Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Wie ich zum Exempel.) Diese Worte werden sehr oft in meinem Texte vorkommen, weil es der gelehrte Gebrauch erfodert, daß ein Schriftsteller von sich selbst bey allen Gelegenheiten am meisten redet. Bey den übrigen Stellen werde ich die Noten weglassen. Hier aber kann ich es unmöglich über mein Herz bringen, davon zu schweigen, was die Worte, wie ich zum Exempel, eigentlich sagen wollen. Ich zeige dadurch die Grösse meiner Arbeit, und die Wichtigkeit derjenigen Bemühungen an, mit welchen ich mich in meinen Schuljahren beschäfftigt habe. Denn ein junger Dichter war, nach dem Begriff eines meiner ehemaligen Lehrmeister, nichts anders, als ein Ding, welches lateinische Verse scandiren, und eine gewisse Anzahl Wörter von verschiedner Länge, nach dem Sylbenmaasse, in Ordnung stellen konnte. Dieses war auch die einzige Ursache, warum ich die alten Poeten las, und vielmals mit exemplarischem Nachdrucke dazu angehalten wurde. Ich sollte lateinische und griechische Verse machen lernen, und ich lernte es auch; wenigstens traf ich die Melodey der Alten. Ich habe den Nutzen davon nach der Zeit deutlich erkannt. Ich weis wohl, daß man viele Geschicklichkeit haben muß, wenn man gute lateinische Verse machen will; ich weis aber auch, daß solche Arbeiten von den meisten nicht deswegen gelobt werden, weil sie gut sind, sondern weil sie mit römischen Buchstaben gedruckt sind. Die Erfahrung hat mich auch gelehrt, daß es allemal sicherer sey, lateinisch, als deutsch, zu dichten. Der beste deutsche Poet ist in den Augen der lateinischen Welt weiter nichts, als ein deutscher Michel, oder höchstens ein leidlicher Versmacher. Ein jeder glaubt, er habe Geschicklichkeit genug, ein Werk seiner Muttersprache aufs unbarmherzigste zu richten. Schreibt aber jemand ein lateinisches Carmen; so sieht man es als eine ehrwürdige Nachahmung des gelehrten Alterthums an, und sagt, der Dichter habe uns ein geistreiches Werk geliefert. Um deswillen verabscheue ich das freche Urtheil des Le Clerc, welcher spricht: Viele der Neuern, welche lateinische und griechische Verse machen, wären den Alten so ähnlich, als die Affen den Menschen. Sie ahmten mehr ihre Fehler, als ihre guten Eigenschaften, nach.

Multa tulit, fecitque puer, sudauit et alsit.

Dieses sind die eigentlichen Worte des mir ertheilten Schulzeugnisses, welche auf nichts anders zielten, als auf den rühmlichen Eifer, den ich bezeigte, so oft ich mit Jamben und Trochäen zu kämpfen hatte. So sauer mir oftmals meine Siege geworden sind, so groß war auch meine Zufriedenheit, wenn ich eine kurze oder lange Sylbe überwunden, und meinen Zeilen diejenige Form gegeben hatte, welche man an den Gedichten des Horaz und Virgils erblickt. Was diese beyden Dichter nur schönes und Göttliches gesagt hatten, und vielmals würde ein unparteyischer Leser zweifelhaft geworden seyn, ob er einen lateinischen Neujahrwunsch von Hinkmarn von Repkow, oder ein Stück aus des Virgils Aeneis läse. Mein redlicher Lehrmeister war darüber so erfreut, daß er mich beständig seinen kleinen Hannibal nennte, der die Schätze Latiens plünderte, und sein Vaterland damit bereicherte.

Erb- Lehn- und Gerichts-Herr.) Dieses ist eine bekannte Geschichte, welche Müller in seinen Annalibus umständlich erzählt. Er nennt ihn Martin Quaast, und berichtet, daß er ein Quacksalber in Königsee gewesen sey, welcher durch seine köstlichen, bewährten, und von römisch-kaiserlicher Majestät privilegirten Pulver, besonders aber durch die Einfalt der eingebildeten Kranken sich so viel verdient, daß er unweit Langensalza ein Vorwerk an sich gekauft, und sich um deswillen unter allen seinen Recepten Erb- Lehn- und Gerichts-Herr auf Braunsdorf, Juxaroda, Scharfenpelß, Thura, Költschau, Knechtendorf, und Lehneroda geschrieben, ungeachtet er an allen diesen Dörfern weiter keinen Anspruch zu machen gehabt, als daß ihm zween oder drey Bauern daraus einige Hühner und Käse zu einem jährlichen Erbzinse entrichten müssen. Noch dieses muß ich, als einen sehr wichtigen Umstand, erinnern, daß Martin Quaast bereits unter Johann Georg dem andern gestorben ist. Ich bemerke dieses um deswillen, damit sich meine Leser nicht übereilen, und diesen ritterlichen Pedanten unter den Itztlebenden suchen.

Des Dichters Leyer klingt.) Zum ewigen Ruhme meiner Landsleute muß ich hier erinnern, daß wir dem Geschmacke und den Vorschriften der Alten weit mehr folgen, als vielleicht die Ausländer von uns glauben. Zwar dieses will ich eben nicht behaupten, daß wir uns angelegen seyn liessen, die natürlichen Ausdrücke, die erhabnen Gedanken, die lebhaften Erfindungen, die lehrreichen Sprüche, und andre Schönheiten nachzuahmen, welche man in alten Zeiten für wesentliche Stücke eines göttlichen Dichters ansahe. Allein, dieses wird uns niemand streitig machen, daß wir noch eben so wohl auf dem Rohre blasen, noch eben so wohl leyern, und unsre Saiten noch eben so wohl stimmen, als Homer, Anakreon, und die Dichter Roms gethan haben. Alle unsre Hochzeit- und Leichenverse zeugen davon. Kein Poet ist zu klein, er wird seinen Mäcen versichern, daß er nur ihm zu Ehren, die deutsche Laute stimme. Und was ist gemeiner, als die Sprache der Dichter, welche über ihr heischres Rohr seufzen? Ja viele haben es so weit gebracht, daß sie zugleich auf der Flöte blasen, zugleich die Saiten rühren, zugleich auf der Leyer spielen, und, welches fast unbegreiflich ist, zugleich sich auf den Pegasus schwingen, und den geschärften Kiel in die Hippokrene eintauchen können, und zwar dieses alles in einer Zeit von vier Versen. Heißt das nicht die Alten nachahmen, ja so gar übertreffen?

