht,
Und wieder Tag und Nacht,
So wundersamer Dingen nach;
Doch hab ich nichts erdacht. –
Drum, Lieb' ist wol, Wind im Meer;
Sein Sausen ihr wol hört,
Allein ihr wisset nicht, woher?
Wist nicht, wohin er fährt.


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