Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dichter, Schriftsteller, Journalisten.

Moritz Adler:

Im Altertum, im Mittelalter war fremd und feindlich eins. Staaten und Völker standen sich, wie räumlich so geistig, streng abgeschlossen gegenüber. Für Römer und Griechen war der Fremde der Barbar, der Fremde als solcher in Rom rechtlos. Heute bilden die zivilisierten Völker mit ihren unzähligen Beziehungen und ihrer offen zu Tage liegenden Solidarität in Wohl und Wehe eine große Familie ... Im Altertum und im Mittelalter war der Krieg also als ultima ratio der Völker, deren meist blutige Bekanntschaft gerade er erst vermittelte, relativ berechtigt; in der Gegenwart ist er es nicht, denn er ist stets ein Bruderkrieg. Die antike und mittelalterliche Welt war naiv und gläubig, sie hielt wirklich den Krieg für den einzigen berechtigten Entscheider; die moderne Welt ist reflexiv gestimmt und skeptisch gegen alles Überkommene, sie fühlt den Anarchismus des Krieges in der Gegenwart und daß der Vernunft bei Zwistigkeiten zwischen Staaten noch millionenfach mehr die Entscheidung gebührt als bei Streitfällen zwischen Individuen.

*

Die Praxis sehen wir noch vom Vorurteil der Unmöglichkeit eines wahren, permanenten Friedens, des Friedens als Institution, beherrscht. – Aber die Geisterschlacht gegen das Vorurteil ist bereits entschieden, und in ihr hat der Friede gesiegt! – Die geistige Atmosphäre, in der wir leben und weben, ist durchdrungen von der Idee des Friedens, der Völker- und Staatenverbrüderung! Die besten Köpfe, die edelsten Herzen, sie schwören heute zur Fahne des Friedens! Ja, die Idee ist siegreich bereits eingezogen in das Bewußtsein und in das Gewissen der Menschheit, und die mehrfachen Fälle praktischer schiedsgerichtlicher Entscheidungen in zwischenstaatlichen Streitfällen sind nur die ersten Huldigungen, mit welchen unsere Gegenwart das am Horizont heraufziehende, neue Friedensgestirn begrüßt.

*

Der Glanz aller, auch der allerschönsten bisher gebräuchlichen Titel würde vor jenem Zunamen erbleichen, den ich für den Fürsten vorzuschlagen hätte, der als der erste gekrönte wirkliche »Friedensfürst« auf dem Throne, mit großem Beispiel vorangehend, erfolgreich gestrebt hätte, Schiller's Wort im Geiste unserer Zeit zur Wahrheit zu machen: » Und ein Richter war (wieder) auf Erden«.

*

Nicht die Träger der Institution des Krieges, sondern die Institution klagen wir an.

*

Absolut und relativ überflüssig ist in der Gegenwart der Krieg, weil fast jeder Tag uns die Entstehung neuer internationaler Beratungskörperschaften bringt und weil es ein Rätsel ist, warum für alle erdenklichen Angelegenheiten der Staatengemeinschaft zu dem augenfälligen Mittel der Schaffung gemeinsamer Autoritäten gegriffen wird – mit alleiniger Ausnahme der denkbar wichtigsten aller staatlichen und menschlichen Angelegenheiten: des Rechtsschutzes.

*

Kann ein Mensch bei gesundem Verstande überhaupt einen Augenblick das Moment der schon grotesk lächerlichen, wenn auch gleichzeitig bejammernswerten Übertreibung, mit einem Worte das Sporthafte der die ganze Erde, Land und Meer überpanzernden Rüstung und des ihr zugehörigen Zahlenrausches verkennen? Wie viele Milliarden mag nur der durch die langen Friedensdezennien sich fortspinnende komische Wettkampf zwischen den imaginären Feindinnen Kanone und Panzerplatte bereits verschlungen haben!

*

Daß der Kriegssport notwendig den Sportskrieg herbeiruft, das kann niemand bezweifeln, der mit Logik, Geschichte, Politik, Menschenkenntnis und der Kenntnis von den inneren Triebkräften der Institutionen und insbesondere des Krieges auf vertrautem Fuß steht.

*

Der Kriegssport verschlingt nicht bloß unersättlich die besten Reichtümer der Völker, demoralisiert sie nicht nur und verkennt die Rechte der freien Individualität, sondern er drängt und zwängt die Geister, Wissenschaft und Technik, sie alle entadelnd, mit goldener Lockung in den ärgsten aller Abwege, den Abweg brutaler, wenn auch überraffinierter, erfinderischer Zerstörungskunst. Nicht genug, daß jede, auch die wohlthätigste Erfindung, wenn schädlich benützt, zur Plage wird, regnet es jetzt Erfindungen, die nur schaden und absolut nicht nützen können, direkte Ausgeburten des Genius des Bösen.