Sein Argwohn.) Dieser gieng so weit, daß man niemals eines schlechten Poeten erwähnen konnte, ohne ihn auf die empfindlichen Gedanken zu bringen, er selbst sey dadurch gemeint.

Und eine solche Kritik, so scharf sie auch ist, wird dennoch mehr Nutzen, als Schaden bringen.) Der Einwurf ist ungegründet, wenn man glaubt, es werde dieses eine grosse Verwirrung und Unordnung in dem demokratischen Reiche des Witzes erregen, und ein solcher unerbittlicher Kunstrichter beschwere nur sein Gewissen, indem er sonder Zweifel manche junge und streitbare Muse schüchtern mache, wenn er ihren Werken, und besonders den Streitschriften, eine ewige Dauer und das Glück, der Nachwelt bekannt zu werden, gänzlich abspricht. Gesetzt auch, wie ich es denn gewiß glaube, daß alle die Streitschriften, welche in unsern Tagen die Hände der Setzer beschäfftigt, und die Geduld der Leser ermüdet haben, in wenig Jahren ihren Untergang erfahren! Benimmt man ihnen denn dadurch ihren Werth gänzlich? Ein Kalender ist eines der nützlichsten Bücher von der Welt. Wenn das neue Jahr kömmt, so kaufen wir ihn mit der größten Begierde; das ganze Jahr über lesen wir darinnen, und wenn das Jahr vorbey ist, so ist auch der Werth unsers Kalenders vorbey. Würde wohl etwas lächerlicher seyn können, als wenn man diesen Beweis dazu brauchen wollte, den Nutzen und den Werth der Kalender zu bestreiten? Ich kenne viele Bücher, besonders viele praktische und politische Schriften, der philosophischen, der Kürze wegen, nicht zu gedenken, welche mit Fug nicht mehr verlangen können, als ein Kalenderalter. Sie werden gedruckt, gekauft, und in kurzer Zeit findet man sie da, wo man die alten Kalender findet. Geschieht nicht dieses alles nach dem ordentlichen Laufe der Natur, und darf man wohl der Kritik dasjenige zur Sünde rechnen, was natürlicher Weise nicht anders geschehen kann? Ich habe noch auf keiner Bibliothek eine Sammlung von Kalendern gefunden, und wer um deswillen der gelehrten Welt ihren verderbten Geschmack vorwerfen wollte, der würde in meinen Augen noch lächerlicher seyn, als der berühmte Scribent, welcher in der Vorstadt wohnt, und mir, so oft er mich sieht, mit Seufzen erzählt, daß es mit der Poesie ganz und gar aus sey, weil sich niemand so viel Gewalt anthun kann, seine Werke mehr zu lesen.

Gemeiniglich aber glauben wir, dieses gehe nicht uns, sondern unsern Nachbar an.) Hier wird im Texte dasjenige weiter ausgeführt, was vorher nur kürzlich berührt worden ist. Allerdings ist die Besorgniß, dadurch manche junge und streitbare Muse schüchtern gemacht werde, so ungegründet, und abgeschmackt, als Strephons Beweis von der besten Welt. Ich weis gewiß, viele werden die Stellen von der Vergänglichkeit solcher Schriften mit der freudigsten Zuversicht lesen, daß ihre Werke von einer weit dauerhaften Natur, als andre, und der gelehrten Verwesung gar nicht, oder wenigstens doch so geschwind nicht, unterworfen sind. Und vielleicht sind sie es dennoch. Herr Grobbens, jener berühmter Kaufmann, geht niemals lieber in die Comödie, als wenn des Moliere Geiziger gespielt wird. Er lacht aus vollem Halse über den betrognen Harpagon, dem man seinen Geldkasten entwendet, und zu gleicher Zeit greift er in den Schubsack, zu fühlen, ob er auch den Schlüssel zu seiner Casse noch wohl verwahret habe. Herr Grobbens ist geizig, das wissen wir alle; aber daß er und seines gleichen auf dem Theater gemeint sey, das glaubt Herr Grobbens nicht. Es fällt mir noch etwas ein. Sollte eine junge und streitbare Muse, wie man sie nennen will, schüchtern gemacht werden; wie viel Selbsterkenntniß und Ueberlegung würde dazu gehören? Zwo Sachen, welche man, ohne seine Uebereilung und Unwissenheit in der Gelehrtenhistorie zu verrathen, bey denen gewiß nicht suchen darf, welche uns alle Messen mit ihrem Witze, und besonders mit Streitschriften, heimsuchen. Aber der fruchtbare Herr Magister Stucker, dessen Schriften in der Ostermesse verkauft, und noch vor der Michaelismesse vergessen werden, dieser unermüdete Mann ist ganz kleinmüthig geworden, als unlängst seinen Werken eine dergleichen traurige Nativität gestellt worden ist. Ich räume dieses ein. Kann das meinen Satz über den Haufen werfen? Ein einziges Exempel macht noch lange keine Möglichkeit wahrscheinlich. Wohl hundert kleine Stuckers sehe ich alle Tage durch meine Gasse laufen, durch deren standhafte Unverschämtheit ich meinen Satz wider alle Einwürfe beweisen, und vertheidigen kann.

Ja, eben dadurch gewinnen sie vielmals mehr, als sie verlieren.) Diese Materie ist so unerschöpflich, daß ich nicht Umgang nehmen kann, noch eine Note davon zu verfertigen. Was ist es denn nun auch für ein grosses Unglück für diejenigen Schriften, welche die Zeit noch in ihrer Jugend, und, wenn ich so sagen darf, in der Wiege dahin rafft? Bekömmt die Nachwelt von ihnen nichts zu sehen; so haben sie auch den wichtigen Vortheil davon, daß die Nachwelt von ihnen dasjenige nicht erfährt, was wir von ihnen wissen, und wir wissen von ihnen dasjenige, was ich hier, um ihren guten Namen zu schonen, nicht schreiben mag. Bleiben aber von ihren Werken noch einige Fragmente übrig, (denn das ist so gar unmöglich eben nicht, daß in drey Alphabeten wenigstens ein vernünftiger Gedanke seyn kann,) gut! So wird vielleicht einmal in jenen Tagen ein Scholiast aufstehen, welcher über den unersetzlichen Verlust eines so wichtigen und gelehrten Buchs ängstlicher thut, als wir nimmermehr thun würden, wenn man die Gewaltthätigkeit ausübte, und uns zwänge, eben dieses Buch zu lesen, da es noch nicht verloren gegangen ist.

