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Deklamation:
Rechenbergs Knecht

Wien 1829.
Zu finden bey Ignaz Eder, Kupferstichhändler am Thury in der Flecksiedergasse zum guten Hirten im eigenen Hause.

Es lebt einmal im schönen Lande Meissen
Ein Ritter, Kurd von Rechenberg geheißen.
Er hatte Haus und Hof und viel Gesind' –
Und jeden Diener hielt er, wie sein Kind!
So gütig war kein Herr im weiten Runde;
Kein hartes Wort entschallte seinem Munde! –
Der Diener Trägheit oder Ungeschick
Bestrafte nur ein Blick, ein ernster Blick! –
Einst kam, dem Ansehn nach, aus fremdem Lande, –
Ein junger Bursch' in dürftigem Gewände,
Der, klagend über Armuth, Drang und Noth,
Bescheiden sich zu Diensten anerboth.
Der Ritter sagte: »Willst du redlich dienen,
»So bist du mir willkommen hier erschienen –
»Ich öffne dir mit Vertrau'n mein Haus! –
»Da richte, – was dir obliegt, wacker aus! –«
Der neue Diener, der Georg sich nannte,
Flog, wie ein Pfeil, wohin sein Herr ihn sandte, –
Und Glück und Heil und Wundersegen schien,
Wo seine Hand sich regte, zu erblüh'n! –
Auf wüsten Feldern die sein Pflug berührte,
Schwand das Gestein, als obs der Wind entführte –
Und Ähren wogten über ödes Land,
Wo vormals nur die Distel einsam stand.
Einst ging der Ruf von Feinden in der Nähe! –
Der Ritter sprach: »Georg reit' auf die Spähe! –«
Er jagte fort, kam bald zurück in's Schloß –
Und zwei gefüllte Sacke trug sein Roß.
Da fragte Kurd: »Was klirrt am Sattel-Kissen? –«
»»Hufeisen sind's, den Pferden abgerissen.
»»Die Feinde schliefen; eilig wars gethan
»»Und nun hats Zeit, bevor sie sich uns nah'n. –««
Ein andermal gab ihm sein Herr ein Schreiben: –
»Ich bitte dich, den Klepper anzutreiben!
»Der Ort ist fern; die Sonne geht schon tief –
»Und Eile fordert höchlich dieser Brief!«
Drei rauhe Meilen waren zu besiegen –
Und er versprach dem Vogel gleich zu fliegen!
Doch nach Verlauf der nächsten Stunde traf
Ihn Kurd im Stall' versenkt in festen Schlaf. –
»Georg! Georg! geflügelt sind die Stunden! –
»Ist dir mein Auftrag aus dem Sinn entschwunden?«
»»Da, – lieber Herr! – ist schon die Antwort drauf!-««
Des frommen Ritters Angesicht erbleichte,
Als ihm Georg hiemit ein Brieflein reichte
Und er mit stillem Grausen drin die Hand
Des weit von ihm entfernten Freundes fand.
»Sprich!« (hub er an, als er das Blatt gelesen): –
»Von wannen stammst du, räthselhaftes Wesen?
»Ein düsteres Geheimniß schwebt um dich
»Und du bist traun kein Sterblicher wie ich! –«
Jetzt, wie berührt mit einem Zauber-Stabe,
Verwandelte sich schnell der Wunder-Knabe;
Er, sonder Anmuth und aschenbleich,
Ward einem Engel an Schönheit gleich –
Und diese Rede floß aus seinem Munde:
»»Der Herr der Herren gibt durch mich dir Kunde,
»»Wie wohl es ihm, der alles sieht, gefällt,
»»Wenn hold und mild ein Dienstherr sich verhält. –
»»So thatest du an mir und andern Knechten –
»»Und Gott belohnt die Thaten der Gerechten! –««
Er sagte dieß, erhob sich in die Luft
Und jenem blühte Glück – bis an die Gruft! –


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