Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Wie gefalle ich Ihnen, mein Herr? Steigt nicht meine Unverschämtheit mit jedem Briefe. Nun nahm ich mir vor, den Brief gar zu läugnen, den ich ehedem, wider meines Vaters Wissen, an den Professor geschrieben hatte. Er war fromm, und fast ein wenig gar zu fromm. Dieser Schwäche wollte ich mich bedienen. Konnte es nicht möglich seyn, daß mein Brief untergeschoben, und meine Hand von bösen Leuten nachgemalet war? Ich wollte den Professor zweifelhaft machen. Hätte ich ihn einmal so weit gehabt, daß er angefangen zu glauben, es habe sich die Bosheit neidischer Leute mit ins Spiel gemischt; so hoffte ich gewonnen zu haben, und ihn so weit zu bringen, daß er an mich schreiben, oder gar zu mir kommen sollte. Alsdann hätte es mich ein paar kleine Thränen gekostet, die zu ihrer Zeit beredter sind, als alle goldne Sprüche der griechischen und römischen Weisen. Das war mein Plan. Im Geiste war ich schon Frau Professorinn. Ich ward es nicht. Mit dem nächsten Posttage kam ein Brief; aber was für einer? Lesen Sie einmal. Wie widrig ist mein Schicksal.

 

Mademoiselle,

»Mein Mann, welcher unbaß ist, hat mir aufgetragen, Ihnen den richtigen Empfang Ihres Briefs vom zehnten dieses zu melden. Er läßt Ihnen durch mich aufs heiligste zuschwören, daß er noch itzt niemals ohne die größte Hochachtung an Ihren seligen Herrn Vater gedenken könne. Aber das ist ihm alles unbegreiflich, was Sie von einem Misverständnisse, von verlohren gegangnen Briefen, von der Unruhe des Herrn Vaters auf seinem Todbette, und ich weiß nicht, von was für gefährlichen Cabalen mehr schreiben. Er hat das Vergnügen gehabt, Ihren Herrn Vater noch ein Jahr vor seinem Ende auf der Messe zu sprechen, und ihn in seiner Freundschaft unverändert zu finden. Dieser Umstand muß Ihnen, Mademoiselle, vermuthlich bey der Anlage Ihres Briefs unbekannt gewesen seyn. Mein Mann verlangt nicht, dieses weiter zu untersuchen, und er hat mir befohlen, davon abzubrechen, weil er glaubt, eine nähere Entdeckung werde Ihnen eben nicht vortheilhaft seyn. So viel läßt er Sie versichern, daß er noch immer bereit sey, Ihnen nach Ihrem Tode die Abdankung zu halten. Ich weis nicht, was er damit meinen muß! aber vielleicht ist es Ihnen verständlich. Er vermuthet, daß es nicht nöthig sey, Ihnen den Schluß Ihres Briefs zu beantworten, da ich, als seine Frau, noch so gesund und munter bin, daß ich die Ehre habe, in seinem Namen an Sie zu schreiben. Mir, für meine Person, ist es ungemein vortheilhaft, daß ich einen Mann habe, der von so einem artigen und erfahrnen Frauenzimmer aufgesucht wird. Ich liebe ihn nun doppelt, ob ich gleich eifersüchtig genug bin, um zu wünschen, daß dergleichen verliebte Anfälle nicht zu oft auf ihn gethan werden mögen. Ich möchte ihn verlieren, oder doch nicht allemal die Erlaubniß von ihm bekommen, auf die Liebesbriefe zu antworten, die so herzbrechend sind, wie der Ihrige. Für diesesmal bin ich mit aller Hochachtung,

Mademoiselle,

Ihre Dienerinn.

»N. S. Mein Mann bittet sich ein paar Zeilen über den richtigen Empfang dieses Briefs aus, weil er in grossen Sorgen steht, die Post möchte noch eben so unrichtig gehn, wie im Brachmonate des tausend siebenhundert und vierzigsten Jahres.«


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