*

Haben wir aus der Geschichte der Inquisition gelernt, daß es der grauenhafteste, aber auch kindischeste Fehlschluß von der Welt war, durch Haß und Verfolgung um Liebe zu werben, so können wir keinen Augenblick bezweifeln, daß unsere Nachkommen an der Begabung einer Epoche mit Menschenverstand werden irre gehen müssen, in welcher man durch die Gewalt, durch das mordbewaffnete Unrecht, durch das Würfelspiel einer Schlacht zum Recht gelangen wollte. Genau im selben Lichte wie uns heute das Auto da fé, nur noch unendlich gräßlicher und wahnwitziger wird dann dem spätern Enkel der Begriff einer Schlacht entgegentreten, als eines fürchterlichen Etwas, dessen Kunde, historisch verbürgt, aber geistig unergründlich, auf ihn überkommen sein wird.

*

Was müßte ein noch so schwach dotiertes »Ministerium für den Frieden« – das echte und rechte Ministerium für Volksaufklärung – leisten, das die staatliche Autorität für den Frieden, für die Anbahnung der Rechtsgemeinschaft der Staaten und Völker ins Feld führen dürfte!

*

Schon heute verdankt die Welt diesen verlachten, unpraktischen Friedensfreunden die unaussprechlichste Segnung der Gegenwart: das fast obsolet Gewordensein des Schlachtenkrieges und die hierdurch augenfällige doppelte Lächerlichkeit der Rüstungen.

Al Hallil:

Allmächtiger! Wir können keinen Floh erschaffen und wir töten Menschen. Blut vergießen wir und loben dich!

Edmondo de Amicis:

Wir rufen den jungen Leuten aller Länder der Erde zu: »Liebet das Vaterland, aber daß diese Liebe durch eine noch größere, edlere verklärt werde, eine Liebe, welche die Tugenden eines jeden Volkes ehrt, um darin die nötige Stütze im Kampf für das Leben und die Zivilisation, den wir alle gegen die Natur führen, zu finden. Keine Überhebung mehr, keinen Neid, keinen Haß, keine Eifersucht! Das ist es, was wir den jungen Leuten sagen.«

*

Jenen, deren Händen die nationale Verteidigung anvertraut ist, rufen wir zu: »Nichts ist schöner, als die Herzen immer warm pulsierend zu erhalten zum erhabenen Opfer für das Vaterland, aber kein Ehrgeiz soll euch verleiten, den Krieg um des Krieges willen zu wünschen, weil von allen Ausschreitungen des Egoismus diese die ärgste ist, und wer immer ihr in seinem Innern huldigt, kein echter Verteidiger des Vaterlandes mehr ist, sondern im Gegenteil sein blutigster Feind.«

*

Den Lehrern und jenen, welche mit der Erziehung der neuen Generationen betraut sind, sagen wir: »Flößt den Kindern Bewunderung für die Größen des Altertums ein, aber verwechselt nicht in diesem Gefühl der Bewunderung die wirklich großen Seelen mit den glücksbegünstigten Räubern, denn das hieße den Begriff der Gerechtigkeit verdrehen.«

*

Die Gläubigen fragen wir: »Was ist eine Religion, die nicht nur nicht den Frieden predigt, sondern sogar von Gott verlangt, daß Ströme von Blut vergossen werden, und die zu ihm Dankgebete emporsendet, während dieselben noch rauchen? Reiht euch uns an, wenn es wahr ist, daß ihr in eurem Herzen die Vergebung und die Liebe tragt; erhebt eure Stimme für unsere Sache, wenn ihr Jesus Christus nicht belügen wollt, während ihr sein Reich auf Erden verkündet!«

*

Wir setzen einen tiefen Glauben in die Macht des ununterbrochen wiederholten Wortes, das von den Schulen in die Werkstätten, in die Kirchen, in die Wissenschaftstempel, in die Königspaläste getragen, von Tausenden und nachher Millionen von Stimmen in allen Sprachen und über alle Grenzen verkündet wird, bis es so machtvoll tönend anwächst, daß den Händen des Ungeheuers das unbarmherzige Schwert und die grausige Brandfackel entfällt.

Anonym (»Il Secolo«, Mailand):

Der Friede zwingt sich auf: er ist die Vernunft, die Liebe zwischen den Völkern, die Brüderlichkeit, die Hauptbedingung der Zivilisation, – die Zukunft! ... Die Nationen wollen nicht an Erschöpfung zugrunde gehen unter der Last der eisernen Harnische!

Arminius (pseudonym):

Jesu Lehre brachte die Liebe und mit ihr den ewigen Frieden. Von der Religion kann uns nur der Friede kommen, aber zuvor muß sie sich selbst erst ethisieren, erst wieder religiös, menschlich, wieder zur Liebeslehre des großen Nazareners werden.

