Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Gnädige Tante,

In diesem Augenblicke kömmt die Post. Lassen Sie nach Briefen fragen, und reissen Sie mich aus einer Beängstigung, die mir unerträglich wird. Ich zittre, wenn ich daran gedenke, daß unser guter Vater krank oder wohl gar – –. Nein, das glaube ich nicht; das wird der Himmel nicht thun. Es war ja nur eine jugendliche Thorheit. Sollte die so hart bestraft werden, als die größte Bosheit? Wie sehr muß ich für meine Thorheit leiden, und wie groß muß die Angst eines Menschen seyn, der aus Vorsatz boshaft gewesen ist? Der Augenblick, in dem ich die Briefe von Ihnen bekomme, muß mein künftiges Schicksal entscheiden. Lebt er, ist er noch gesund; wie froh will ich dem Himmel danken! Ich will mich aller Strenge geduldig unterwerfen, die mein Vater über mich beschlossen hat. Nimmermehr will ich ihn wieder beleidigen, den rechtschaffnen Vater! Sollte er gar todt seyn; o, Gnädige Tante, diese Gedanken kann ich nicht ertragen! An dem Tode des zärtlichsten Vaters Ursache seyn, Ihre Liebe verlieren, und dem Fräulein verächtlich werden, das entschuldiget die größte Verzweiflung. Mein Entschluß wird schrecklich seyn; aber es ist mir auch alsdann unerträglich, länger zu leben. Ich erwarte die Briefe mit Zittern.


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