Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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»Ich will meine Leser nicht fragen, was sie in dem Falle thun würden, wenn sie an des Richters Stelle wären, und dergleichen Briefe erhielten, wie diejenigen sind, die ich hier angeführet habe. Ich wenigstens würde mich sehr leicht entschließen, und wenn ich einen noch so starken Trieb empfände, mich bestechen zu lassen, so würde ich mir bey einem dergleichen unvorsichtigen Antrage doch Gewalt anthun, und Wiese, und Wein, und Geld, mit einer gerechtigkeitliebenden, und unparteyischen Miene verachten, um meinen guten Namen zu retten, und bey einer bessern Gelegenheit noch einmal so viel zu verdienen. Ein vernünftiger Client, er habe nun eine gerechte oder ungerechte Sache, wird weit behutsamer gehn, und seinen Zweck auch weit eher erlangen. Die Leidenschaften der Richter sind wie die Leidenschaften andrer Menschen. Den Beyfall eines dummen Mäcenaten werde ich mir nicht leichter erwerben, als wenn ich von der Bewunderung rede, zu der sein Verstand alle Welt zwingt. Keine Verführungen sind dem Frauenzimmer gefährlicher, als wenn man ihnen von dem Werthe ihrer Tugenden, von ihrer edlen Grausamkeit, und von unsern unsträflichen und ehrliebenden Absichten vorprediget. Ein eigennütziger, und parteyischer Richter nimmt unser Lob mit offnem Munde an, wenn wir ihm mit der Hochachtung schmeicheln, die eine vorgegebene Billigkeit und Unparteylichkeit verdienen. Er fühlt es zwar, daß wir nicht wahr reden; unsre Unwahrheit aber thut ihm so wohl, daß er sich Mühe giebt, zu glauben, es sey unser Ernst, daß er sich nach und nach selbst zu bereden sucht, er sey wirklich der billige, und unparteyische Mann, von dem wir reden. Er sinnt bey sich auf eine Entschuldigung, wie er das Verfahren rechtfertigen könne, wenn er unser Geschenk annehmen wollte. Er sieht, daß es weniger verdächtig seyn würde, wenn unsre Sache gerecht wäre; er giebt sich also Mühe, unsre Sache gerecht zu finden. Er wendet sie so lange von einer Seite zur andern, bis er eine gute Seite findet; an diese hält er sich. Er entschuldiget die verdächtige Seite, er bearbeitet sich endlich, zu glauben, daß unsre ganze Sache gerecht sey, und erfreut sich über diese Entdeckung. Nunmehr macht er sich ein Gewissen daraus, unsre gerechte Sache unvertheidiget zu lassen. Seine theure Amtspflicht ist nun die vornehmste Triebfeder, die ihn nöthigt, sich unsrer anzunehmen; die Geschenke aber sind ein ganz kleiner Nebenumstand, den er aus lauter Begierde zur Gerechtigkeit schon anfängt zu vergessen. Wenigstens sieht er es nur als eine kleine Erkenntlichkeit an, die wir seiner Unparteylichkeit schuldig sind, und die er ohne Bedenken annehmen kann, weil unsre Sache allein die gerechte Sache ist. Wie viel haben wir gewonnen, wenn wir unsern Richter so weit bringen können, daß er sich Mühe giebt, sich selbst zu betrügen; daß er vergißt, er sey bestochen: Wie nachdrücklich wird er uns unterstützen, wenn er uns mit einer innerlichen Ueberzeugung unterstützt! Würden wir diesen grossen Endzweck wohl erlangt haben, wenn wir ihn nicht kunstmäßig bestochen hätten?