*

Es scheint, daß, je größer die Sehnsucht der Völker nach ewigem Frieden, nach einem Völkerschiedsgericht wird, die Diplomaten und Militärs desto mehr trachten, die stehenden Heere ins Unendliche zu vergrößern. Aber es ist der letzte Aufschrei des zu Tode getroffenen Militarismus. Ich ändere das Sprichwort und sage: Wenn die Rüstung am stärksten, ist die Abrüstung am nächsten.

*

Es geht den Fürsten wie den Kindern, die den ersten Gehversuch wagen. Wie diese fürchten, im freien Raum überrannt zu werden, so getraut sich bei den Fürsten der Wunsch nach Abrüstung nicht hinaus auf das freie Feld der That – aus Furcht vor dem Überranntwerden durch ihre widerstrebenden Diplomaten und Militärs. Unnötige Furcht! Waget ihn nur, den ersten Schritt, – eure Völker werden euch starke Stützen sein, stärkere als jene Eisenmassen, jene Wälder von Säbeln, Lanzen, Flinten.

Berthold Auerbach:

Solange noch eine Kanone gegossen wird, solange noch ein Mensch einen anderen tötet, ist keine Religion auf der Welt; solange noch ein Geistlicher einen Menschen schwören läßt, auf Kommando seinen Bruder zu töten, ist alles Kirchentum eitel Lüge.

*

Die Völker und Zeiten, die an den geoffenbarten Gott glaubten, haben aus Menschenmord einen Beruf, eine Ehre, ein gottgefälliges Werk gemacht; laßt sehen, ob die Ungläubigen schlechter sein können. Ihr sagt: Das ist für einst, für das tausendjährige Reich! Ich antworte: Wann beginnt dies? Heute – oder nie! Die kommenden Geschlechter können ebensogut sagen wie ihr: Es ist nicht unsere Zeit, die das erfüllen soll.

*

Nur eine Zeit, in der man im Manöverstaub die Menschen zur Verzweiflung an der Logik gebracht, durfte den Satz aussprechen, das Soldatentum sei der Hüter der Zivilisation. Wann war es das und nicht schnurstracks das Gegenteil? Man kann allerdings mit Bajonetten die beliebte Ruhe und Ordnung herstellen, aber kein Gemeinleben gestalten.

Wilhelm Karl Becker:

... Ein solches System des Raubes der Arbeitserträgnisse künftiger Generationen läßt sich aber auf die Dauer nicht aufrecht erhalten; früher oder später muß es zusammenbrechen, weil es unfehlbar zum Bankerott führt. Diese Seite des Militarismus allein schon wird sich als ein mächtiger Faktor erweisen, die Einsicht zu verbreiten und tief in das Bewußtsein der Menschen eindringen zu machen, daß der Krieg zwischen zivilisierten Nationen die dümmste und zweckwidrigste Art ist, internationale Differenzen zum Austrag zu bringen.

Bellamy:

»Zu Ihrer Zeit, Herr West, pflegten die Regierungen bei nationalen Mißverständnissen die Leiber der Bewohner zu Hunderttausenden der Verstümmelung und dem Tode preiszugeben und gleichzeitig den Reichtum des Landes wie Wasser zu verschwenden – oft sogar, ohne den geringsten Vorteil zu erzielen. Wir haben jetzt keine Kriege und unsre Regierung hat nicht die Macht, Kriege zu führen.«

A. Berger:

Gar zu sehr ist bis heute im Geschichtsunterricht der Krieg glorifiziert worden – nach Anleitung der einmal eingeführten Lehrbücher und nach alter Gewohnheit, selten wohl aus Begeisterung der Lehrer für den Krieg. Die Schulverwaltungen sind sich eben noch nicht des Widerspruchs bewußt geworden, in der einen Unterrichtsstunde den Schülern Handlungen als » gut« zu schildern und in der anderen sie als » bös« zu bewerten.

*

»Wer die Schule hat, hat die Zukunft« ist ein wahres Wort; darum sorgen wir dafür, daß die Friedensidee die Schule »habe« und dadurch die Zukunft gewinne!

E. Bergerat:

Zwei Kräfte haben sich dem Krieg entschlossen entgegengestellt: die Wissenschaft und der Sozialismus. Wenn die Wissenschaft es ist, die den Angriff beginnen soll mit ihren furchtbaren Sprengstoffen, dann werden die Berge in die Luft fliegen und die Flüße aus ihren Betten gehoben werden, und das Gleichgewicht wird sich auf Ruinen wieder herstellen. Aber die Bellona wird ihren Säbel verschluckt haben.

