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Bey Lottchens Grabe

Von ihrem Verehrer J. G. T.

Eine Geschichte aus Rom.
Bey G. Borck am Neubau Nro. 184.
Im Tone: Schwermuthsvoll und dumpfig hallts Geläute.

Klage Jüngling! löse deine Haare
Mädchen nimm den Unschuld Kranz herab;
Weih' ihn dieser Tugend Heldin Bahre,
Und begieß mit Thränen dieses Grab.
Eine Jungfrau in der Jugendblüthe
Wie die Rose, die der Knosp' entschwillt,
Ganz mit Schönheit, Anmuth, Huld und Güte,
Und mit Engelreinigkeit erfüllt.

Aller Frau'n und Mädchen Stolz und Würde
Jedes blühenden Jünglings höchstes Gut,
Ach! Entzücken ja die größte Zierde
War, die hier als Sünderinn nun ruht,
O Verklärte! In des Lebens Buche
Jenes Richters, der die Seelen kennt,
Wird dein Name frey von jenem Fluche,
Der ihn hier entweihte, froh genennt.

Menschen, taumelnd stets in Finsternissen,
Schleppten dich zum Tod aufs Hochgericht,
Leidenschaft tritt die Vernunft mit Füssen,
Straft Gerechte, – schont den Bösewicht,
Darum Jüngling, Mädchen kommet, schließet,
Wie in Reihen dieses Grabmal ein,
Tugendhafte Schöne, kommt, versüßet
Euern unschuldvollen Harm und Pein.

Gottes Engel web'n das Angedenken
Der Sel'gen euren Herzen zu,
Und ihr fühlet sanft darein sich senken,
Balsam euren Wunden, Trost und Ruh,
Und des bangen Trübsinns Wolken heitert,
Holdes Licht aus beßrer Zukunft auf,
Und beherzter, wenn eu'r Schiff noch scheitert,
Wagt ihr auf der Lebens-See den Lauf.

Und wenn Wehmut euren Blick bethauet,
Wie des Morgens Perlen Blum und Baum,
Seht! so trocknet, wenn das Zwielicht grauet,
Lottchen euch die Zähr im milden Traum,
Und entzücket euren Geist im Fernen,
Wo er Himmels Vorgefühl genießt,
Das ihn labt, bis ihr auf höhern Sternen
Wahrhaft der Verklärung Glücke küßt.


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