»Damit es meinen Lesern bey dieser so unentbehrlichen Wissenschaft nicht an Exempeln fehle, so will ich deren ein paar hier einrücken. Es wird sie ein Jedweder nach seinen Umständen einzurichten, und zu verändern wissen.«

 

Mein Herr,

Ich empfinde das Unglück, welches alle redliche Vormünder empfinden, wenn sie undankbare Mündel heran gezogen haben. Ich habe mir wegen meines jungen Vetters weder eine Unachtsamkeit, noch einige Untreue vorzuwerfen; ich habe sein Vermögen redlich, wenigstens so gut, als das meine, besorgt. Desto mehr muß es mich kränken, da ich erfahre, daß dieser junge unbesonnene Mensch bey Ihren Gerichten Klage wider mich erhoben hat. Durch einen Zufall, den ich nicht habe vermeiden können, sind ein grosser Theil meiner Privatrechnungen verlohren gegangen, durch welche ich meine Unschuld darthun, und den muthwilligen Zunöthigungen meines Mündels vorbeugen könnte. Es würde mich dieses unruhig machen, wenn ich mit einem andern Richter zu thun hätte, als mit Ihnen, mein Herr. Wie glücklich bin ich, da ich weis, daß mein guter Name, meine zeitliche Ruhe, von der weisen Einsicht eines Mannes abhänget, welcher sich seit vielen Jahren den Ruhm verdienet hat, daß er der gerechteste Mann sey! Sie wissen es, mein Herr, und Sie haben die traurigste Erfahrung selbst gehabt, wie empfindlich es einem rechtschaffenen Vormunde sey, dergleichen undankbare Vorwürfe von der ausschweifenden Jugend anzuhören. Erinnern Sie Sich einmal dieser Erfahrung und haben Sie Mitleid mit mir. Eine nachdrückliche Zuredung von Ihnen wird diesen jungen Menschen, der von Natur nicht boshaft, sondern nur verführt ist, gar leicht wieder in Ordnung bringen. Sein Advocat wird sich seines Unternehmens schämen müssen, wenn er aus Ihren Vorstellungen sieht, daß Sie, mein Herr, sein Beginnen verabscheuen. Sie werden mich hierdurch mit einemmale aus einer Unruhe reissen, welche mich viele Jahre hindurch beängstigen, und mir viel Unkosten verursachen könnte. Viele hundert Thaler würden kaum zureichend seyn, mich eines Anspruchs zu entschütten, welcher mir durch den Verlust meiner Rechnungen sehr gefährlich wird. Es ist nichts billiger, als daß ich Ihnen eine kleine Versicherung meiner Erkenntlichkeit gebe. Da ich durch Ihre gütige und vielvermögende Vermittelung so viel hundert Thaler ersparen kann, so sind beyliegende zweyhundert Thaler nur ein geringer Anfang derjenigen Schuld, die ich abzutragen mir vorgenommen habe. Ich beschwöre Sie bey Ihrer Amtspflicht, bey Ihrer Begierde, unrechtleidenden Personen beyzuspringen, bey dem Ruhme, den Sie sich bey aller Welt erworben haben, daß Sie ein Feind aller ungerechten Bedrängungen und kostbaren Rechtshändel sind, bey der Hochachtung, die ich und die ganze Stadt für Sie hege, beschwöre ich Sie, betrüben Sie mich dadurch nicht, daß Sie dieser meiner guten Absicht eine unrechte Deutung geben. Sehen Sie diese Kleinigkeiten nicht als etwas an, das mir gehört; sehn Sie es vielmehr als einen Theil desjenigen an, was Sie durch Ihre Bemühung den Klauen meines ungerechten Gegners entreissen. Dieser unbillige Mensch würde mir es mit Gewalt abgepreßt haben. Muß ich mich also nicht freuen, wenn ich es in den Händen eines rechtschaffenen Mannes wissen kann, welcher es nur anwendet, das Armuth zu unterstützen, und unrechtleidenden Personen beyzuspringen? Nehmen Sie es zu diesem großen Endzwecke an; glauben Sie, daß niemand so begierig ist, erkenntlich zu seyn, als ich es bin; retten Sie mich aus den Händen eines eigennützigen Gegners, und ersparen Sie einem jungen unbesonnenen Menschen die Schande der Undankbarkeit. Hemmen Sie diesen Rechtshandel, oder zum mindesten helfen Sie mir ohne Weitläuftigkeit zu dem Rechte, das ich habe, und doch schwer beweisen kann. Von einem so erfahrnen, gelehrten, und rechtschaffnen Manne, als Sie sind, mein Herr, ist dieses noch das wenigste, was ich erwarten kann. Von mir erwarten Sie Hochachtung und Dankbarkeit, so lange ich lebe. Ich bin,

Mein Herr &c.

Der Ihrige.


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