Gustav Björklund:

Wir haben schon lange die Zeiten hinter uns gelassen, wo ein Eroberer einem Teile der Bevölkerung ihre Freiheit rauben und dem Lande unerträgliche Lasten und Steuern auferlegen konnte. Aber alles dieses thut in unseren Tagen die allgemeine Wehrpflicht. Der Bürger tritt nicht zufolge seines freien Beschlusses in das stehende Heer ein, er wird dazu gezwungen. Während der ganzen Dienstzeit ist er seines freien Bestimmungsrechtes über sich und seine Person beraubt. Die Wehrpflicht reißt ihn schonungslos von dem Gewerbe oder der Lebensaufgabe, die er selbst gewählt, und zwingt ihn während mehrerer Jahre zu einer Thätigkeit, die ihm oft widerwärtig ist. Die eisenharte Disziplin macht diese einheimische Tyrannei auch nicht milder, als eine von außen kommende sein würde. Die allgemeine Wehrpflicht legt ferner dem Lande unerträgliche Lasten und Steuern auf. Es giebt Staaten, wo diese Lasten schon eine solche Höhe erreicht, daß sie die äußersten Kräfte derselben in Anspruch nehmen.

*

Der bewaffnete Friede vernichtet die bürgerliche Freiheit und Selbständigkeit in so hohem Grade und Umfange, daß er mit nichts anderem verglichen werden kann, als mit Eroberung in ehemaliger Bedeutung,

Björnson:

Es ist gottlob nicht mehr so, daß der kriegerische Instinkt in uns der mächtigste ist. Trotzdem ist der Krieg noch immer ultima ratio ... Doch in Wirklichkeit ist er keine Assekuranz, für die wir eine Prämie zu bezahlen haben, sondern ein Feuer, auf das wir stetig neues Brennholz legen.

*

Die Völker haben ein Recht auf Frieden: das Recht der Mehrzahl auf Frieden. Fragen Sie den Arbeiter, ob er Krieg will, ob er sein Geld und seine Arbeit dem Krieg geben will, so wird er »nein« antworten. Der Krieg ist ihm eine kostbare Auslage geworden, die er nicht auf sich nehmen kann oder mag. Fragen Sie den Bauer ob er seine Söhne weg haben will von der friedlichen Arbeit und er wird »nein« antworten. Im Arbeiter und im Bauer haben wir die Meisten vor uns. Aber fragen Sie den Kleinbürger, so wird er den Vorteil berechnen und zu dem Resultate kommen, daß der Krieg nicht den sichersten Gewinnst einbringt. Also können wir sagen: Neun Zehntel der Bevölkerung halten den Krieg für eine Abscheulichkeit und glauben nimmer, daß er zu irgendwelchem Glück führt. Den Krieg verteidigt und des Krieges bedarf nur das Zehntel, das übrig bleibt, die Oberklassen oder besser: die oberste Klasse der Oberklassen. Es ist das für sie ein Standeserbe.

*

Ist es denn notwendig, mit dem Revolver auf dem Rücken zu verhandeln? – Ein Beispiel! Der Vater des Quäkertums, William Penn, verbot den Krieg. Er sagte seinen Glaubensgenossen: »Ihr sollt mit den Indianern ohne Waffe verhandeln!« Die Quäker legten die Waffen weg und sprachen den Indianern zum Verstand. Und während die anderen Staaten, die mit den Waffen in der Hand verhandelten, mit den Indianern beständige Kriege führten, hatten die Quäker Frieden – 70 Jahre lang, bis auch sie begannen, mit den Waffen hinter den Worten zu verhandeln. Das zeigt die Wahrheit: Redet ihr zum Faustrecht eines Mannes, so gebraucht er das Faustrecht; doch redet ihr zum Guten in dem Manne, so bringt ihr sein Gerechtigkeitsgefühl zum Reden. Was vor hundert Jahren mit den halbwilden Indianern gelang, sollte das nicht in Europa gegenüber zivilisierten Menschen gelingen? Legt man nur erst die Waffen nieder, so muß sich zeigen, wie die Gerechtigkeit das Entscheidende wird.

*

Man sagt, die Friedenssache sei eine revolutionäre Sache. In gewissem Sinne ist es sie es wirklich, denn nichts ist so wie sie geeignet, die bösen Instinkte in uns dem großen Friedensfürsten ähnlich zu machen, dem nachzustreben aller Christen Pflicht ist. Nehmen wir den Revolver weg, wie viel Gerechtes käme da nicht empor? Wenn die Kriegsmoral weggenommen würde, welche Erhebung des sittlichen Willens im Menschen träte ein! Es wäre die größte Revolution seit Jesu Tagen!

*

In der Schule wird die Kriegsmoral gelehrt. Es geht das tief hinab – bis in die Spiele des Kindes hinein, auf die der Lehrer ein wachsames Auge haben sollte. Laßt eure Lehrer in der Schule eure Kinder die Friedensmoral lehren; redet mit euren Priestern über das Gleiche und wählet keinen Vertreter ins Parlament, ohne ihn über diesen Gegenstand gehörig ausgefragt zu haben.

