Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Lobschrift

auf

die bösen Männer.S. Belustigungen des Verstandes und Witzes, im Maymonat 1742.

 

 

Mein herannahendes Alter, und die eigne Erfahrung werden mich hinlänglich rechtfertigen, da ich mir vorgenommen habe, auf die bösen Männer eine Lobschrift zu machen. Der Spiegel erinnert mich, daß es Zeit sey, ernsthaft zu werden. Hat man mir in meinen jungen Jahren mit Vergnügen zugehöret, wenn ich die unschuldigsten Handlungen der Mannspersonen auf eine boshafte Art beurtheilte. So wird man sich gegenwärtige Schrift als eine öffentliche Ehrenerklärung gefallen lassen; da ich mir die Gewalt anthue, und diejenigen lobe, von denen vielleicht die meisten meiner Mitschwestern glauben, daß sie es am wenigsten verdienen. Ein zwanzigjähriger Ehestand hat mich die Vortreflichkeit der bösen Männer einsehen gelehrt; und mein Beweis muß überzeugend seyn, weil ich nichts rede, als was ich selbst erfahren habe. Diese Gründe scheinen mir wichtig genug zu seyn; und ich bin versichert, daß der Beruf desjenigen weisen Mundes, welcher vor einiger Zeit auf die bösen Weiber eine Lobrede gehalten hat, wenigstens nicht stärker gewesen ist, als der meinige.

Noch etwas muß ich im Voraus erinnern. Fehlt gegenwärtiger Abhandlung die Deutlichkeit, das Feuer und die Ordnung im Vortrage: So bedenke man nur, daß sie ein Frauenzimmer geschrieben, ein Frauenzimmer, welches das Vorurtheil des Vaters nur in der Küche erzogen, und dem die kluge Vorsicht eines bösen Mannes alle Mittel benommen, deutlich zu reden, und vernünftiger zu dencken, als er selbst gedacht hat.

Die unendliche Menge der bösen Männer überhebt mich der Mühe, zu beschreiben, was ich eigentlich darunter verstehe. Durch das Gegentheil will ich der Sache zum Ueberflusse einige Erläuterung geben. Es befinden sich noch hier und da Geschöpfe, welche man vernünftige Männer nennt. Diese stehen in dem abergläubischen Wahne, als erfodre Pflicht und Gewissen, daß sie ihre Weiber ebenfalls für vernünftige Creaturen halten, welche nicht zur Sklaverey, oder ihrem herrschsüchtigen Eigensinne zum Besten erschaffen, sondern um deswillen da sind, daß durch eine aufrichtige Liebe, und beyderseitige Hülfe die Beschwerlichkeit des menschlichen Lebens erleichtert, und durch vereinte Sorgfalt dem Vaterlande nützliche Bürger erzogen werden. Kurz, diese sehen ihre Weiber als Freundinnen an. Ich würde den Ungrund dieser Meinung ausführlich widerlegen, wenn ich nicht gewiß wüßte, daß die allermeisten Männer schon hinlänglich davon überzeugt wären. Ein Frauenzimmer ist ein Thier, welches vor andern Thieren die Ehre hat, daß es ein Mann zur Frau nimmt; welches bloß des Mannes wegen in die Welt gesetzet ist, und das mit einer blinden Ehrfurcht dem Willen seines Oberhauptes unterwürfig seyn muß. Dieses ist der eigentliche Begriff, den man sich macht. Wer diesen Begriff zur Wirklichkeit bringt, der verdient allererst den rühmlichen Beynamen eines bösen Mannes.

Es erhellt hieraus, daß der Ursprung der bösen Männer in dem Wesen der Sache und in der Natur selbst liegt. Wäre dieses nicht, so würde mir es eben so wohl erlaubt seyn, den Adam an ihre Spitze zu stellen, als es einigen gefallen hat, die Eva zur bösen Frau zu machen. Ich halte aber die Anführung solcher Exempel für allzu leichtsinnig, und ich glaube, ich werde besser thun, wenn ich ohne fernern Umschweif dem Leser zeige, daß ich Ursache habe, die bösen Männer zu loben.

Das Laster der Eigenliebe ist so reizend als gefährlich. Man giebt es dem Frauenzimmer am meisten Schuld. Ich weis nicht, ob man Ursache darzu hat; so viel aber weis ich wohl, daß wir demjenigen unendlich verbunden sind, welcher uns davor schützt. Ich kenne einen Mann, ein Muster seines Geschlechts, die Krone aller bösen Männer. Wäre er nicht so sittsam und bescheiden, so würde ich ihn nennen. Dieser Mann giebt sich alle Mühe, die Eigenliebe seiner Frau zu dämpfen. Er kann nicht läugnen, daß sie vernünftig ist; er will aber doch nicht, daß sie es glauben soll, oder daß sie andre Leute für vernünftig halten. Wie soll er es anfangen? Er tadelt alle ihre Mienen; sie darf kein Wort reden, so weist er, wie abgeschmackt es sey. Er beschämt sie in öffentlichen Gesellschaften, ja er gesteht ihr nicht einmal die Fähigkeit zu, daß sie vernünftige Kinder gebären könne, da er an dem Kinde erster Ehe weit mehr Verstand anmerkt, als an dem ihrigen, ungeachtet er der Vater zu beyden ist. Müssen wir nicht alle diesen Mann loben? Wie unglücklich könnte seine Frau werden, wenn die Eigenliebe ihre Leidenschaft würde? Reißt er sie nicht durch dergleichen Demüthigung aus ihrem Verderben?