Denn nur seit vorgestern haben die Deutschen angefangen, männlich und stark zu denken, und, durch die Proben ihres reifen Witzes, den Witz der Franzosen und Engelländer zu übertreffen.) Wem dergleichen Wunderdinge von den Deutschen unwahrscheinlich vorkommen möchten, dem muß ich durch eine Note aus seinem Zweifel helfen. Es ist eben itzt acht und vierzig Stunden, daß ich mit Abfassung gegenwärtiger Noten ohne Text beschäfftigt bin. Alles, was vorher in Deutschland geschrieben worden ist, das kömmt mir, wenn ich es gegen diese meine Abhandlung betrachte, so rauh und barbarisch vor, daß ich über die Blindheit erschrecken muß, in welcher mein Vaterland getappt hat. Seit vorgestern fange ich an, zu schreiben, und ich wünsche meinen Deutschen Glück dazu, daß ich mich entschlossen habe, zu schreiben. Ich bin nicht der erste, welcher zu seinen Arbeiten ein dergleichen Vertrauen hat und glaubt, daß ohne ihn der deutsche Witz und Verstand in einer ewigen Nacht würden verborgen geblieben seyn, und welcher den Zeitpunkt des guten Geschmacks von demjenigen Augenblicke feststellt, da er sich aus mitleidigem Erbarmen bewegen lassen, die Feder einzutauchen, und sein unwissendes Vaterland zu lehren. Künftig also wird sich die Epoche der deutschen Gelehrsamkeit von vorgestern anfangen, und wollte jemand so verblendet, und gegen meine Verdienste so undankbar seyn, daß er diese meine Zeitrechnung nicht gehorsam, und ohne Murren, annähme, dem sey Trotz geboten. Denn schimpfen kann ich auch.

Der von ihm gemachte Charakter aber soll sehr ungleich, und hin und wieder sich selbst widersprechend seyn.) Das kann wohl seyn, und dennoch halte ich es für keinen Fehler. Ich sehe mich genöthigt. etwas weitläuftiger davon zu handeln, weil ich dadurch Gelegenheit bekomme, noch ein Blatt zu beschreiben. Man kann meines Erachtens einen Kunstrichter gar füglich als einen Mann vorstellen, der auf die Heftigkeit der Kunstrichter, und verschiedne Schooßsünden der Gelehrten, mit der größten Heftigkeit, voller Eigenliebe und kritischen Hochmuths eifert, gleichwohl aber bey verschiednen Gelegenheiten, wo man es am wenigsten vermuthen sollte, sehr vernünftig und gelassen urtheilt. Don Quichott blieb dennoch der Held von Mancha, wenn er gleich seinem Sancho Pansa die erbaulichsten und vernünftigsten Lehren gab. Er hatte das Barbierbecken auf dem Kopfe, die verrostete Lanze in der Hand, und saß auf seiner Roßinante; gleichwohl waren seine Unterredungen so tiefsinnig und philosophisch, als vielmals die Unterredungen eines ausserordentlichen Lehrers der Weltweisheit nicht sind. Nur erst alsdann ward er ein Narr, wenn er von Riesen träumte, und Windmühlen bestürmte. Wenn ich mich recht entsinne, so habe ich gelesen, daß Cervantes, eben durch diesen ungleichen und abwechselnden Charakter, sich und seinen Don Quichott berühmt gemacht hat. Das ist ja nicht eben so gar unwahrscheinlich, daß ein Mensch bey gewissen Fällen vernünftig seyn kann, welcher uns doch auf seine andern Seite lächerlich scheint. Ich kenne einen gewissen Rechtsgelehrten, welcher das Orakel aller unruhigen Bauern, die Zuflucht aller zänkischen Nachbarn, und ein Vormund aller Schelme und Diebe ist. Wer ihn auf der Richterstube hört, oder seine eingebrachten Sätze liest, der sollte gewiß glauben, es würde Wittwen und Waisen und dem ganzen Vaterlande sehr ersprießlich seyn, wenn er in den nächsten vier Wochen gehangen würde. Und dennoch weis dieser Priester der Gerechtigkeit, in gewissen Gesellschaften, von der Liebe des Nächsten, und den Pflichten der Menschen, von den wichtigsten Wahrheiten jenes Lebens, so gesetzt und so lehrreich zu reden, daß ein gewisser Edelmann nur unlängst zweifelhaft war, ob er, wo nicht ein Quacker, doch wenigstens ein Mißionarius sey, welcher Heyden bekehren wollte. Wenn Doctor Purgan vor dem Krankenbette steht, und mit einer räthselhaften Miene an den Puls fühlt; so sind seine Gespräche so kunstmäßig und griechisch, daß man darauf schwören sollte, er habe das Fieber selbst. Und eben dieser Herr Doctor Purgan kann bey jener Kaufmannsfrau, deren Leibarzt er ist, so deutlich und vernehmlich reden, als kein Schäfer bey seiner Phyllis. Würde es nicht verwägen seyn, wenn ich diejenigen nicht für Philosophen halten wollte, welche eigennützig, rachsüchtig, wollüstig, hochmüthig, mit einem Worte, welche auf der Catheder große Weltweisen, und in ihrem Hause die kleinsten Geister sind? Jener ehrwürdige Heuchler, mit gefaltnen Händen, welcher uns wöchentlich – –. So weit geht die Note; das übrige erklärt unser Text.

Und dessen ungegründete Meinung.) Ich würde hierbey Gelegenheit haben, über seine einfältigen Vorurtheile ziemlich zu spotten, und er verdient es wohl! Weil er aber meiner in seiner letzten Vorrede sehr rühmlich gedacht, ja so gar nur unlängst in seine Werke ein poetisches Sendschreiben an mich eingerückt hat; so versichre ich meine Leser, daß ich noch niemanden gefunden habe, welcher in Beförderung des guten Geschmacks und der schönen Wissenschaften in Deutschland so unermüdet und glücklich gewesen, als eben dieser berühmte Mann.

Bey denen man um Fesseln flehe.) Diese schöne Stelle recht zu verstehen, muß man wissen, daß unsre Dichter niemals verliebter sind, als wenn sie in Ketten und Banden liegen. Es gehört dieses zu denen Moden in der Poesie, von welchen ich, in einer absonderlichen Schrift, umständlich handeln werde. Man sollte glauben, ein Liebhaber, der auf allen vieren kriecht, würde wenig Eindruck machen; aber bey den poetischen Schönen ist es ganz anders. Ein reimender Liebhaber ohne Fessel ist etwas unerhörtes, denn alle ihre Gebieterinnen sind Königinnen, und zwar recht grausame Königinnen; aber welches wohl zu merken ist, auch nur in poetischem Verstande. Denn wir lesen in der arkadischen Chronike, daß dergleichen gefesselte Liebhaber beherzt genug gewesen sind, in einer Woche wohl drey solche Königinnen vom Throne zu stossen, und bey der vierten um Fesseln zu flehen.

