Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Was meinen Sie, mein Herr? Das war doch ein andrer Brief, als der von dem trocknen Hofrathe. Glauben Sie, daß mir ein Liebhaber gleichgültig seyn konnte, dessen Person ganz erträglich, dessen Amt und Einkünfte gar ansehnlich waren; der eine so zärtliche Liebeserklärung, wie Sie in seinem Briefe finden, nach allen Regeln der Rhetorik heraus würgte; und der, nach seinem eignen Geständnisse, von meiner Schönheit geblendet, das Maul offenbehielt, wenn er mich bey meines Vaters Krankenbette sahe? In der That würde ich kein Bedenken gehabt haben, meinen zärtlichen Arzt aus seiner Entzückung zu reissen; aber, der Herr Lieutenant, Seine Gnaden, der zukünftige Herr Capitain, und vielleicht künftig gar einmal Seine Excellenz, der Herr General! Sollte ich dieses Glück so muthwillig verscherzen? dieses Glück, das mir so möglich und nah zu seyn schiene! Es ist wahr, beynahe ward mir die Zeit lang. Itzo hätte ich in meinem sechs und zwanzigsten Jahre Frau Doctorinn werden können, und wer leistete mir die Gewähr, daß ich in meinem dreyßigsten Frau Hauptmanninn seyn würde? Aber hatte ich nicht eben um deswillen einen Hofrath vergebens seufzen lassen? Sollte ich mich nun einem Doctor in die Arme werfen? Ich faßte einen Entschluß, der fein war, und glücklich ausschlug. Ich schrieb an meinen Lieutenant, und meldete ihm den Antrag meines Liebhabers. Ich ließ ihn unter der Hand errathen, daß ich nicht ungeneigt sey, einen Antrag anzunehmen, der für meine Umstände so vortheilhaft zu seyn schiene. Da ich auf den Punkt unsrer alten Liebe und Bekanntschaft kam: so schrieb ich so unschlüßig und verwirrt, daß er wohl merken konnte, was ich fühlte, und meinte; ich gestund ihm aber, daß ich allerdings thöricht gewesen wäre, mir mit einem Glücke zu schmeicheln, das für mich zu groß sey. Es sey mein Unglück, und immer mein Fehler gewesen, die Aufrichtigkeit andrer nach meinem redlichen Herzen zu beurtheilen. Er sollte mir darüber keinen Vorwurf machen, ich fände selbst wie unüberlegt ich gehandelt hätte. Wäre es sein Ernst gewesen, unsre Freundschaft zu einer nähern Verbindung zu bringen; so würde er schon lange Gelegenheit gehabt haben, es zu thun. Ich wollte dem ungeachtet niemals aufhören, seine Freundinn zu seyn; er möchte dafür mein Freund bleiben, und mir itzo als mein aufrichtiger Freund rathen, was ich dem Doctor für eine Entschliessung melden sollte. Ich erhielt den folgenden Tag von dem Lieutenant diesen Brief:

 

Mein englisches, mein allerschönstes Lottchen!

»Der Donner soll dem verfluchten Quacksalber die Knochen entzwey schmeissen, wenn er sich noch einmal untersteht, über Ihre Schwelle zu schreiten, oder eine Zeile an Sie zu schreiben! Ein allerliebstes Kind, wie Sie, mein Lottchen, ist für keinen solchen griechischen Mistfinken gemacht. Rund vorbey, Herr Doctor, der Bissen ist für ihn zu fett! Bedenken Sie, Lottchen, was Sie thun? Hat Ihnen die Natur darum so schöne Hände gegeben, daß Sie Pillen damit drehen sollen? Wollen Sie Ihren göttlichen Mund von einem elenden Kerl küssen lassen, der den ganzen Tag das Uringlas vor der Nase hat? Pfui, Lottchen, Sie riechen schon nach todten Körpern; gewiß, Sie riechen schon darnach! Was wird künftig werden, wenn Sie selbst mit helfen müssen Hunde würgen, oder arme Sünder anatomiren? Wie ist es möglich gewesen, daß Sie nur einen Augenblick haben zweifeln können, Ihren krumbeinichten Liebhaber mit einer langen Nase heimzuschicken? Schicken Sie ihn den Augenblick fort, folgen Sie mir! Sie verdienen ein besseres Glück! verstehn Sie mich, schönstes Lottchen, ein besseres Glück! Morgen Nachmittage werde ich bey Ihnen seyn. O wie viel habe ich Ihnen da zu sagen, recht viel zu sagen! Leben Sie wohl. Ich küsse Sie tausendmal in Gedanken; Stirne, Augen, Backen, Mund, Brust, Hand, alles küsse ich Ihnen, und Ihrem Wurmkrämer breche ich noch seinen griechischen Hals. Leben Sie wohl.«


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