Ein Mann ist das Oberhaupt seiner Familie. Dieses erfodern die Rechte, und nach eben diesen Rechten kann er alle Hochachtung verlangen. Will er ein lobenswürdiger Mann seyn, so muß er sich dieselbe zu erwerben wissen. Das geschieht am leichtesten auf die sinnliche Art. Was ist aber sinnlicher, als was der Körper fühlt? Und was fühlt der Körper nachdrücklicher, als Schläge? Ist also nicht derjenige ein lobenswürdiger Mann, welcher bey seiner Frau mit geballter Faust die Rechte der Natur zu behaupten weis?

Wenn ich sage, das Frauenzimmer sey ein schwaches Werkzeug; so sage ich nichts mehr, als was schon alle Welt weis. Diese angebohrne Schwäche ist Ursache, daß wir den Lastern am wenigsten widerstehen können. Eine geringe Reizung ist genug, uns lasterhaft zu machen. Niemals aber sind die Reizungen stärker, als wenn wir uns in dem Ueberflusse aller Dinge befinden. Dieser muß uns entzogen werden, wenn wir anders tugendhaft bleiben sollen. Es geschieht nur zu deinem Besten, geliebte Freundinn, daß dein Mann dir allen Ueberfluß benimmt, welcher deine Schwachheit rege machen könnte. Er vertraut deinen Händen nicht einen Groschen Geld an. Du mußt dir an dem elendesten Tranke, an den unschmackhaftesten Speisen, an den schlechtesten Kleidern genügen lassen. Es geschieht nicht aus Geiz; nein, meine Freundinn; es geschieht zu deinem Besten. Genug, daß du dein Leben fristen kannst. Dieses ist die Ursache, warum wir essen, warum wir trinken, warum wir Kleider tragen. Der geringste Ueberfluß würde eine Quelle tausendfachen Unglücks seyn. Ich habe nicht nöthig, dieses genauer auszuführen; du wirst es selbst einsehen können.

Ist die Mäßigkeit eine so große Tugend, wie sie es denn wirklich ist; so muß wohl derjenige Mann lasterhaft seyn, welcher sich unmäßig und wollüstig aufführet? Keinesweges! Die Männer geben uns die Gesetze, niemand aber, der Gesetze giebt, ist denselben weiter unterworfen, als er es selbst für gut befindet. Dein Mann verspielt alle sein Vermögen. Wie löblich ist dieses? Könnte dich nicht der Besitz vieles Geldes geizig machen, oder im Gegentheile zur Verschwendung reizen? Er ist niemals nüchtern. Allein, was kann wohl einen lebhaftern Abscheu vor der Trunkenheit machen, als ein besoffner Mann? Nur um deinetwillen besäuft er sich, damit du sehen sollst, was es für eine edle Sache um die Mäßigkeit sey. Er entzieht sich deinen Armen, und bringt die meiste Zeit bey andern Weibsbildern zu. Er thut recht daran. Der beständige Besitz eines Gutes macht uns dasselbe ekelhaft. Du würdest ihn überdrüssig werden, wenn er niemals von deiner Seite käme. Dein Mann ist lobenswürdig.

Dieses sind die Vortheile noch nicht alle, die wir von unsern bösen Männern haben. Nichts ist empfindlicher, als der Tod eines Mannes, welchen man innigst liebt. Wie sehr wird uns aber dieser heftige Schmerz erleichtert, wenn uns ein wollüstiger, ein harter, ein ehrgeiziger, wenn uns ein böser Mann stirbt! Was ist leichter, als bey dergleichen Falle den Ruhm einer christlichen Standhaftigkeit zu erwerben? Wir trauern, weil uns der Schneider eine schwarze Kleidung gemacht hat; und wenn wir ja weinen, so geschieht es, weil sein Absterben nicht eher erfolgt ist.

Noch tausend Ursachen könnte ich anführen, die uns den bösen Männern verbindlich machen. Ich will aber mit Fleiß abbrechen, um denjenigen Fehler zu vermeiden, welchen man sonst dem Frauenzimmer vorwirft. Es scheint mir überflüßig zu seyn, wenn ich das Alterthum zu Hülfe rufen, und alle vier Theile der Welt ausplündern wollte, einen Satz zu beweisen, den die Beyspiele der meisten Männer unsrer Stadt unläugbar machen. Vielleicht ist mir der Leser verbunden, daß ich dasjenige auf zwey Blättern sage, was ich mit einer kleinen Ausdehnung in vier Bogen hätte vorbringen können.


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