*

Wenn man davon redet, die Armeen abzuschaffen, so begegnet man oft dem Einwande, dies wäre eine Gefahr nach innen noch mehr, als eine Gefahr nach außen. Und da kommt die Wahrheit heraus. Es sind die Oberklassen, welche Garantien wollen gegen die Unterklassen. Und mit welchem Recht? Doch ich will danach nicht fragen, sondern nur sagen: Laßt sie das Unrecht in Recht verwandeln, so brauchen sie keine Garantien!

*

... Unser Recht auf Frieden besteht u. a. auch darin, daß von der Kriegsmoral nicht Ansteckung übergehen soll auf unsere Gesellschaft. Wir haben alle gelesen von den Abscheulichkeiten des Anarchismus und haben geschaudert vor dem, was wir lasen. Aber was ist das? Eine ganz gewiß entsetzliche Antwort in Art des Krieges von Seiten jener, die sich verunrechtet glauben; es ist, wie der Krieg, eine Vernichtung der freien Debatte, die Gewalt an Stelle der Gerechtigkeit gesetzt – es ist ein Ausfluß der Kriegsmoral, des Rechtes des Stärkeren.

Philipp Bogler:

Der Krieg, diese furchtbare Äußerung überspannter oder doch zu intensivster Thätigkeit gezwungener Kräfte, ist keine Naturnotwendigkeit der Gegenwart, sondern ein Ergebnis menschlicher Willkür, künstlich gestachelter Leidenschaften oder politischer Berechnung.

*

»Die Waffen nieder!« In diesem Schlagwort gipfelt die Forderung des Zeitgeistes, von den Mutter- und Frauenherzen garnicht zu sprechen, deren Stimmen in verzweiflungsvollen Thränen erstickten, seitdem der erste Kriegsruf die Erde schauerlich durchschallte.

*

Kunst und Wissenschaft sind die natürlichen Feinde des Kriegshandwerks. Welch' schreiender Widerspruch liegt in der entsetzlichen Zumutung, diese Genien der Menschheit im Zerstörungskampfe zum Frohndienst gegen dieselben zu zwingen!

*

Der Schwerpunkt menschlichen Glücks liegt in friedlicher Arbeit, nicht aber in der Vergeudung der besten Lebensjahre zur Aufrechthaltung eines faulen Friedens, der mit dem höheren Begriff des wahren Friedens nur den Namen gemein hat.

*

Die Waffen nieder! Wir rufen, wir fordern es im Namen der gesamten Menschheit und der echten Menschenliebe. Hebe die trennenden Schranken auf! Soll, kann der Bruder den Bruder morden – den Bruder, dessen Herzschlag dem seinigen nie feindlich begegnet ist? Darf der denkende Sohn einer aufgeklärten Zeit das blinde Werkzeug fremder Willkür werden?

*

Er wird aufhören, dieser unvernünftige Krieg, der zu nichts nützt, der nichts entscheidet, der Haß an Haß kettet; er wird – da er widersinnig ist – aufhören; es sei denn, daß die Kultur selber aufhört und man den Weg zur Wildheit zurückgeht. Nur um diesen Preis kann er bestehen. Der Krieg muß aufhören, denn er ist unvereinbar mit der Kultur. Wer den einen bejaht, verneint die andere. Sie wird aufhören, die blödsinnige Schlächterei – entweder morgen durch die Fortschritte in der Gemetzelkunst, oder in einem Jahrhundert durch den Sieg des Sozialismus. Wenn der Krieg nicht dem Melinit weicht, so wird er der Internationalen weichen.

C. H. Boppe:

Überall, in allen Kulturländern, empfindet man den Druck des Militarismus schwer und diese fortwährenden Steigerungen der Kriegstüchtigkeit nehmen alle staatlichen Hilfsquellen so sehr in Anspruch, daß bei den Völkern die Kriegsbegeisterung nicht mehr sehr groß ist. Hätten die Völker über Krieg und Frieden zu bestimmen, die Gefahr eines drohenden Weltkrieges wäre nicht groß. Die Völker selbst sind aber ohnmächtig, ihre Regierer bestimmen über Krieg und Frieden.

Ludwig Braeutigam:

Ein über die »Kriegsfrage« vorurteilslos denkendes Geschlecht kann nicht heranwachsen, solange es in langen Schuljahren sich die ungezählten Muster der Kriegspoesie einprägen muß, jener Dichtung, die die breiten Schichten der Bevölkerung aufreizt, verdummt und sie in dem Wahn bestärkt, daß der Krieg das Edelste in der Entwickelung der Menschheit sei und daß es immer Kriege geben müsse. Fort mit der Kriegspoesie aus dem Unterrichte!!

Moritz Brasch:

Daß der Krieg, nicht minder aber auch der sogenannte bewaffnete Frieden die europäische Bevölkerung allmählich arm macht und proletarisiert und daß hieraus wesentlich das kolossale Wachstum der Sozialdemokratie begreiflich erscheint, ist schon oft bewiesen worden.

