Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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»Ich bin überzeugt, daß dem gemeinen Volke, und besonders dem Landvolke, ein geschickter und fleißiger Schulmeister fast noch unentbehrlicher sey, als ein gelehrter und beredter Prediger. Und dennoch ist man an vielen Orten bey der Besetzung dieses Amts beynahe noch leichtsinniger, und noch weniger besorgt, als bey den andern geistlichen Aemtern. Ich will mich nicht dabey aufhalten. Ich will meinen Schulmeister reden lassen. Noch zur Zeit ist er nicht befördert; ich weis aber ein gewisses Rittergut, wo ich ihn in Vorschlag bringen will, und ich hoffe gewiß, er wird sein Glück daselbst machen.«

 

Hochwürdiger, Hochgelahrter Herr,
Gnädiger Herr Lieutenant,

Unser Schäfer hat mir erzählt, daß Ihr Schulmeister in voriger Woche gestorben ist, und daß Sie bemüht sind, diese Stelle, so bald möglich, wieder zu besetzen. Da ich in vorigem Jahre den Lerchenstrich von Ew. Gnaden gepachtet, und zwey Gulden mehr gegeben habe, als mein Vorfahr; so nehme ich mir die Freyheit, Ew. Excellenz dienstfreundlichst zu bitten, Sie wollen die hohe Gnade haben, und mich zu Ihrem allerunterthänigsten Schulmeister machen. Meine Stimme ist gut, und ich getraue mir, die größte Kirche zu füllen. Die Orgel schlage ich frisch, und in Fugen bin ich stark. Ich habe das Unglück gehabt, dreymal abgesetzt zu werden; aber meine Feinde sind Schuld daran, und vielleicht wäre es das letztemal auch nicht geschehen, wenn ich dem Superintendenten zu rechter Zeit einen gemästeten Truthahn geschickt hätte. Das erstemal kam es über des Schulzens Frau her. Der Corporal gab mich an; aber er mochte wohl seine Ursachen haben. Es giebt böse Leute, die alles zu Bolzen drehn, und ich war auch nicht verheirathet. Das zweytemal war mein eigner Pfarrer Schuld daran. Ich weigerte mich, ihm den Priesterrock aufs Filial nachzutragen; und deswegen machte er dem Kirchenpatrone weiß, ich sey alle Tage im Branntweine besoffen. Der Himmel ist mein Zeuge, daß es alle Wochen nur ein paarmal geschahe, und noch dazu war es im damaligen Winter grimmig kalt. Das drittemal war ich vollends gar unschuldig. Es fiel dem Superintendenten ein, daß ich in seiner Gegenwart catechisiren mußte. Freylich gieng es nicht recht, wie es seyn sollte, und meine Jungen wußten mehr, als ich sie fragen konnte; aber der Catechismus ist auch niemals mein Hauptstudium gewesen, weil ich mich von Jugend an auf Vogelstellen gelegt habe. Soll man deswegen einen ehrlichen Mann absetzen, wenn er das nicht versteht, was zu seinem Amte gehört? Wie viel Pfarrer und Superintendenten würden ohne Amt herumlaufen, wenn das eingeführt werden sollte! Wie gesagt, wenn ich in Zeiten geschmiert hätte, so wäre ich wohl besser gefahren. Aber meine Frau wollte nicht daran; sie hatte den Truthahn gar zu lieb. Sehn Sie, gnädigster Herr Lieutenant, das ist nun alles, und davon macht man so ein Aufhebens. Ich denke, in Ihr Dorf werde ich mich ganz gut schicken. So viel Ihre Bauerjungen von Gottes Worte brauchen, will ich ihnen doch wohl vorsagen. Für armer Leute Kinder mag es halbweg seyn. Auf den Respect halte ich; da gebe ich Ihnen mein Wort. Ich will die Jungen zusammen peitschen, sie sollen Oel geben, wenn sie nicht gut thun wollen. Was mir am Christenthume und dem Catechismus abgeht, das ersetze ich auf eine andere Art. Sie haben keinen Barbier im Dorfe, den Sie doch so nothwendig brauchen, da Sie sich beständig daselbst aufhalten. Das verstehe ich perfect. Ich will Ew. Gnaden umsonst scheren, nach dem Striche und wider den Strich, wie Sie es verlangen, und alles umsonst, darauf können sich Ew. Excellenz verlassen. Die gnädige Frau Gemahlinn ist eine Liebhaberinn vom Branntweine: Das sage ich Ihnen, so schön muß ihn kein Mensch abziehn, als ich. Meine Frau hat ein besondres Geheimniß, Froschleichwasser zu machen, welches zu einer reinen Haut, und wider die Sommersprossen hilft. Das wird sehr gut für den ältesten Junker seyn, welcher sehr viel auf ein hübsches weißes Gesichtchen hält. Ich glaube, Ew. Magnificenz sollen so viel Einsicht haben, und finden, daß sich niemand besser zu Ihrem Schulmeister schickt, als ich. Rechnen und Schreiben ist auch meine Sache nicht; aber was thut das? Ich will mir einen großen Jungen aus der Gemeine halten, der es an meiner Statt thut. Ich denke ja wohl, das geschieht in den meisten Aemtern, daß einer den Titel und die Besoldung hat, und einen großen Jungen für sich arbeiten läßt. Was vornehmen Leuten recht ist, das wird doch bey einem armen Dorfschulmeister auch angehn. Mit einem Worte, ich verlasse mich darauf, daß ich den Dienst kriege. Gevatterbriefe, und Hochzeitbriefe, das ist mein Werk, die kann ich schreiben, trotz zehen andern! Ich schicke Ihnen von beyden eine Probe mit, die sich gewaschen hat. Wenn Sie mir den Dienst geben, gnädigster Herr Lieutenant, so schenke ich Ihnen den besten Lockfinken, den ich habe. Der junge Herr soll meinen Staar kriegen, das ist ein Staar! Er kann Ew. Gnaden in dreyerley Sprachen einen Hahnrey heißen, und hat mehr gelernt, als mancher Magister. Lassen Sie mir durch ihren Pachter antworten, gnädiger Herr. Er darf mir nur den Brief mit dem Drescher überschicken. Ich halte mich mit meiner Frau itzt, weil ich keinen Dienst habe, haußen in der Kneipschenke am Anger auf. Und hiermit Gott befohlen. Der ich allstets verharre,