Nach Gründen.) Denn eben itzt ist die merkwürdige Zeit, da man nichts ohne zureichenden Grund thut.

Das Gedicht aber auf seine Ehefrau.) Man findet darinnen alles dasjenige zärtliche und verbindliche, was die Sprache einer vernünftigen Liebe erfodert. Und denen, welche die große Welt kennen, hat es um deswillen sehr wahrscheinlich vorkommen wollen, daß dieses Gedicht unter die lehrreichen Fabeln, oder poetischen Erzählungen, gehöre. Es sey nirgends erhört, sprechen sie, daß ein paar Eheleute einander, bey lebendigem Leibe, so viele Schmeicheleyen in Versen vorsagen könnten. Es sey gar nicht mehr gebräuchlich, daß ein verehlichter Dichter, bey dem Leben seiner Frau, ihr zu Ehren, nur die Hälfte von dem Weihrauche verschwende, welchen er sonst mit vollen Händen auf fremden Altären geopfert. Gemeiniglich kämen sie nicht eher ins poetische Feuer, bis die Wohlseligverstorbene auf der Bahre liege, und die häufigen Proben der Wittwerthränen ließen uns noch vielmals ungewiß, ob der Schmerzlichgebeugte unter seinem Flore vor Freuden, oder vor Schmerzen, geweint habe. Allein mir scheinen diese Urtheile und angeführten Gründe sehr seichte. Ich könnte unterschiedne gesammelte Proben von dergleichen Gedichten hier einrücken, aus denen man gleich in der ersten Zeile sieht, daß der betrübte Wittwer seiner nicht mächtig gewesen ist. Ich will mich aber lieber auf das gültige Zeugniß des so glaubwürdigen Berkenmeyers beziehen, welcher uns von einem gewissen unbekannten und sehr weit entlegnen Volke erzählt, »daß ihre Ehen die glückseligsten und vergnügtesten Ehen wären, und daß ein jeder glaube, die beste Frau zu haben. Die Weiber unter diesem fremden Volke wären gefällig, treu, und verehrten die Männer, als ihre Herren. Man fände unter ihnen Weiber, welche in der zwar etwas rauhen Sprache ihres Landes die Redlichkeit ihrer Männer besängen, und Männer, welche die Zärtlichkeit ihrer Weiber mit gleichen Liedern vergälten.« Dieses sind des vortrefflichen Berkenmeyers eigne Worte, und wer solches für ein Mährchen aus Amerika halten wollte, der würde sich an Berkenmeyern und an unserm Frauenzimmer sehr versündigen. Ich weis es, daß es eine hämische Lobschrift auf die bösen Männerim I. Th. dieser Sammlung, a. d. 99. S., und eine boshafte Trauerrede eines Wittwersim I. Th. dieser Sammlung, a. d. 109. S. giebt. Das wirft aber meinen Satz noch gar nicht um. Wir wissen es gar wohl, daß die erste ein erbittertes Frauenzimmer gemacht hat, an welcher es gar nicht liegt, daß sie, als Jungfer, alt und Lebens satt ihren Geist aufgeben muß; und von dem Verfasser der Trauerrede ist es in ganz Leipzig bekannt, daß er auf diesen verzweifelten Entschluß, seine Rede zu machen, nicht eher gefallen, als da man ihm, wegen seiner besondern Verdienste, den siebenten Korb zugeschickt hatte. Wahrhaftig, ein edles paar von Lobrednern, welche mit ihren Zungensünden wohl verdient hätten, durch Urtheil und Recht aneinander verheirathet zu werden!

Welche Ziegeuner und elende Poeten) diesen verwägnen Ausdruck sucht er also zu rechtfertigen:

Ich soll mich verantworten, wie ich es habe wagen können, die elenden Poeten mit den Ziegeunern zu vergleichen. Ich will es thun, mein Herr, ungeachtet ich geglaubt hätte, daß ein flüchtiger Einfall, den man zuweilen in Gesellschaft vertrauter Freunde vorbringt, dergleichen Schutzschrift nicht nöthig hätte.

Meine Meinung ist gar nicht diese gewesen, als wäre zwischen Ziegeunern und elenden Dichtern eine durchgängige Aehnlichkeit. Wenn es aber auch meine Meinung wäre; so sollte ich mir doch getrauen, sie zu vertheidigen. Ein Ziegeuner würde vielleicht eine ganz andre Lebensart erwählen, wenn er zu etwas besserm geschickt wäre; und ein reimender Scribent müßte so gar den Ueberrest desjenigen Verstandes verloren haben, den ihm die erbarmende Natur, wiewohl mit kargen Händen, zugeworfen hat, wenn er so klägliche Schriften verfertigte, wofern er anders im Stande wäre, etwas klügers vorzunehmen. Die Verwunderung, die sich ein Ziegeuner bey dem Pöbel durch sein Wahrsagen zuwege bringt, ist der Verwunderung sehr gleich, die ein Reimer durch seinen betäubenden Witz bey dem lesenden Pöbel erhält. Unter den lesenden Pöbel aber rechne ich Leute von allerley Stande: und wollte man mich gerichtlich anhalten, diese Art von Pöbel genauer zu bestimmen; so könnte es freylich geschehen, daß man Männer in Magister- und Doctorhüten, Männer mit Sternen auf der Brust, Männer in ehrwürdiger Kleidung, darunter anträfe. Was die Räubereyen der Ziegeuner anbelangt; so haben sich meine Poeten gar nicht zu schämen, wenn man auch darinnen viel ähnliches zwischen ihnen und den Ziegeunern zu finden glaubt. Sie plündern eben sowohl als jene. Aber sie plündern ebenfalls nur aus Hungersnoth; und aus Hungersnoth zu rauben, ist, wie bekannt, den bürgerlichen Rechten nach, kein Diebstahl. Sie rauben also nur Berufs wegen!