*

Die Hälfte aller europäischen Staatsschulden wurden und werden jetzt noch für militärische, also wesentlich unproduktive Zwecke kontrahiert. Von der Höhe dieser Schuldenlast macht man sich gewöhnlich keine genügende, dem wirklichen Sachverhalt entsprechende Vorstellung.

Robert Buchanan:

Der Krieg ist jene Einrichtung, die mehr als alle anderen ein Schandfleck und eine Geißel der modernen Kultur ist ... Er wird bestehen, solange er von den Predigern des Christentums geduldet wird – unter welchen Verhältnissen und welchen Namen immer.

*

Im 19. Jahrhundert sollte der Krieg eine Unmöglichkeit sein; daß er möglich ist, beweist, wie wenig es dem Christentum gelungen, die Welt zu befreien.

*

Keine Feder kann, und häufte sie noch so sehr Schrecken auf Schrecken, den Krieg als Ganzes schildern; sie kann nur die Pein Einzelner verzeichnen, und das enthüllt die Wahrheit besser als alle Allgemeinheiten.

*

Wie seltsam, daß der Mord, wenn vertausendfacht, seine Schrecken verliert! Mancher, der einen einzelnen Leichnam nicht mit Gleichmut sehen kann, überblickt ein mit Toten besätes Schlachtfeld ganz ruhig.

Byron:

Das Trocknen einer Thräne ist ehrlichem Ruhme näher als das Vergießen ganzer Blutmeere.

M. G. Conrad:

Nur die Bestie im Menschen kann den Krieg wollen. Also behandle man alle Urheber und Veranstalter von Kriegen wie Bestien und entferne sie aus der gesitteten Gesellschaft der Kulturmenschen. Wer aber in der Presse zum Kriege hetzt und dem Massenmorde das Wort redet, den stelle man wie einen gemeinen Bravo und Totschläger vor das Gericht.

*

Die ursprünglichste und radikalste, natürlich auch bestialischste Form, Besitzfragen zu lösen, ist der Mord: Einzelmord und Massenmord. In ihrer großartigsten und methodischesten Ausbildung lebt diese Form heute noch im Krieg. Die moderne Kulturwelt hat nichts aufzuweisen, was an infernalischer Größe ihrem Kriegswahn und Kriegsapparat gleicht.

François Coppée:

Alle vernünftigen Leute können nur Eine Meinung über den Krieg haben: er ist eine Ungeheuerlichkeit. Unsere Vaterlandsliebe und unser Wunsch nach Revanche sind im Grunde genommen eine Thorheit.

Emile Delivet:

Wir gehören zu jenen, welche der Flitter militärischen Ruhmes nicht blendet, welche über den rauschenden Ehren der Siege deren Eitelkeit und deren Greuel nicht übersehen. Wir gehören zu jenen, die bei aller Anerkennung jener großen Schule von Mut, Aufopferung, Talent und Vaterlandsliebe, welche das Heer heißt, doch die gegenwärtige Richtung der europäischen Völker, alles zu überschätzen, was diese Institution stärkt und vergrößert, nicht anders als wahnwitzig nennen können, denn diese hypnotische Befangenheit, welcher die unseligen Völker verfallen sind, hat die Wirkung, den allgemeinen Fortschritt zu hemmen.

*

Wir betrachten den Krieg im jetzigen Zeitalter der Menschheit als einen Anachronismus und es flößt uns das gleiche Staunen ein, daß große Nationen glauben, kein andres Mittel zu haben, um ihre Meinungsverschiedenheiten zu schlichten, als wir darüber staunen würden, wenn die Bewohner der Picardie gegen diejenigen der Normandie zu Felde zögen.

Julius Duboc:

Dem Humanitätsgedanken, in dem sich der Idealismus unserer gegenwärtigen Periode zusammenfaßt, steht aber im direktesten, prinzipiellsten Gegensatz der Krieg gegenüber, und mehr noch als der Krieg die Freude, die Lust am Kriegsspiel, die Anziehungskraft, die dasselbe als ritterliche Beschäftigung und Erprobung des Manneswertes ausübt. Es ist deshalb von nicht zu unterschätzender Bedeutung, ja in der That von größter Tragweite, daß diese Gefühle, die das Kriegshandwerk von den ältesten Zeiten an bis tief in die Gegenwart hinein begleitet haben, in einer langsam, aber sichtlich sich vollziehenden Umstimmung begriffen erscheinen. Es hat weltgeschichtliche Bedeutung, daß neben und gegenüber der herzhaften Freude am frischen, fröhlichen Kampf und am lustigen Dreinschlagen in den kultiviertesten Nationen ein Gefühl tiefer Beschämung über die Greuel des Krieges in die ethische Wagschale fällt und dieselbe immer mehr niederdrückt. Es hat weltgeschichtliche Bedeutung, daß alle Welt davon redet, wie das Kriegselend abzuwenden sei, daß niemand, keine Nation, auch die »obersten Kriegsherren« nicht, die Verantwortung für einen solchen noch offenkundig auf sich zu nehmen wagen, sondern dieselbe soviel wie irgend möglich von sich ablehnen.

