Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Irus.

Eine

lucianische Erzählung.S. Bel. des Verst. und Witzes, Wintermonat 1742.

 

 

Irus, der verlaßne Irus, dessen Nahrung in Brodt und Wasser, die Kleidung in einem zerrißnen Mantel, und das Lager in einer Hand voll Stroh bestund; dieser ward auf einmal der glücklichste Mensch unter der Sonne.

Die Vorsicht riß ihn aus dem Staube, und setzte ihn den Fürsten an die Seite. Er sah sich in dem Besitze unermeßlicher Schätze. Sein Auge erstarrte vor dem ungewöhnlichen Glanze des Goldes. Sein Pallast war weit prächtiger ausgeputzt, als die Tempel der Götter. Purpur und Gold waren seine schlechteste Kleidung, und seine Tafel konnte man billig einen Innbegriff alles dessen nennen, was die wollüstige Sorgfalt der Menschen zur Unterhaltung des Geschmacks ersonnen hatte. Eine unzählbare Menge schmeichelhafter Verehrer folgte ihm auf allen Schritten. Würdigte er jemanden eines geneigten Blickes; so hielt man denselben schon für glückselig, und wer seine Hand küssen durfte, der schien allen beneidungswürdig zu seyn. Er glaubte, der Name Irus sey ihm ein beständiger Vorwurf seiner vormaligen Armuth; er nannte sich also Ceraunius oder den Blitzenden, und das ganze Volk frohlockte über diese edelmüthige Veränderung. Ein Dichter, welcher ihn vormals nur zum Spotte den armen Irus genannt hatte, dieser hungrige Dichter entdeckte eine Wahrheit, die bisher jedermann unbekannt gewesen, itzt aber von allen mit einem schmeichlerischen Beyfalle angenommen wurde: Jupiter hätte sich in des Ceraunius Mutter verliebt, und in einen Ochsen verwandelt gehabt, um ihrer Liebe zu genießen. Nunmehr baute man ihm Altäre; man schwur bey seinem Namen, und die Priester waren beschäfftigt, in dem Eingeweide des Opferviehes zu finden, daß der große Ceraunius, dieser würdige Sohn des Jupiters, die einzige Stütze von ganz Ithaka sey. Toxaris, sein ehemaliger Nachbar, ein Mann, welchen das Glück, ein unermüdeter Fleiß, und eine vernünftige Sparsamkeit zu einem reichen Bürger gemacht hatten, war das erste Opfer seiner ungezähmten Begierde. Er hatte ihn schon damals beneidet, als er noch Irus hieß; und nunmehr war es Zeit, daß er ihn empfinden ließ, was derjenige vermöge, dessen Vater den Donnerkeil in Händen trage. Es traten Zeugen auf, welche behaupteten, Toxaris habe die Götter geläugnet, die Tempel beraubt, die Priester verspottet, und durch ungerechtes Gut seine Schätze vermehrt. Er ward ins Gefängniß geschmissen, und zu einem schmählichen Tode verdammt. Seine geängstigte Frau, seine unschuldigen Kinder warfen sich mit Thränen zu den Füßen unsers unempfindlichen Tyrannen; aber umsonst. Toxaris mußte sterben, und alle, die ihm angehörten, mußten ins Elend gehen. Irus blieb sein einziger Erbe. Noch etwas fehlte ihm an seiner Glückseligkeit. Er wollte sich vermählen. Die Vornehmsten des Landes waren bemüht, in seine Verwandtschaft zu kommen. Menippus war allein so glücklich, daß Irus auf seine Tochter, Euforbia, die Augen warf. Er hoffte durch eine nähere Verbindung mit dem angesehenen und reichen Menippus sein eignes Glück noch mehr zu befestigen; und Euforbia war schön genug, sein Herz einzunehmen. Ihr lockichtes Haar, ihre erhabne Stirn, ihre feurigen Augen, ihr reizender Mund, ihre bezaubernde Brust, ihr majestätischer Gang, kurz, ihre ganze Gestalt, hatten den hochmüthigen Irus gefesselt, und alle Dichter in Ithaka schwuren, daß Venus mehr als einmal über diese Schöne eifersüchtig geworden wäre. Die Vermählung geschah. Der große Sohn des Jupiters eilte, seine Geliebte zu küssen. O! sprach er, indem er sie umarmen wollte, o, wie vergnügt – – – – – – – –

Hier erwachte Irus; seine Glückseligkeit war nur ein Traum gewesen. Er lag noch auf eben dem Strohe. wohin er sich gestern gelegt, noch unter eben dem zerrißnen Mantel, womit er sich den Abend zuvor bedeckt hatte.

Ceraunius war verschwunden, und der unschuldige Toxaris lebte noch.


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