Ich weis nicht, warum ich mich so gern elender Schriftsteller annehme. Vielleicht geschieht es bloß aus einer allgemeinen Menschenliebe; vielleicht aber kömmt es auch von einigen Vorurtheilen her, die ich noch von meiner ersten Jugend behalten habe, und welche machen, daß ich dergleichen Scribenten nicht ansehen kann, ohne mitleidig gerührt zu werden. »Schreib, mein Sohn, Schreib, und schäme dich nicht. Schreib unermüdet; denn die Natur hat dir gesunde Finger gegeben!« Dieses war der letzte Segen, den mir mein Vater, tröste ihn Gott, er war auch ein Scribent! noch auf seinem Todbette ertheilete. Er verließ mir ein schlechtes Vermögen, es ist wahr; aber diese Vermahnung hat mich so aufgemuntert, daß ich niemals hungrig zu Bette gegangen bin, so lange ich derselben gefolgt habe. Ich schrieb aus allen Leibeskräften, und es gedeihte mir ganz wohl. Seit der Zeit hat sich freylich viel geändert. Ich habe dieses Autorhandwerk niedergelegt. Ich fand Ursachen, welche mir riethen, mich von dergleichen Scribenten abzuziehen; zugleich aber fand ich auch ganz unübersteigliche Hindernisse, ein guter Scribent zu werden; um deswillen schreibe ich, wie Sie, mein Herr, wissen, gar nichts mehr.

Im Ernste zu reden, so ist es eine sehr betrübte Sache um gute Scribenten. Sie lassen sichs blutsauer werden, und doch geht es ihnen nicht von der Hand. Haben sie auch ja ein Werk in ihrer Art zu Stande gebracht; welcher Buchhändler wird so viel wagen, es zu verlegen? Sie müssen noch Geld zugeben, wenn sie ihren Namen gedruckt sehen wollen; und sind sie auch gedruckt, wohl gut! Wie viel finden sie denn Leser? Sehr wenig; oder ich müßte unsre Zeiten gar nicht kennen. Heute Nachmittag gieng ich vors Thor. Ich sah einen großen Zulauf von Leuten, welcher mich bewog, näher hinzugehen. Ich fand einen Mann in der größten Beschäfftigung, seine Päcktchen unter den gewöhnlichen Betheurungen, und mit Berufung auf die erstaunenden Curen, so er gethan, und auf seine vortrefflichen Privilegien, auszutheilen. Kurz, es war ein Marktschreyer. Was für ein Unterscheid, dachte ich bey mir selbst, ist nicht zwischen diesem Marktschreyer, und meinem Arzte in der Stadt, den jeder für einen geschickten, behutsamen und erfahrnen Mann hält, in dessen Vorzimmer aber nicht der zwanzigste Theil der Leute ist, wie bey diesem Quacksalber. Aber woher kömmt das? Er versichert nichts, wovon er nicht überzeugt ist. Er kann sich nicht überwinden, seine Medicamente mit einer etwas zuversichtlichern Miene anzupreisen; er ist zu ehrlich, als daß er andre Aerzte neben sich verkleinern sollte; mit einem Worte, er macht nicht Wind genug, und hat keinen Hanswurst bey sich, welcher den Pöbel unterhalten, und ihm ein Vertrauen zu seinen Arzneyen beybringen kann: Mein Arzt ist ein vernünftiger Mann, und jener Marktschreyer ein Windmacher! Welche Ausschweifung! werden Sie sagen; Von elenden Scribenten auf die Quacksalber zu kommen! Sie haben Recht, mein Herr, es ist allerdings eine Ausschweifung, welche vielleicht nur alsdenn zu entschuldigen seyn würde, wenn zwischen den niederträchtigen und unverschämten Aufschneidereyen, der Unwissenheit und dem gewinnsüchtigen Handwerke dieses Marktschreyers, und zwischen dem Betragen und den Absichten elender Scribenten die geringste Gleichheit wäre. Aber dieses ist freylich nicht, und um deswillen ist meine Ausschweifung gar nicht zu entschuldigen. Es sey darum! ich mag es nicht ausstreichen. In meinen jungen Jahren, als ich noch ein Autor war, wußte ich mich, in dergleichen Fällen, recht leicht zu trösten. Wollte ich gar nichts schreiben, waren damals meine Gedanken, als was sich reimt, und was auf eine vernünftige Weise zusammenhängt; so schriebe ich mich an den Bettelstab, und meinen Verleger ins Hospital. Ungefähr so dachte ich damals: und Sie wissen wohl, daß einem alternden Autor dergleichen Jugendfehler noch immer anhängen. Ich kann Ihnen nicht helfen, mein Herr, Sie müssen alles lesen, was ich geschrieben habe; es mag zusammen klingen, wie es will. Sehen Sie es allenfalls als eine kleine Rache an, daß Sie mich genöthiget haben, meinen Gedanken schriftlich zu vertheidigen. Vielleicht machen Sie künftig nicht so viel Schwierigkeiten, mir auf mein Wort zu glauben.

