Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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»Ich könnte noch viel andere Exempel anführen, wie man seine Geschenke an den Richter bringen müsse, ohne den Wohlstand zu beleidigen. Aber dieses mag inzwischen genug seyn, weil ich itzt nicht Willens habe, eine weitläuftige Abhandlung, sondern nur einen Versuch von der Kunst zu bestechen zu schreiben.

»Ich wollte wünschen, daß ich gewisse Regeln geben könnte, wie eigentlich das Verhältniß zwischen der Sache, um derentwillen man den Richter besticht, und zwischen dem Geschenke seyn müsse. Es ist aber sehr schwer etwas zuverläßiges davon anzugeben, weil die Personen des Richters und des Clienten oft ein andres Verhältniß ausmachen, und weil noch öfter darauf gesehen werden muß, wie verzweifelt unsre Sache schon ist, die wir retten wollen.

»Die Hauptregel ist wohl diese, daß man lieber zu viel als zu wenig, thue. Bey einem Richter, der nicht gar zu niederträchtig ist, muß wenigstens fünf pro Cent von dem Werthe der Sache gerechnet werden, die wir erlangen, oder retten wollen. Bey einem hungrigen Richter kann man auch wohl weniger thun. Kleinigkeiten sind von Zeit zu Zeit nöthig, um uns bey dem Richter in gutem Andenken zu erhalten; aber man muß sie oft wiederholen, und sich nicht zu sehr darauf verlassen. Wie auf dem Lande alles wohlfeiler ist, als in grossen Städten, so ist es auch mit der Gerechtigkeit. Man hat mir einen Gerichtsverwalter genannt, welcher sich mit einer Kanne Butter blind machen läßt; bey uns ist kaum ein Faß zureichend.

»Weil ich einmal auf die Bestechung von Viktualien komme, so will ich eine ungefähre Taxordnung machen, wie man sich dabey zu verhalten hat.

»Wir wollen voraussetzen, der Besitzer eines mittelmäßigen Landgutes von zwölf tausend Thalern wird in Anspruch genommen, daß er solches durch ein falsches Testament an sich gebracht habe. Damit man nun eine Mitteltaxe nehmen darf, so soll der Proceß in einer kleinen Stadt anhängig seyn. Ich setze auch voraus, daß des Beklagten Sache ziemlich ungerecht sey. Auf diese bestimmten Fälle würde ich die Taxordnung etwa so einrichten:

»1) Bey Insinuation der Klage, dem Amtsboten einen halben Gulden, und ein Glas Branntwein. Es ist bekannt, wieviel Einfluß vielmals der kleinste Diener der Gerechtigkeit in einer Sache hat.

»2) Bey der Litiscontestation, der Frau Amtmannin einen Scheffel Weizen, einen Truthahn, und einen Schinken.

»3) Binnen der Zeit, als rechtlich verfahren wird, erhält man den Richter durch verschiedene kleine Gefälligkeiten in der Aufmerksamkeit. Man richtet sich nach der Jahrszeit; der mittlere Preis ist eines Gulden Werth.

»Nota bene! Den Gerichtsactuar nicht zu vergessen!

»4) Bey Versendung der Acten zum Verspruche Rechtens würde ich höchstens ein paar Scheffel Haber, und mehr nicht geben. Es kömmt dabey auf den Unterrichter so gar viel nicht an, und dennoch muß man ihn im Odem erhalten.

»5) Bis zum Gegenbeweise, wie Num. 3.

»6) Aber nun geht das Opfern an! Den Gegenbeweis lege man einem fettgemästeten Ochsen zwischen die Hörner. Man müßte mit einem Heiden zu thun haben, wenn ihm bey diesem Anblicke das Herz nicht brechen sollte.

»7) Der größte Vortheil besteht im Zeugenverhören. Außerdem daß ein Beklagter seine Zeugen noch vor dem Termine gehörig zuzurichten wissen muß, so ist nöthig, daß man demjenigen, der die Zeugen vernehmen soll, die Zunge wohl löse. Niemand, als wer eine gute Kenntniß der praktischen Rechte hat, kann wissen, wie viel bey einer vortheilhaften Zeugenaussage auf eine vortheilhafte Frage ankomme. Pecuniam in tempore negligere, maxima sæpe parsimonia est, oder, wie es im Deutschen lautet, hier bekömmt der Amtmann soviel Getreide, daß er noch einen Ochsen mästen kann, und Butter in Menge. Derjenige, welcher zunächst unter ihm arbeitet, erhält ein Bällchen feine Leinwand; der dritte in der Reihe, dergleichen, etwas schlechter; und alle Schreiber, wie sie folgen, bekommen ihren Antheil von der Beute.

