Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Wie gefällt Ihnen dieser Brief, mein Herr? Könnte ein Mädchen, ohne den Wohlstand ganz zu beleidigen, deutlicher, als ich, sagen, was sie wünschte, und was sie hoffte? Nun erwartete ich meinen Liebhaber auf den Flügeln der Liebe. Ich wußte, daß er die Compagnie bekommen hatte. Ich war dem gewünschten Augenblicke nahe, dem ich zehn Jahr entgegen gesehen hatte. Jede Minute die ich vergebens auf ihn wartete, schien mir ganze Tage zu seyn. Er kam nicht, es verstrichen vier Wochen, ohne daß ich von meinem Ungetreuen eine Zeile Antwort bekam. Endlich erhielt ich einen Brief von ihm. Urtheilen Sie von meinem Schrecken, als ich folgendes las:

 

Mademoiselle,

»Ich erinnere mich der angenehmen Augenblicke sehr wohl, da ich das Vergnügen hatte, in Ihrer Gesellschaft zu seyn. Glauben Sie, Mademoiselle, daß wir Officiere denen schönen Kindern unendlichen Dank schuldig sind, welche bey unsern müßigen Stunden, deren wir sehr viele haben, sich gefallen lassen, unsre Schmeicheleyen anzuhören, und sie zu beantworten. Außer diesem Zeitvertreibe würde es für uns auf dem Lande, und in kleinen Städten nicht auszustehen seyn, wo man so wenig Gesellschaft findet, die unserm Stande gemäß ist. Ich glaube, Sie, als eine alte gute Freundinn und Bekannte von mir, werden mir es gönnen, wenn ich Ihnen melde, daß ich eine Compagnie unter dem Regimente des Herrn Obristen von – – bekommen habe, und gestern so glücklich gewesen bin, mich mit seiner Fräulein Tochter zu vermählen. Sie ist wie Sie wissen, aus einem guten Hause, vom alten Adel, nur siebzehn Jahre alt, bildschön, und nicht ohne Mittel. Ich empfehle meine Frau zu Ihrer Freundschaft, wenn ich wieder in Ihre Gegend kommen sollte, welches so bald noch nicht geschehen dürfte. Ich habe ihr so viel Gutes von Ihnen gesagt, daß sie sehr verlangt, Sie kennen zu lernen. Versichern Sie Ihren Herrn Vater meiner Hochachtung. Was macht der rechtschaffne Mann? Es ist mir wohl bey ihm gegangen. Der Lieutenant von – – ist an meine Stelle gekommen. Er hat mich gebeten, ihm Bekanntschaften zu machen. Werden Sie wohl die Gefälligkeit für mich haben, Mademoiselle, und ihm diejenige Freundschaft gönnen, mit der Sie mich so lange Zeit glücklich gemacht haben? Er brennt vor Verlangen, mit Ihnen bekannt zu werden; so viel Gutes habe ich ihm von Ihnen erzählt. Er wird Ihnen gefallen, er ist ein sehr artiger, und lebhafter Mensch. Ich muß abbrechen, weil ich den Augenblick auf meines Schwiegervaters Gut reise. Ich kann also weiter nichts sagen als daß ich mit aller Ergebenheit bin,

Mademoiselle,

Dresden,
am 8ten August.
1740.

der Ihrige.

»N. S. Die an mich übersendeten Briefe folgen hier mit ergebenstem Danke zurück. Meine Frau hat sich über den Ausdruck bald todt gelacht, wo Sie den armen Professor einen schwarzen Ritter aus dem Königreiche Latium nennen. Leben Sie wohl.«


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