Alex. Dumas fils:

Wenn der Mensch nicht mehr seines Gleichen tötet, wird er auch selbst keine Todesfurcht mehr kennen.

Hans Eschelbach:

Krieg! Finsterer Söldling des Todes und der Hölle, auf deiner Stirne brennt das Kainszeichen! Durch die Lande ziehst du, ein Schreckgespenst, in den Boden stampfst du die Saaten des Friedens, von der Brust der Mütter reißest du den Knaben und vom Herzen des Freundes den Freund. Blind wirfst du die Würfel; das Hirn des Denkers, dessen Weisheit späte Geschlechter beglückt und das wild schlagende Herz des Dichters, das für die Menschheit begeistert, sie werden zermalmt werden unter den Rädern deines Siegeswagens. Bräute in Trauer und Mütter im Witwenkleid verdammen dich; aber hohnlachend zertrittst du sie alle. Lorbeeren verteilst du, gefeuchtet von Blut und von Thränen. Krieg, der du kalt stehst, wo Tausende weinen, du Geißel der Menschheit; wenn du auf immer enteilst, woher du gekommen – zur Hölle –, zum Himmel wird uns die Erde!

Salvatore Farina:

Ich werde eine wahre Freude empfinden, wenn eines Tages das Unterrichtsministerium den Kandidaten das Thema aufgeben wird, welches wir in drei Worte gefaßt haben: Haß dem Kriege!

Ludwig Fulda:

Der wichtigste Fortschritt, den die Menschheit zu machen hat, machen muß und machen wird, ist die absolute und dauernde Aufhebung des organisierten Massenmordes.

Goethe:

Krieg! Krieg! Wißt ihr auch, was ihr ruft? Daß es euch leicht vom Munde geht, ist wohl natürlich; wie lumpig aber unsereinem dabei zu Mute ist, kann ich nicht sagen.

(»Egmont.«)

*

Die modernen Kriege machen viele Menschen unglücklich, solange sie dauern und niemanden glücklich, wenn sie vorüber sind.

*

Die Taubenpost bedient den Frieden,
Der Krieg befiehlt die Rabenpost.

(»Faust.«)

*

Hörst du die Trommeln fern?
Schon wieder Krieg! Der Kluge hört's nicht gern.

*

Wer Waffen schmiedet, bereitet Krieg und muß davon der Zither Klang nicht erwarten.

(»Achilleis-Vulkan.«)

Karl Goldmann:

Nicht weiche, sentimental zerfließende Gefühlsduselei ist es, was heute die Friedensfreunde dazu antreibt, unentwegt und mit immer wachsender Kraft für die Abschaffung des Krieges einzutreten: sondern die klare Erkenntnis, daß jede Austragung eines Streites durch rohe Waffengewalt das Rechts- und Humanitätsgefühl unserer geistig so weit vorgeschrittenen Zeit verletzt.

*

Leider giebt es noch keinen Dynamometer, der moralische und physische Kraftunterschiede zu messen vermag, um den sichtbaren wissenschaftlichen Beweis zu erbringen, daß viel mehr männlicher Mut dazu gehört, um moralisch, wie z. B. gegen das Vorurteil, daß es Kriege geben müsse, zu kämpfen, als physisch gehörig d'reinzuhauen.

*

Daß der Egoismus im Leben des einzelnen wie in dem einer Nation eine wichtige und berechtigte Rolle spielt, ist richtig. Womit aber ist bewiesen, daß dieser staatliche Egoismus den Massenmord autorisiert? Wenn ich, um ein egoistisches Gelüste zu befriedigen, meinem ahnungslosen Nachbarn die gefüllte Börse aus der Tasche ziehe, dann wird man mich einen ganz gemeinen Dieb schelten. Wenn es aber einer Nation, oder vielmehr denjenigen, die durch den Zufall der Geburt zur Herrschaft über ein Volk gelangt sind, einfällt zur Befriedigung eines egoistischen Gelüstes, – sei es zur Vermehrung der Steuerzahler oder zur Vergrößerung des nationalen Besitzstandes – Millionen von Menschen, nicht zu berauben, nein, zu töten mit all den raffinierten Gräueln einer wahnwitzigen Kriegstechnik, dann, natürlich dann ist das die »Logik der Menschheitsgeschichte!« O über diese sonderbare Logik, die für den Einzelmord den Galgen, für den planmäßig dressierten Massentotschlag die Notwendigkeit des staatlichen Egoismus zur Hand hat. Nur einen Kampf giebt es heute, in dem die Nationen ihren Egoismus zu bethätigen haben, den Kampf um die Güter der Kultur. Und dieser Kulturkampf wird nicht mit Schießprügeln und Kanonen, sondern mit Waffen des Geistes und des Herzens gekämpft.