Und Kohlharts Beyspiel.) Wer Kohlharten auf der neuberischen Bühne spielen sehen, der wird ihm, und wenn er auch ein Franzose wäre, den billigen Ruhm zugestehen müssen, daß ihm nur sehr wenige in der Kunst, die Leidenschaften der Menschen lebhaft und natürlich vorzustellen, beygekommen sind. Hatte er die Rolle des Brutus zu spielen; so vergaß man Kohlharten ganz, und beweinte den Brutus. Und eben dieser, welcher uns heute Thränen abzwang, machte, daß wir den Tag darauf vor Lachen außer uns waren, wenn er den eingebildeten Kranken vorstellte. So bald sich Kohlhart sehen ließ; so bald ward das ganze Theater aufgeweckt. Er war im Stande, durch seine Geschicklichkeit die größten Fehler des Schauspiels zu verdecken. Ja ich glaube beynahe, daß er vermögend gewesen wäre, durch seine verführerische Kunst die elendesten Schauspiele erträglich zu machen. Dieser vortreffliche Kohlhart ward bey zunehmendem Alter durch seine kränklichen Umstände sehr gehindert. Zu manchen Zeiten konnte er gar nicht reden; er erschien nur selten auf der Schaubühne. Nach und nach fieng man an, ihn zu vergesse, und es fehlte nicht viel, daß er nicht noch bey seinem Leben unbekannt geworden wäre. Nur wenig Tage vor seinem Tode habe ich ihn noch auf der Schaubühne gesehen. Seine Brustbeschwerung verhinderte ihn, zu reden; er hatte also nur die Rolle einer stummen Person, und mußte in der Kleidung eines Bedienten den Stuhl einem tragischen Helden zurechte setzen, welcher wegen seiner Ungeschicklichkeit kaum verdiente, auf der reibhandischen Bühne eine stumme Person vorzustellen. Ich schäme mich nicht, zu gestehen, daß ich mich kaum der Thränen enthalten konnte, als ich unsern Kohlhart in dieser geringen und unedlen Beschäfftigung erblickte: So bald er den Stuhl hingesetzt hatte, trat er ab. Ich sah ihm mitleidig nach, und in dem ganzen Trauerspiele schien mir dieser Auftritt der traurigste zu seyn. Wenig Tage darauf starb er. Kaum erfuhr ich seinen Tod, als mir alle diese Umstände aufs lebhafteste wieder beyfielen. Dieser Mann, dachte ich bey mir selbst, welcher in seinen jüngern Jahren das Händeklatschen des Parterre, und die Bewunderung der Logen erregte; dieser kommt bey zunehmendem Alter so weit herunter, daß er, als er das letztemal in seinem Leben sich auf der Schaubühne zeigte, eine stumme Person, und eine so gleichgültige Handlung vorstellen muß, in der er von dem wenigsten Theile der Zuschauer bemerkt worden ist. Dieser Gedanke bekräftigte bey mir die Wahrheit des bekannten Satzes! daß die ganze Welt eine Schaubühne sey. Wie mancher Staatsminister, welcher die Bewunderung und die Schmeicheleyen des ganzen Volks erzwingt, wird vor seinem Ende so weit gebracht, daß man ihn, da er noch lebt, schon vergißt, und oft sieht er sich gezwungen, als Greis mit einer ehrerbietigen Miene unter dem geschwätzigen Pöbel der Bedienten in der Antichambre desjenigen aufzuwarten, welcher im vorigen Jahre bloß durch seine gnädige Vermittelung aus dem Staube erhoben worden ist.

Ich habe nicht nöthig, bloß am Hofe diese Aehnlichkeit zu suchen; ich finde sie auch in andern Ständen. Es wird kaum vierzig Jahr seyn, daß Climene die Königinn aller zärtlichen Herzen war. Niemand hieß damals galant, der nicht um Climenen seufzete, und alle junge Herrchen unsrer Stadt flatterten um diese Schöne herum. Verschiedne, welche sich für viel zu witzig hielten, als daß sie den Gottesdienst besuchen sollten, besuchten ihn doch; aber nur um Climenens willen. Wie flüchtig ist doch der Ruhm der Menschen! Am Sonntage sah ich diese vergötterte Climene ganz gebückt aus der Kirche schleichen. Ihre Runzeln verriethen ihr Schicksal. Es begegneten ihr verschiedne junge Stutzer, deren Väter vor vierzig Jahren über ihre Unempfindlichkeit beynahe verzweifelt wären. Und itzt konnten sich die muthwilligen Söhne dieser zärtlichen Väter kaum entschließen, der veralteten Climene aus dem Wege zu treten. Sie würden sie, glaube ich, gar nicht wahrgenommen haben, wenn nicht ein großes Gebetbuch, das sie unter ihrem zitternden Arme trug, sie aufmerksam, und ihren leichtsinnigen Witz munter gemacht hätte.

Haben viele unsrer Gelehrten wohl ein beßres Schicksal zu erwarten? Ich glaube es nicht. Der Ruhm der Gelehrten ist beynahe noch vergänglicher, als die Vergötterung der Schönen; denn die Gelehrsamkeit ändert die Moden fast noch öfter als das Frauenzimmer. Systemata der verschiednen Disciplinen, die vor wenig Jahren auf hohen Schulen bewundert wurden, sind itzt lächerlich. Dichter, welche nicht sicher auf der Straße gehen konnten, ohne von Buchhändlern und Kaufmannsdienern bewundert zu werden: diese gedemüthigten Dichter können nunmehr auf öffentlichem Markte ganz ungestöhrt hin und wieder gehen, man sieht sie nicht mehr, man hat sie vergessen; und wollen sie nicht gar verhungern, so müssen sie sich der sparsamen Großmuth eines Buchdruckers überlassen, welcher sie als Corrector in seiner Druckerey ernährt. So kläglich war doch Kohlharts Schicksal noch nicht!

Wie wird es mir einmal gehen! Da mich der Himmel verdammt hat, ein Autor zu seyn; so wünsche ich mir von ihm nur dieses, daß er mich nicht länger leben läßt, als meine Schriften. Habe ich auf der Schaubühne der gelehrten Welt die Thorheiten der Menschen vorstellen müssen; habe ich dieses mit einigem Beyfalle gethan! O! so wünsche ich mir, daß der Vorhang bald niedergelassen werde, indem ich noch spiele. Wie vergnügt will ich abtreten, wenn ich noch bey der letzten Rolle das Plaudite dem gründlichen Geschmacke witziger Kenner fodern darf! Aber, o Himmel, ist mir auch Kohlharts trauriges Schicksal bestimmt; so gieb mir nur auch einen vernünftigen Freund, der mich so bedauert, wie ich Kohlharten bedauert habe!

Conata lacessere Teucros) Die Verdienste, welche sich dieses Frauenzimmer in der gelehrten Welt erworben, sind so wesentlich und so wichtig, daß ich nicht begreifen kann, warum es sich durch eine solche Befehdung, und durch die Vorrechte ihres Geschlechts zu vertheidigen gesucht hat. Mir scheint es wenigstens, daß sie nicht die beste Art gewählt habe, mit welcher sie ihr Misvergnügen über das unfreundliche Bezeigen eines ihrer Gegner ausdrücken, und die Leser überführen will, daß man sich an ihr versündigt habe. »Die Hochachtung, schreibt sie, welche man unserm Geschlechte schuldig ist, ist zu allen Zeiten unter gesitteten Völkern für etwas so unverbrüchliches gehalten worden, daß ich hoffe, man werde diese Verletzung derselben gegen eine Person, die solches auf keinerley Weise verdient hat, nicht mit gleichgültigen Augen ansehen.« Wer die kleinen Balgereyen schon weis, welche seit einiger Zeit zwischen den witzigen Köpfen vorgefallen sind, der wird es zufrieden seyn, daß ich die eigentlichen Umstände dieser gelehrten Mordgeschichte hier nicht anführe; und wer sie nicht weis, der kann sich allenfalls trösten, wenn ihm eine solche Kleinigkeit noch ferner unbekannt bleibt. Ich bin hierinnen ganz unparteyisch, und so wenig Vergnügen ich über die Aufführung ihres Gegners empfunden, welches sie ein ungezognes Verfahren nennen will: So überflüßig würde es auch seyn, die Vertheidigung ihrer Sache zu übernehmen, da man aus ihrer Vorrede wohl sieht, daß sie selbst Muth genug hat, sich mit dem Natur- und Völkerrechte zu wehren, und eine Sprache zu führen, von welcher eine gewisse Art unsrer heutigen Kunstrichter selbst gestehen wird, daß sie männlich genug sey. Meine Gedanken, welche ich bey Lesung dieser Vorrede gehabt, sind ungefähr diese:

Auch ich habe für das Frauenzimmer alle billige Hochachtung; es klingt mir aber ein wenig zu hart, wenn ein Frauenzimmer diese Hochachtung selbst verlangt, und sich auf die ruhige Posseß bezieht, in welcher sie und ihre Vorfahren seit hundert und mehr Jahren gewesen sind.

