Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Nachricht

von einem

Schlüssel zu Swifts Codicille.Diese Nachricht ist in den öffentlichen Zeitungen im Jahre 1746 eingerückt gewesen.

Leipzig.

Bey Boetius Erben unterm Rathhause ist zu haben: Schlüssel zu D. Jonathan Swifts Codicille; in Octav 3½ Bogen. Wir haben in einer Monatsschrift vor einiger Zeit ein Schreiben eines Richard d'Urfey Esq. an einem Mylord erhalten, worinnen von D. Jonathan Swifts letztem Willen wegen Erbauung eines Tollhauses für moralische Narren umständliche Nachricht gegeben, und zugleich Swifts Codicill eingerückt worden ist.

Der Verfasser des Schlüssels, welcher vermuthlich nicht eher ruhig schlafen können, bis er 3½ Bogen von sich gegeben, macht sich diese Mühe dadurch leicht, daß er uns einen Auszug vom Codicille liefert, welcher fast einen Bogen einnimmt. Er redet von der Satire überhaupt, und insbesondere, und macht ein trocknes Gewäsche von dem, wozu man wirklich keinen Schlüssel braucht. Dieses bahnt ihm ganz natürlicher Weise einen nähern Weg zu seinem Vorhaben. Er erzählt, daß man zeither in verschiednen Gesellschaften zweifelhaft gewesen, ob dieses Codicill, und das ganze Schreiben des Esqu. eine Uebersetzung aus dem Englischen, oder nicht vielmehr nur ein deutsches Original sey?

Hierzu braucht er zwey Blätter, ehe er die wichtige Entdeckung macht, es sey in der That nur ein deutsches Original.

Nunmehr hat er gewonnenes Spiel. Er folgert hieraus recht freudig, daß alle die Namen, welche im Codicille stehen, nur erdichtete Namen sind. Dieses hat ihn aufmerksam, und argwöhnisch gemacht. Er hat herumgesonnen, wer unter diesen erdichteten Namen versteckt seyn müsse? Und endlich hat er es glücklich errathen.

Ihm haben wir es nunmehr zu danken, daß wir wissen, was für deutsche Ehrenmänner unter dem Namen der Lords verborgen liegen. Den Lord Pallbrow kennt er, und nennt uns so gar den Rittersitz, auf dem Ihre Excellenz wohnen. Den jungen Rathsherrn Something hat er gleich vom weiten am dicken aufgeblähten Bauche erkannt. Er glaubt, er sey nach dem Leben getroffen, und er lasse mit ihm bey einem Schneider arbeiten. Der Bischoff O-Carry sey kein rechter Bischoff, aber sonst bekannt genug. Was uns am bedenklichsten geschienen hat, ist die Entdeckung von dem unsinnigen Dichter Thomas Swallow. Es steht im Codicille ausdrücklich, daß er noch nicht mündig sey, und der Verfasser des Schlüssels nennt ihn doch virum clarissimum. Wie wenig räumt sich das zusammen? Mit einem Wort; er hat alles auspunktirt, so gar, wer Johann Gale ist, den er für einen Thorschreiber hält.

Wir lassen alle diese Vermuthungen an ihren Ort gestellt seyn, sowohl als den Namen des Verfassers dieses Swiftischen Codicills, welcher uns sehr umständlich angezeigt, und so gar dessen Amt, so er gegenwärtig bekleidet, gemeldet wird.

Wir nehmen uns die Freyheit nur etwas zu erinnern.

Es ist eine Beleidigung für einen vernünftigen Satirenschreiber, wenn man glaubt, daß die Namen, deren er sich in seinen Charakteren bedient, nur auf gewisse einzelne Personen gehen müssen. So enge Gränzen hat nur ein Pasquill; eine Satire ist viel allgemeiner. Wenn ich den Herrn Something nenne; so meine ich wohl zwanzig hochmüthige Narren auf einmal, und wir getrauen uns, zwischen Leipzig und Hamburg mehr, als ein Dutzend lächerliche Swallows, zu finden.

Noch eine größere Beleidigung ist dieses, daß er den Namen des Verfassers vom Swiftischen Codicille nennt. Wir haben Ursachen, an der Richtigkeit dieses Angebens sehr zu zweifeln; und wäre es auch richtig, so können wir es mit keinem gelindern Namen, als mit dem Namen einer Unhöflichkeit belegen, daß er es wagt, einen Mann zu nennen, den vielleicht sein Amt, oder andre Ursachen, bewegen, sich noch zur Zeit verborgen zu halten.

Weil in dem Swiftischen Codicille, und beim Schlusse des Briefs eines Promemoria gedacht wird, in welchem Swift diejenigen Deutschen genannt, welche in seinem Tollhause aufgenommen werden sollen; so hat der Verfasser des Schlüssels solches auch zum Drucke befördert. Es ist fünf Bogen stark, sehr enge gedruckt, und besteht aus lauter Namen; im übrigen ist es auch bey Boetius Erben zu bekommen.

Nicolaus Stefgen in Augspurg ist itzt beschäfftigt, die in diesem Promemoria benannten Candidaten des Swiftischen Tollhauses, wovon beynahe zwey Drittheile Gelehrte sind, in Kupfer zu stechen, wobey er bittet, daß diejenigen, so sich in Alongenperucken zu sehen wünschen, sich binnen hier und Ostern melden möchten.

Noch zur Zeit sind wir nicht im Stande zu urtheilen, ob dieses Promemoria authentisch sey? Ganz unwahrscheinlich ist es nicht, und wir finden eine ziemliche Menge Narren darunter, welche uns und der Welt dafür bekannt sind. Es stehen aber viele darinnen, die wir zum erstenmale kennen lernen, und der Verfasser des Schlüssels hat sich bey uns sehr verdächtig gemacht.


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