Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Sehn Sie, mein Herr, das war also wieder nichts. Ich glaube, der Hofrath mußte meinen unbesonnenen Brief, den ich vor zwölf Jahren an ihn geschrieben, noch aufgehoben haben. Wenigstens hatte er ihn Punkt für Punkt beantwortet, und ich gestehe es, daß ich noch mehr Vorwürfe verdiente. Was half es mir also, daß ich meinen Vater unschuldiger Weise mit ins Spiel mischte? Wieder eine Thorheit mehr!

Nunmehr war ich ganz von meinen Freunden verlassen. Sie hatten mich von sich gestossen. Ich kann es wohl so nennen, denn sie waren endlich, da ich gutwillig nicht weichen wollte, hart gegen mich gewesen. Ich zog in ein kleines Städtchen, wo ich von dem Ueberreste meines geringen Vermögens so kümmerlich leben mußte, als man es nur denken kann. Zu meinem Unglücke traf ich den Doctor in diesem Städtchen an, welcher mich ehedem auch geliebt hatte. Er befand sich in so reichlichen Umständen, daß ich wünschte, es möchte ihm wieder einfallen, daß ich ehedem schön ausgesehen hätte. Er flohe meine Gesellschaft auf alle Art; gleichwohl war er, wie ich erfuhr, immer noch so bescheiden, daß er nichts Böses von mir redete. Ich hielt dieses für ein gutes Anzeigen, und bildete mir ein, er glaube vielleicht, ich sey noch eben so wild, als sonst. Hätte er es nur versucht! Er that es nicht. Es war mir auch nicht möglich ihn zu sprechen, denn er vermied alle Gesellschaften, wo er glaubte, daß er mich finden würde. Endlich kam ich auf den Einfall, mich krank zu stellen. Ich ließ ihn unter diesem Vorwande bitten, mich zu besuchen; allein er entschuldigte sich, ich weis nicht mehr, womit, und schickte mir seinen Collegen. Aus Verdruß ward ich nun im Ernste krank; und weil ich ihn gar nicht zu mir bringen konnte, so schrieb ich an ihn:

 

Mein Herr,

»Es ist etwas hartes, daß Sie eine Kranke verlassen, die ihr Vertrauen auf Sie ganz allein gesetzt hat. Wäre ich Ihnen auch ganz unbekannt, so würde Sie doch Ihr Amt verbinden, gefälliger gegen mich zu seyn. Ich habe einmal die Erhaltung meines Vaters Ihrer Geschicklichkeit und Sorgfalt zu danken gehabt. Bin ich Ihnen seitdem so gleichgültig geworden, daß Sie sich die Mühe nicht geben wollen, von mir, wegen meiner eignen Person, eine gleiche Verbindlichkeit zu verdienen? Sie waren in vorigen Zeiten aufmerksam auf mich; und wenn Sie mir nicht zu viel geschmeichelt haben, so hatte ich das Glück, Ihnen zu gefallen. Ich verwahre Ihre schriftliche Versicherung davon noch sehr sorgfältig; und so oft ich sie durchlese, empfinde ich einen gewissen Stolz in mir, welcher sich durch das billige Urtheil der Welt rechtfertiget, die von Ihrem Verstande und Ihrer Einsicht überzeugt ist. Eine Person, die Sie für Ihre Freundinn, und ich für vernünftig hielt, die aber uns beyde betrogen hat, war Ursache, daß ich mich verleiten ließ, Ihr freundschaftliches Suchen zu misbrauchen, und Ihnen eine Antwort zu schreiben, deren ich mich noch mehr schämen würde, wenn ich nicht wüßte, daß sie in den Händen eines vernünftigen Mannes wäre. Ich verlange meinen Fehler nicht zu entschuldigen, den ich sonst der Bosheit unsrer gefährlichen Freundinn ganz zur Last legen könnte. Ich will es gestehn, ich habe mich übereilt, und ich kann es Ihnen gar nicht verdenken, wenn Sie seit der Zeit geglaubt haben, ich sey Ihrer Freundschaft und Liebe unwürdig. Verlangen Sie noch mehr Reue über ein Vergehen, das ich alle Stunden bereue, wenn ich daran gedenke? Kommen Sie zu mir, Sie sollen die Versichrung aus meinem eignen Munde hören. Ich will Ihnen sagen, wie hoch ich Sie halte: ja, wenn es meine Krankheit erlaubt, so will ich Ihnen aufs verbindlichste sagen, daß ich Sie liebe. Ich biete Ihnen meine Hand an, zum Zeichen meiner aufrichtigen Versöhnung. Besuchen Sie mich. Wollen Sie mich nicht als Ihre Freundinn besuchen, so besuchen Sie mich als eine Kranke, der Sie Ihren Zuspruch nicht abschlagen können, ohne doppelt ungerecht zu seyn. Ich erwarte Sie diesen Nachmittag. Ich bin sehr krank. Leben Sie wohl.«


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