Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Gnädiger Onkel,

Es hat mir der Herr Kammerrath von – – einen Heirathsantrag gethan, durch den ich meine zeitlichen Glücksumstände ansehnlich verbessern, und zu einem Range zu der Welt gelangen könnte, um den mich vielleicht viele beneiden würden. Die Verdienste des Herrn von – – und sein redliches Herz machen sich mir durch diesen Vorschlag noch weit kenntlicher, als sie mir bisher gewesen sind. Wollte ich bey meiner Verheirathung auf weiter nichts sehen, als auf diese Umstände; so würde ich nicht einen Augenblick nöthig haben, mich zu besinnen. Allein meine Jugend ist eine der wichtigsten Ursachen, welche mich unschlüssig macht, die Hand eines Mannes anzunehmen, die ich vielleicht mit besserm Anstande in kindlichem Gehorsam, als bey einer genauern Verbindung aus Zärtlichkeit küssen würde. Ich werde die Urtheile der Welt wider mich erregen, und niemals im Stande seyn, die Vorwürfe zu beantworten, die man mir mit guter Wahrscheinlichkeit, und doch allemal unschuldig machen wird. Versagen Sie mir, Gnädiger Herr, bey diesen zweifelhaften Umständen, Ihren väterlichen Rath nicht. Sie sind bey Ihrem Alter und Ihrer Erfahrung besser, als ich, im Stande, die Wichtigkeit einer Entschlüssung einzusehn, von der mein ganzes Glück abhängt. Ich bin ruhig, da ich mich Ihrer Liebe und Vorsorge versichert halten kann. Ihre Einsicht wird mir das ersetzen, was mir bey meiner Jugend fehlt. Vergessen Sie nicht, daß ein Mädchen von sechzehn Jahren dem ehrwürdigen Alter des Herrn Kammerraths viel leichter Ehrfurcht, als Liebe versprechen kann, so weis ich gewiß, daß Ihr Ausspruch nach meinem Wunsche ausfallen wird. Ich übersende Ihnen seinen Brief, und bin mit der vollkommensten Hochachtung, u. s. w.


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