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Lob der Verschwiegenheit

Wien.
Zu finden bei Anton Leitner, Kupferstichhändler auf den obern Jesuiterplatzel oder sogenannten Schulhof.

Wie selig ist, der sein Ergözen
Nur sucht in der Verschwiegenheit,
Und läßt vergallte Mäuler schwäzen,
Was Mißgunst und der bloße Neid,
Durch hart vergiftes Laster rasen,
Der falschen Zungen eingeblasen,
      Verschwiegenheit ist meine Ruh,
      Ich denke viel und schweig darzu.

Warum muß eben jedes wissen,
Was mich in meinen Herzen kränkt,
Was mich bisweilen kann verdrüssen,
Was mein betrübte Seele denkt?
Warum soll ich die Wehmuthszeichen,
Straks jeden an die Zähne streichen?
      Verschwiegenheit ist meine Ruh,
      Ich leide viel und schweig darzu.

Man haut und sticht mich hin und wieder,
Und redt mich oft aufs freundlichst an,
Man drückt mich gerne gänzlich nieder,
Verkleinert mich bey jedermann;
Doch kennet Gott die Schmeicheleien,
Und weiß mich davon zu befreien,
      Verschwiegenheit ist meine Ruh,
      Ich höre viel und schweig darzu.

Man darf jezunder niemand trauen,
Weil alles voll Verräther rennt
Und die nur auf mein Unglück schauen,
Wohl dem der seine Feinde kennt,
Und ohne sonderbares Klagen,
Kann mit Geduld ihr Bosheit tragen,
      Verschwiegenheit ist meine Ruh,
      Ich kenn mein Feind und lach darzu.

Vielleicht wird sich das Blatt bald wenden,
Die Unschuld kommt noch wohl ans Licht,
Wer andern will die Augen blenden,
Besteht doch in der Länge nicht,
Es wird doch durch die Zeit bescheinet,
Was redlich oder falsch gemeinet,
      Verschwiegenheit ist meine Ruh,
      Es kränkt mich viel, ich schweig darzu.

Wann schon das Glück auf mich erbittert,
Wann die Verläumdung auf mich blizt,
Wann Neid und Falschheit auf mich wittert,
Wann Mißgunst ist auf mich erhitzt,
Verberge ich doch selbe Sachen,
Damit die Feind nicht meiner lachen,
      Verschwiegenheit ist meine Ruh,
      Es schmerzt mich viel, ich schweig darzu.

Wann Donnerkeil von ihnen fliegen:
Betrübt mich nicht die Tagesstund,
Die Abendruh, die werd ich suchen,
Kommt wieder vor die Morgensonn,
Da werd ich fröhlich dabei lachen,
Über vergangne falsche Sachen,
      Verschwiegenheit ist meine Ruh,
      Es bleibt dabey, gedenke gnug.


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