Da unsre Verfasserinn bey dieser ganzen Streitigkeit, nicht bloß als ein Frauenzimmer, sondern als eine Scribentinn anzusehen ist; so hat sie um so viel weniger Ursache, sich auf diese wohl hergebrachte Hochachtung zu steifen, welche sie von uns aus rühmlichern Gründen verlangen kann. Ein gelehrtes Frauenzimmer kann diese weiter nicht fodern, als eine gelehrte Mannsperson. Beyde können unsre Hochachtung erlangen, wenn ihre Gelehrsamkeit und ihr Witz solche verdienen. Ist dieses nicht; so habe ich schon genug gethan, wenn ich ihnen nicht unhöflich begegne, und ich muß das Recht haben, auf die gelehrten Eitelkeiten und Fehler eines schreibenden Frauenzimmers mit eben der Bitterkeit loszugehen, welche man in gleichem Falle, wider die Scribenten männlichen Geschlechts ohne Beleidigung des Wohlstandes brauchen darf.

In meinen Augen verdient kein Stand mehr Ehrfurcht und Hochachtung, als der Stand der Geistlichen. So bald sich aber ein Geistlicher auf eine unglückliche Art unter die Schriftsteller mengt, und durch sein Exempel den alten und wahren Satz bekräftigt, daß ein ehrwürdiger Mann gar wohl ein elender Autor seyn könne: so bald vergesse ich den Priester, und lache über den Schmierer. Wie unzeitig würde der Eifer seyn, wenn mich dieser Mann um deswillen verketzern, und sagen wollte: ich hätte die Hochachtung beleidigt, welche man seinem Amte nach den göttlichen und weltlichen Rechten schuldig sey, und welche unter allen Völkern für etwas so unverbrüchliches gehalten worden?

Ich befürchte, der Witz dürfte dadurch sehr viel leiden, wenn wir die Galanterie so hoch treiben, und die Fehler einer Scribentinn dulden, oder gar bewundern wollten, bloß darum, weil sie von den Händen eines Frauenzimmers kamen. Wir haben bereits unter unsern Mannspersonen eine so große Menge erbärmlicher Schriftsteller, daß es sehr unverantwortlich seyn würde, auch die andre Hälfte des menschlichen Geschlechts mit dieser Autorseuche zu verwahrlosen. Ich wünschte wohl, daß alle Frauenzimmer einen Geschmack an den schönen Wissenschaften fänden; aber das wolle der Himmel nicht, daß alle Frauenzimmer dasjenige prächtig drucken lassen, was sie mittelmäßig gedacht haben! Ihren Freunden mögen sie es vorlesen, und ich werde es selbst mit Vergnügen anhören, wenn es gleich hin und wieder fehlerhaft ist; nur gedruckt mag ich es nicht sehen. Diejenige unumschränkte Gewalt, welche wir dem Frauenzimmer aus Höflichkeit und Hochachtung an ihrem Nachttische zugestehen, diese hört gleich auf, so bald wir einander in dem Buchladen antreffen. Sie sey witzig, sie suche ihren Geschmack auszubessern, sie schreibe, um ihren Verstand zu schärfen: aber sie schreibe nur für sich, nicht für die Welt, ohne ihre Kräfte vorher wohl zu prüfen. Thut sie es aber doch, so behalte ich mir vor, mit nächstem ein Kochbuch zu schreiben; und wollte das Frauenzimmer anfangen über mein Kochbuch zu spotten, da ich wirklich ein sehr schlechter Koch bin, so hoffe ich, die gesitteten Völker werden diese Verletzung der Herrschaft, welche dem Mannsvolke zu allen Zeiten eigen gewesen ist, und die Beleidigung einer Person, die solches auf keinerley Weise verdient hat, nicht mit gleichgültigen Augen ansehen.

Ein Frauenzimmer, welches vor ihre Schriften ihr Kupferbild setzt, oder in der Vorrede deswegen um Pardon ruft, weil sie ein Frauenzimmer ist, verräth entweder böses Gewissen und die Ungerechtigkeit ihrer Sache, oder glaubt, daß die Kunstrichter voll Leidenschaften, und eben so wohl zu blenden sind, als die Richter der Phryne, welche ihren Rechtshandel verspielt haben würde, wenn sie nicht den Schleyer zurückgeschlagen hätte.

Aus dem, was ich bisher angeführt habe, wird man urtheilen können, wie es billig sey, einem Frauenzimmer kein Quartier zu geben, welches sich in gelehrte Streitigkeiten mengt, und für eine ungerechte, oder doch zweifelhafte Sache, mit zu vieler Hitze und einer männlichen Wuth kämpft. Ich habe noch keinen Scholiasten gefunden, welcher den Aruns für ungesittet oder für ungezogen gehalten, daß er Camillen im Treffen verfolgt, und ihrem Würgen Einhalt gethan. Sie wagte sich unter das Heer streitender Männer, und die Götter erhörten den Aruns, welcher unbekannt zu sterben wünschte, wenn er nur durch den Sieg über die kriegrische Camilla den Tod seiner Landsleute rächen könnte. Ich zweifle nicht, Aruns würde bey einer andern Gelegenheit der Camilla mit aller der Galanterie begegnet haben, welche den Trojanern eigen war; aber hier erblickte er seine Feindinn, und begegnete ihr, als einem Feinde. Ein Frauenzimmer, welches sich in den Krieg der Kunstrichter mischt, wagt viel, und begiebt sich selbst der Rechte, die außerdem ein Frauenzimmer hat.

– – Graditur bellum ad crudele – –
– – et nostris nequicquam cingitur armis
Cara mihi ante alias – –
– – Vellem, haud correpta fuisset
Militia tali, conata lacessere Tuectos.