Gnädiger Herr Lieutenant,
        Ew. Excellenz,

allerunterthänigst, treugehorsamst
pflichtschuldigster

—   —   —   —

N. S. Meine Frau meinte, ob ich nicht, wenn ich das Schuldienst kriegte, von Ew. Gnaden den Titel als Cantor bekommen könnte? Da bey allen Aemtern die Titulaturen steigen, so möchte ich auch nicht gern zurück bleiben. Es wird sich wohl geben.

 

A.
Formular

zu einem Gevatterbriefe, a 8 gl. –

T.   T.

Nachdem es dem großen Gott gefallen hat, meine liebe Hausfrau in Gnaden zu entbinden, und uns beyderseits Aeltern mit einem jungen Töchterlein zu erfreuen, und aber uns, als christlichen Aeltern, obliegen will, dieses Kindlein dem Herrn vorzutragen, und hierzu christliche Taufzeugen zu erbitten, worzu wir Ew. &c. vorlängst in unser Herz eingeschlossen haben:

Als ergeht an meinen Hochzuehrenden Herrn, und zukünftig werthgeschätzten Herrn Gevatter, mein dienstfreundliches Suchen und Bitten, Dieselben wollen Sich gefallen lassen, morgen des Nachmittags um drey Uhr, wird seyn der siebente May, sich allhier einzufinden, dieses christliche Werk zu verrichten, und sodann in unsrer Behausung mit Speis und Trank, so viel Gott beschert hat, großgünstig vorlieb zu nehmen. Dafür werde ich seyn

T.   T.
Meines Hochzuehrenden Herrns,
und zukünftigen werthgeschätzten
Herrn Gevatters,
   
         
dienstwilligster
&c. &c.

