Gottlieb Wilhelm Rabener
Satiren
Gottlieb Wilhelm Rabener

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Das war also, mein Herr, der letzte Auftritt von der kläglichen Comödie, in der ich eine so närrische Rolle gespielt hatte! Ich bin nicht im Stande, Ihnen die Empfindungen zu beschreiben, die ich beym Durchlesen dieses Briefs fühlte. Zorn, Wuth, Schaam, Rache, alles empörte sich in mir. Ich fiel auf die verzweifeltsten Anschläge, mir Recht zu verschaffen, oder mich selbst auf ewig vollends unglücklich zu machen. Ich fluchte dem Himmel, meinem ungetreuen Verräther; ich fluchte mir selbst. Dieses alles geschah in einer Raserey von zwo Stunden. Endlich brachen die Thränen aus, und ich kam einiger maaßen wieder zu mir. Ich Verlassene! Ich unglückselig Verlassene! dachte ich bey mir selbst. Ist das die Belohnung einer zehnjährigen Treue? Ist das die Erfüllung der Eidschwüre, und der theuersten Versichrung? Und der meineidige Bösewicht triumphiret noch in den Armen meiner Feindinn, seiner Frau, über meine leichtgläubige Einfalt? Straft der Himmel dieses Verbrechen nicht, so muß er ungerecht seyn. So ungefähr schwärmte ich. Ich zankte mit dem Himmel, und hätte doch mir allein den Vorwurf machen sollen, daß ich so närrisch gewesen, den Schmeicheleyen eines Menschen zu glauben, dessen Stand über den meinigen war, der bey seinen Jahren und seiner Lebensart durch die Gewohnheit gerechtfertiget, und von der Welt gebilliget ward, wenn er ein hochmüthiges Bürgermädchen, eine Närrinn, wie ich, betrog, sie zum Zeitvertreib um ihren guten Namen brachte, oder zum Spaße auf beständig unglücklich machte. Wie vielmal hatte ich ehedem über die Thorheit derer gelacht, welche sich auf eine solche Art verführen lassen! Hätte ich nicht besser auf meiner Hut seyn sollen? War ich etwan vornehmer, schöner, reicher, als andre, die sich in dergleichen Unglück gestürzt hatten? Keins von allen. Der Hochmuth machte, daß ich für möglich hielte, beständig geliebt, und immer angebetet zu werden. Es ist schändlich, wenn Männer, die es für ihr erstes Gesetz halten, ihre Ehre zu vertheidigen, auf eine so unehrliche Art ein unschuldiges Mädchen unglücklich machen, und oft eine ganze Familie in Schande bringen. Ein Mädchen aber, das sich von ihnen bestricken läßt, verdient weniger Mitleid, da sie hätte an dem Exempel andrer lernen können, daß man ihr nur darum schmeychelte, um einiges Vergnügen zu haben, und sie auf eine lustige Art elend zu machen.

Nun fielen mir alle diejenigen vernünftigen Liebhaber ein, deren redliche Absichten ich auf eine so hochmüthige und spröde Art von mir gewiesen hatte. Wie grausam war ich an ihnen gerächet! Konnte ich mir wohl itzt dergleichen Gelegenheiten wieder versprechen, da meine Jahre zunahmen, da der jugendliche Reiz meiner Schönheit anfieng zu verschwinden, da mein Vater auf der Grube gieng, und sein Tod mir die dürftigsten Umstände drohte? Konnte ich mich nunmehr wohl entschließen, geringern Personen meine Hand zu geben, als die waren, denen ich sie verweigert hatte? Ich faßte nun im ganzen Ernste den grausamen Entschluß, nimmermehr zu heirathen. Ich ward ziemlich beruhigt, da ich das Herz gehabt hatte, so ein verzweifeltes Gelübde zu thun, und es vergieng eine ziemliche Zeit, ehe ich merkte, daß ich mich selbst hintergangen hätte. Dieser unerwartete Streich von meinem Ungetreuen hatte mich so hart getroffen, daß ich in eine langwierige Krankheit fiel. Ich brauchte fast zwey Jahre, ehe ich mich völlig wieder erholte, und es geschahe endlich nicht anders, als mit dem gänzlichen Verluste meiner noch übrigen Schönheit. O! hätte ich sie zehn Jahre eher verlohren, vielleicht wäre ich vernünftiger gewesen, vielleicht wäre ich itzt nicht so unglücklich!

Ich weis nicht, wie es kam, daß sich nach einiger Zeit ein junger Rechtsgelehrter zu mir verirrte, und sich einbildete, daß er mich noch lieben könnte. Vielleicht hatte die Hoffnung, meinem Vater mit der Zeit in seinem Amte zu folgen, oder sonst eine stärkere Kundschaft in seiner Praxis durch mich zu erlangen, mehr Antheil an seiner Zärtlichkeit, als meine Person. Er schrieb an mich:

 

Mademoiselle,

»Denenselben vermelde in höchster Eil, daß ich nach reifer der Sachen Ueberlegung und eingeholtem Rath von meinen Freunden ernstlich gemeinet bin, mich zu verändern, und nach nunmehr erfolgtem Absterben meiner seligen Frau Mutter meine Wirthschaft selbst anzufangen. Die Kürze der Zeit, und meine dringenden Verrichtungen hindern mich, Ihnen umständlichere Anzeige zu thun, wie viel ansehnliche Gelegenheiten mir in hiesiger Gegend, mich zu verheirathen, angeboten worden. Wann aber ich das Vergnügen gehabt, bey dem unlängst vor Ihres Herrn Vaters Amtsgerichten abgewarteten Termine in Sachen George Frühauffen, contra Casper Baldigen, in puncto den Gemeinebrömmer betrl. Dieselben kennen zu lernen, und ich eine besondre Zuneigung gegen Sie bey mir vermerkt; Als habe mir die Freyheit nehmen wollen, Dieselben von meinen billigen, und in göttlichen und weltlichen Rechten gegründeten Absichten zu benachrichtigen, mit angehengtem Suchen, Sie wollen meine Bitte nicht rejiciren, und mir erlauben, daß ich das Glück habe, mit aller legalen Ergebenheit zeitlebens Dero gehorsamster Diener zu seyn. Da Sie, Mademoiselle, bey meiner Liebe allerdings die erste Instanz sind, so habe Bedenken getragen, bey Dero Hochzuehrendem Hrn. Vater eher in Schriften dieserhalb einzukommen, bis ich weis, ob Sie meinem ergebensten petito hochgeneigt deferiren, als warum ich nochmalen instanter, instantius, instantissime bitte. Diesen Augenblick kommt ein Oberhofgerichtsbothe, mit einer Inhibition; ich werde daher genöthiget, abzubrechen, und habe nicht Zeit, etwas weiters hier zu sagen, als daß ich mit der größten Hochachtung unabläßlich sey,

Mademoiselle,

Dero

— — — —
am 9ten Januar 1743.
Raptim.
Ipse concepi!
ganz ergebenster Diener,
K. L. M.
Adv. immatr. et Not. Publ.
Caes. a Sen. Lips. Creat.
et coram Regim.
Elect. confirm.
m. p.
       

 


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