Nisi quod sit dictum prius.) Ich will die Gewohnheit eben nicht tadeln, welche einige unsrer Gelehrten an sich haben, wenn sie ihre Schriften durch die Sentenzen alter und neuer Autoren ausputzen; aber dieses würde ich doch gern sehen, wenn sie damit etwas sparsamer umgiengen, als die meisten zu thun pflegen. Ich finde zwischen dergleichen Schriften und unsern Lustgärten in diesem Stücke eine ziemliche Aehnlichkeit. Es ist dem Gesichte angenehm, wenn man in denselben einige wohlgearbeitete Statuen erblickt; nur müssen deren nicht gar zu viel seyn, wenn der Garten nicht das Ansehen eines Bildersaals gewinnen soll. Es kann auch daraus für den Gärtner noch dieser empfindliche Schaden erwachsen, daß man sich bloß mit Betrachtung der Statuen beschäfftigen, und auf den Garten entweder seine Aufmerksamkeit gar nicht richten, oder doch ziemlich gleichgültig dabey seyn würde. Wo ich mich nicht sehr irre; so läuft ein Schriftsteller bey seinem Werke eine gleiche Gefahr. Wenn ich auf einer jedweden Seite eine, auch mehrere, Sentenzen der Alten und Neuern finde, so wird mich dieses so zerstreuen, daß ich den Spruch des Horaz bewundern, und meinen Autor darüber vergessen werde; oder vergesse ich ihn auch nicht gänzlich: so wird er doch meine Aufmerksamkeit mit dem Horaz theilen müssen, die er sonst ganz zu fodern hätte. Zu geschweige, daß es bey vielen eine große Unbedachtsamkeit verräth, wenn sie den Leser zu oft an den Witz der Alten und Neuern Gelehrten erinnern. Sie verwöhnen ihn dadurch, und machen, daß er lauter gleich witzige Sachen von ihnen verlangt. Ist der Verfasser nicht im Stande, seinen Leser mit dergleichen beständig zu unterhalten; so wird er es demselben auch nicht verargen können, wenn ihm seine Schrift ekelhaft wird. Ich habe heute Nachmittags ein Frauenzimmer besucht, welche zwar nicht schön, aber doch noch ganz leidlich häßlich ist. Sie hatte den Fehler begangen, verschiedne andre Frauenzimmer zu sich zu bitten, welche schön waren, daß sie meine Aufmerksamkeit, und die Bewunderung aller andern Mannspersonen, erweckten. Wir vergaßen uns so weit, daß wir uns nur mit diesen Schönen beschäfftigten, und an unsre nicht so schöne Wirthin beynahe gar nicht dachten. Gegen diese bezeugten wir nichts, als nur die allgemeinen und nöthigsten Höflichkeiten, deren wir ohne Beleidigung des Wohlstandes nicht überhoben seyn konnten. Es war ein Fehler von uns, ich will es nicht läugnen; aber, es war auch ein großer Fehler von unserer Wirthinn, daß sie uns in eine Gesellschaft brachte, welche angenehmer, und reizender war, als ihre Person.

Die Anmerkung, die ich hier gemacht habe, gehört nur für diejenigen Scribenten, welche gut, oder doch noch ziemlich gut sind. Es würde mir sehr leid seyn, wenn sich die elenden Scribenten darnach richten wollten. Aus Liebe zu mir und zu allen Lesern, will ich ihnen von ganzem Herzen anrathen, daß sie allemal über die dritte Zeile den Homer, den Horaz, den Boileau, den Hagedorn, und alle Schriftsteller, die anders sind, als sie, anführen. Sie werden ihre Werke dadurch noch erträglich machen, und die Käufer haben Gelegenheit, wegen ihres aufgewandten Geldes sich desto mehr zu beruhigen. Ja was noch mehr ist, sie locken vielleicht dadurch, ihre Schriften zu lesen, viele an, welche außerdem so viel Selbstverläugnung wohl nicht haben werden, dieses zu thun. Alsdann geht es dergleichen Lesern, wie den Liebhabern der Alterthümer, welche in den betrübtesten Wüsteneyen, und mitten unter altem Schutte sich mit dem größten Vergnügen aufhalten können, weil sie noch hin und wieder den prächtigen Rest der alten Baukunst zu bewundern Gelegenheit finden.

Und seine Vorreden schloß er niemals, ohne zu seufzen, zu schimpfen, und zu drohen.) Bey dieser Gelegenheit muß ich zum Schlusse noch dieses erinnern, daß künftig bey meinem Verleger eine Schrift in Octav, zwey Alphabete, sechs Bogen stark, zu bekommen seyn wird, welche den Titel führt: »Abgenöthigte Vertheidigung wider verschiedne parteyische und abgeschmackte Einwürfe und Kritiken, in möglichster Kürze, auf Ansuchen vieler Freunde entworfen, und ans Licht gestellt, durch Hinkmarn von Repkow.« Es giebt Leute, welche Schriften tadeln, die sie nicht verstehen, und auch niemals gelesen haben. Das Beyspiel dieser großen Männer hat mich aufgemuntert, merkwürdige Streitschriften im Voraus zu verfertigen, und Gegner lächerlich zu machen, die ich nicht kenne, und von denen ich noch weniger weis, was sie wider gegenwärtige Abhandlung zu erinnern haben dürften. Es thut dieses zur Sache nichts. Wer mich tadeln will, der ist nicht meiner Meinung; und wer nicht meiner Meinung ist, den bin ich, als ein Gelehrter, wohl befugt, nach äußerstem Vermögen zu verunglimpfen. Ich werde die Namen meiner zukünftigen Feinde nach alphabetischer Ordnung im Anhange mit beydrucken lassen, und wer unter den Herren Gelehrten mich schimpfen will, der wird die Gütigkeit haben, seine Werke noch vor künftiger Frankfurter Messe gegen Erhaltung eines Exemplars der abgenöthigten Vertheidigung postfrey einzusenden.

Ich weis es wohl, es wird dadurch in der gelehrten Welt ein heftiges Feuer entstehen; aber ich kann mir nicht helfen. Mein Verleger hat mich gebeten, zu schreiben; ich kriege meine Mühe redlich bezahlt. Schriebe ich nicht; so würde ich der ungesundeste Mensch von der Welt seyn. Auf diese Art aber werde ich noch mehr bekannt, ich werde unsterblich; kurz, ich muß schreiben, denn ich schreibe, wie alle meine Collegen, aus Liebe zur Wahrheit.


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