Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Hochzuehrender Herr Professor.

Meine Jungen wachsen heran, und es ist nun Zeit, daß ich ihnen einen gescheiden Hofmeister halte. Bißher habe ich den Schulmeister lassen zu ihnen gehen; aber er kann sie nicht mehr bändigen. Ich weis, in welchem Ansehen Sie in Leipzig stehen, und daß Ihr Vorzimmer beständig von solchen krumm gebückten Creaturen voll ist, welche Hofmeisterstellen, oder Informationes suchen. Lesen Sie mir einen hübschen gesunden Kerl aus. Sie wissen es selbst, daß bey mir weder Menschen noch Vieh Noth leiden. Fritze, der älteste, ist ein durchtriebner Schelm. Er hat einen offenen Kopf, und ist auf die Mägde, wie ein kleiner Teufel; ich darf es den Buben nicht merken lassen, daß ich ihn lieb habe; der leichtfertige Schelm! Er ist noch nicht vierzehn Jahr alt, und hat in humanioris gar feine principio. Ferdinand ist meiner Frau ihr Junge. Er ist immer kränklich, und das geringste Aergerniß kann ihm schaden. Das gute Kind will mit lauter Liebe gezogen seyn, und meine Frau hat schon zween Bediente weggejagt, die ihm unfreundlich begegnet haben. Das älteste Mädchen ist zwölf Jahre. Sie soll noch ein bißchen Catechissen lernen, und hernach will ich dem kleinen Nickel einen Mann geben, der mag sehen, wie er mit ihr zurechte kömmt. Mit dem kleinen Mädchen hat der Hofmeister gar nichts zu thun, die behält die Mamsel bey sich. Sehn Sie nun, Herr Professor, das ist die Arbeit alle. Ich werde Ihnen sehr verbunden seyn, wenn Sie mir einen hübschen Menschen vorschlagen. Ich verlange weiter nichts von ihm, als daß er gut Latein versteht, sich in Wäsche und Kleidung reinlich und sauber hält; Französisch und Italiänisch sprechen kann, eine schöne Hand schreibt, die Mathemathik versteht, Verse macht, soviel man fürs Haus braucht, tanzen, fechten und reiten kann, und wo möglich ein wenig zeichnet. In der Historie muß er auch gut beschlagen seyn, vor allen Dingen aber in der Wapenkunst. Ist er schon auf Reisen gewesen, desto besser. Aber er muß sich gefallen lassen, bey mir auf meinem Gute zu bleiben, und sich wenigstens auf sechs Jahre bey mir zu vermiethen. Dafür soll er bey meinen Kindern auf der Stube freye Wohnung haben, mit dem Kammerdiener essen, und jährlich 50 Gulden bekommen. Zum heiligen Christe und zur Messe gebe ich nichts; dergleichen Betteleyen kann ich nicht leiden. Sind die sechs Jahre um; so kann er in Gottes Namen hingehen, wohin er will. Ich will ihn sodann an seinem Glücke nicht hindern. Mich dünkt, die Vorschläge sind ganz billig. Hat der Mensch Lust zur Wirthschaft, so kann er meinem Verwalter mit an die Hand gehen. Es wird sein Schade nicht seyn, denn er weis doch nicht, wozu ers einmal brauchen kann. Ich werde für Ihre Bemühung erkenntlich seyn, und bin,

Hochzuehrender Herr Professor,
Ihr                        

dienstbereitwilligster
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