 

B.
Detto ein Formular, noch etwas feiner; kostet einen Gulden Trankgeld für den Schulmeister.

Hochedler, Vest, und Hochgelahrter,
Insonders Großgünstiger, Hochzuehrender
                Herr Gevatter,

                        Vornehmer Freund,

Denenselben kann aus erfreutem Gemüthe nicht verhalten, welchergestalt der allgewaltige Gott meine Eheliebste ihrer bisher getragenen weiblichen Bürde heute Morgens um acht Uhr in Gnaden entbunden, und uns beyderseits mit einem wohlgestalten jungen Söhnlein verehret.

Wenn denn solches unser Kindlein, gleich andern Menschen, in Sünden empfangen und gebohren, und dahero uns Aeltern obliegen will, solches zur heiligen Taufe befördern zu lassen, dazu aber christliche Mittelspersonen, und Taufzeugen erfodert werden, und zu unserm hochzuehrenden Herrn Gevatter das Vertrauen haben, daß Dieselben nebenst andern dieses christliche Werk auf sich nehmen werden;

Als ergehet an Dieselben mein und meiner Eheliebsten dienst und ehrenfreundliches Bitten, Sie wollen von Ihren vornehmen Geschäfften sich so viel abmüßigen, sonder Beschwerde morgendes Tages, gönnets Gott, gegen drey Uhr in der Kirche allhier zu erscheinen, obgedachtes unser Kindlein in der Taufe vortragen zu helfen, darauf mit Ihrer Frau Eheliebste in meiner Behausung einzusprechen, und mit den Tractementen, so der liebe Gott an Speise und Trank bescheren wird, vorlieb und willen zu nehmen.

Solches, wie es denenselben zu Ehren, mir und meiner Eheliebsten aber zu sonderbarem Gefallen, und unserm Kindlein zur zeitlichen und ewigen Wohlfahrt gereicht; also sind wir es andere Wege zu verdienen, und zu verschulden geflissen, unter göttlicher Obhut verbleibende,

Hochedler, Vest und Hochgelahrter
        Herr,

Meines Hochzuehrenden Herrn Gevatters,
dienstwilliger
N. N.        

 

C.
Formular
zu einem Hochzeitbriefe.

Hochedler, Vest und Hochgelahrter,
Insonders großgünstig Hochgeehrter Herr,
        Vornehmer Freund,

Denenselben gebe ich hiermit zu vernehmen, welchergestalt auf vorher abgeschicktes Gebet, und daraus erfolgte göttliche Fügung, auch mit Genehmhaltung und Einwilligung beyderseits Aeltern, ich mich unlängst mit Jungfer N. N. Herrn N. N. allhier eheleiblichen jüngsten Tochter in ein beständiges Ehegelöbniß eingelassen, und solches auf den funfzehenten innstehenden Monats vermittelst priesterlicher Copulation zu vollziehen entschlossen.

Wenn denn dabey meinen Hochgeehrten Herrn nebst deren Eheliebste auch gerne sehen und haben möchte; als ergeht an Dieselben mein dienst- und ehrenfreundlich Bitten, Sie wollen belieben, Sich so viel von ihren obhabenden vornehmen Verrichtungen dießmal zu entbrechen, bemeldten Tages in meiner Behausung allhier einzufinden, der priesterlichen Trauung beyzuwohnen, und Gott um eine gedeyliche Ehe anzurufen, und sodann nach beschehenen solchen Actu das der Zeit und Gelegenheit nach angestellte Hochzeitmal zu genießen, und vollenden zu helfen.

Wie nun solches zu förderst dem Stifter des heiligen Ehestandes zu Ehren, mir und meiner Verlobten, und beyderseits Anverwandten zu sonderbarem Gefallen und Freundschaft gereicht: also bin ich sothane hohe Ehrenerweisung in dergleichen, und andern Begebenheiten zu verdienen ohnvergeßlich, maaßen unter Gottes Schutz und Obhand verharre,

Hochedler, Vest und Hochgelahrter,
Meines großgünstig Hochgeehrten Herrn,

allezeit Dienstwilliger
N. N.
       

 


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