»8) Bey dem Verfahren, wie bey der dritten Nummer; aber doppelte Dosin. Inzwischen wird zum Urtheil beschlossen. Erlangt man nun durch dieses Recept ein gutes Urtheil, so wollte ich wohl rathen, daß man wegen der künftigen Zeiten die ganze Richterstube auf das ererbte und durch Urtheil und Recht bestätigte Landgut bitten, und bey dem Leichenessen der Gerechtigkeit nichts sparen möchte, das Wohlwollen des Richters gegen uns zu befestigen.

»Aus diesem kurzen Plane wird man sehen, wie man bey dem Fortgange der Sache, oder in andern Fällen, verfahren müsse. Es bezieht sich dieser Plan nur auf die Taxordnung der Viktualien; es versteht sich aber von sich selbst, daß man in solchen wichtigen Processen zu eben der Zeit, wo man bey des Richters Frau in der Küche seine Nothdurft vorstellig macht, auch in des Richters Stube durch baares Geld der Sache den Ausschlag giebt.

»Es sind ausser dem baaren Gelde und den Viktualien noch andre Arten, einen Richter zu bestechen. Eine Vorbitte aus dem Munde einer schönen Frau macht oft einen überzeugendern Eindruck, als zwanzig alte Rechtsgelehrte. Ich unterstehe mich in diesem Falle nicht, jemanden etwas zu rathen. Ein Jeder muß wissen, wie empfindlich er dabey ist; wie viel ihm daran liegt, seinen Proceß zu gewinnen; und wie der Richter gesinnet sey. So viel bleibt ausgemacht, daß das Recept probat ist. Ich kenne einen Gerichtsschösser auf dem Lande, der seinem Edelmanne die Gerechtigkeit abgepachtet, und den seltenen Ruhm bis diese Stunde behauptet hat, daß er gegen alle Bauern unparteyisch ist, nur diejenigen ausgenommen; welche schöne Weiber haben.

»Ich glaube, es ist bey dieser Sache noch ein Mittel zu treffen. Ein Frauenzimmer kann oft durch unschuldige Freyheiten den Eigensinn des ernsthaftesten Richters brechen. Sollte man nicht am besten thun, wenn man sich der Willkühr seiner Frau üherließe? Liebt sie uns, so wird sie das Spiel höher nicht als auf eine erlaubte Coquetterie treiben, und dem Richter höchstens unschuldige Freyheiten verstatten; liebt sie uns aber nicht, – – ja, meine Herren, da kann ich Ihnen selbst nicht rathen; liebt sie uns nicht, so wird sie immer Gelegenheit finden, zu thun, was sie will, ohne allemal darauf zu sehen, ob sie uns einen Proceß damit gewinnt.

»Ohne Jemanden bey dieser bedenklichen Sache etwas zu rathen, will ich hier ein paar Briefe liefern. Der Richter soll von vornehmen, der Beklagte von geringem Stande seyn. Desto wahrscheinlicher wird die Sache.«

 

Hochwohlgebohrner Herr,
      Gnädiger Herr,

Ich unterstehe mich noch einmal, Ew. Excellenz die Sache meines Mannes unterthänig zu empfehlen. Die hohen Versichrungen, die Sie mir vor einigen Wochen mündlich gaben, sind durch die Bosheit unsers Gegners fruchtlos gemacht worden. Es muß mir dieses desto empfindlicher seyn, da ich weis, daß Ew. Excellenz von der ungerechten Zunöthigung des Klägers überzeugt sind. Man unterfängt sich nunmehr, meinen Mann auch um deswillen doppelt zu verfolgen, da Ew. Excellenz die hohe Gnade gehabt haben, Ihres Schutzes ihn zu versichern. Behaupten Sie, Gnädiger Herr, Ihr Ansehn, und zugleich die Gerechtigkeit unsrer Sache. Ich werfe mich Ihnen zu Füßen; lassen Sie sich die unschuldigen Zähren einer Unglücklichen rühren, welche schon in den ersten Wochen ihres Ehestandes alle die Bitterkeit empfindet, von welcher oft eine Ehe von vielen Jahren ganz befreyet ist. Das Unglück, so meinem Manne droht, zwingt mich, durch mein ungestümes Bitten die Gnade Ew. Excellenz zu misbrauchen. Nur dasmal retten Sie uns noch! Wie leicht muß es Ihnen fallen, da Sie so großmüthig und gerecht sind. Ich bin dafür mit der tiefsten Ehrfurcht

Ew. Excellenz

demüthigste Dienerinn.


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