Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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»Das wären also einige Proben, wie man einen gewinnsüchtigen Richter mit Geld zahm machen soll. Allemal aber geht das nicht an. Es giebt unter ihnen Leute, welche von ihrer Pflicht so enge Begriffe haben, daß man ihnen, ungeachtet aller nur möglichen Behutsamkeit, dennoch kein baares Geld anbieten darf, ohne sie zu beleidigen, und uns ihrer bittersten Empfindlichkeit auszusetzen. Um deswillen ist es sehr nöthig, daß man die Denkungsart eines jeden Richters wohl prüfet, ehe man hier einen Schritt wagt. Nimmt der Richter kein baares Geld, so bleiben doch noch hundert Wege übrig, seine theure Pflicht zu überraschen. Ich kenne einen Mann, welcher sich gewiß sehr unbändig anstellen würde, wenn man ihm ansinnen wollte, funfzig Thaler zu nehmen; und eben diesen gewissenhaften Mann will ich mit einem halben Eymer Wein weiter bringen, als einen weniger gewissenhaften Richter mit funfzig Thalern. Nur das baare Geld hat ein so verhaßtes Ansehen, und viele sind ihrer Muttersprache so wenig mächtig, daß sie glauben, das Wort, sich bestechen lassen, werde nur in dem Falle gebraucht, wo ein Richter baares Geld annimmt. Man mache sich die Unwissenheit zu Nutze. Es ist aber nöthig, daß solches mit eben der Vorsicht geschehe, die ich in den vorhergehenden mit vieler Sorgfalt angerathen habe. Ein geschickter Client muß so erfindsam seyn, daß er für ein jedes Geschenk einen anständigen Vorwand hat. Damit meine Abhandlung auch in diesem Falle praktisch werde, so will ich einige Exempel mittheilen. Ich habe oben einen Brief eingerückt, wo der Beklagte die Austern seines Klägers mit einem Feuillet Burgunderwein überboten hat. Ich will dieses Thema noch einmal annehmen.«

 

Hochgeehrter Herr Kammerrath,

Mein Freund in Straßburg hat etliche Piecen Burgunderwein an mich spedirt, und gebeten, ihm einen Kaufmann dazu zu verschaffen. Ich schicke Ihnen hier zur Probe ein Feuillet, weil ich weis, daß Sie ein Kenner sind; Sie werden finden, daß er sehr gut ist. Haben Sie die Gütigkeit und trinken ihn auf meine Gesundheit. Können Sie jemanden erfahren, der eine Partie davon kaufen will, so werden Sie meinen Freund und mich Ihnen ungemein verbinden. Ich habe von einem sichern Freunde aus Hamburg ein paar Fäßchen Austern bekommen; sie sind aber bey itziger warmen Witterung so schlecht, daß ich mich schämen muß, Ihnen mit so elendem Zeuge aufzuwarten. Es ist mir nicht allein, sondern allen Kaufleuten so gegangen, die mit der letztern Post Austern erhalten haben. Ich erwarte künftige Neujahrsmesse etliche Körbe Champagner, etwas extra feines. Ich bin,

Hochzuehrender Herr Kammerrath,
Deren

ergebenster Diener.
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N. S. Wie steht es denn mit dem Processe? Mein Advocat ist gar zu saumselig. Nehmen Sie sich meiner an, so viel billig ist.


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