Bogumil Goltz:

Die glücklichsten und ruhmreichsten Kriege verwildern und verflachen ein Volk, wenn sich die Jugend so lange an ihnen beteiligt, daß Erziehung und Wissenschaft von dem Naturalismus überwuchert werden. Völker und Individuen vertragen Abenteuer und barbarische Lebensart umso weniger, als sie mit Ruhm und Glück verbunden sind. – Ein anderes ist es zwar, wenn eine Nation ihren Herd und ihre Unabhängigkeit verfechten, wenn sie sich ihrer Haut wehren muß, und ein anderes, wenn sie von einem kriegslustigen Fürsten oder Weltstürmer zu Eroberungen angeführt wird. Aber selbst im Gefolge eines ruhmreichen Verteidigungskrieges stellen sich garstige Symptome, dämonische Geister und Leidenschaften ein.

Frau Grieß-Traut:

Von allen Klassen der Gesellschaft ist es die der Arbeiter, deren Interessen durch den Krieg am meisten geschädigt werden, denn auf ihr lastet – ohne Gegenleistung – die volle Wucht der Gefahren und des Elends, die die entsetzliche Kriegsgeißel den Völkern gegenüber entfesselt. Der Arbeiterstand hat durch den Krieg nichts zu gewinnen, wohl aber alles zu verlieren.

*

Die Schlichtung internationaler Streitfragen auf friedlichem Wege ist schon eingedrungen in unsere Sitten, und das Wohl des Vaterlandes, das der Krieg der tapfersten seiner Söhne beraubt, fordert immer dringlicher eine nützlichere Verwendung der Leistungskraft und der durch Menschenhand geschaffenen Reichtümer. Unter den Fahnen dieser neuen Armee – einer friedlichen, arbeitsamen Armee, – wird Menschenkraft, eines stolzen Zweckes sich bewußt, nicht nur sich selbst, sondern auch dem Vaterlande Schätze des Reichtums erschließen, die bisher ungeahnt blieben oder als unerreichbar galten.

Balduin Groller:

Der Rechtszustand unter den Staaten ist möglich, gerade so wie er im Verkehr der Staatsangehörigen unter sich möglich ist. Es hat zwar auch lange gebraucht, bis die einzelnen – Individuum, Stamm, Burg, Stadt, Provinz – das Vorrecht aufgegeben haben, ihre strittigen Angelegenheiten mit der Faust zu schlichten; aber im aufsteigenden Gang der Kultur ist es thatsächlich doch so gekommen: auf die Bekriegung der Nebenstämme, Nachbarburgen und Nachbarstädte haben die einzelnen in der Einsicht verzichtet, daß sie dadurch ihre Sicherheit und Existenz gegenseitig schützen. Nur bis zu den Staaten – mit Ausnahme Nordamerikas – ist der Verbündungsmodus noch nicht gedrungen; diese leben noch und sie setzen einen falsch verstandenen Stolz und Trotz darein, in den kulturwidrigen, wilden – mit dem Namen »Souveränität« beschönigten – Zustand feindlicher Absonderung. Was sie darunter leiden – nun, das wissen alle zu Genüge! Ihre schönste Kraft verbrauchen sie, um nach Ost und West die Fäuste zu ballen ... Der nächste Schritt der Zivilisation muß doch offenbar wieder durch eine Erweiterung des Rechtsverbandes gemacht werden.

*

Wird erst der Gedanke der Schiedsgerichte in den Völkern recht lebendig werden – und dazu kann nur die unausgesetzte Diskussion verhelfen –, dann wird auch die Verwirklichung dieses Gedankens (des edelsten und menschlichsten, der je einem menschlichen Hirn entsprungen) nicht mehr weit sein.

*

Es kann sich einem die Galle regen, wenn ein Kaffeehausbruder souverän aburteilt über eine Sache, bei der es sich um das Wohl und Wehe von Millionen von Menschen handelt, ohne auch nur einmal die Nase in die einschlägige Materie gesteckt zu haben, wenn er mit einem Lächeln selbstzufriedener Überlegenheit die furchtbarste Geißel der Menschheit als ein notwendiges Übel dekretiert, über das weiter gar nicht zu reden sei.

*

Die allgemeine Friedenssehnsucht der Völker ist ja keine neue Erfindung, aber weil die Friedensbewegung in früherer Zeit sich unklare Ziele gesetzt und allerlei schwärmerischen und pietistischen Kram in sich aufgenommen, von der die heutige Bewegung vollkommen frei ist, darf diese mit jener nicht ohne weiters in einen Topf geworfen werden. Die Leiter der heutigen Bewegung denken nicht daran, das »goldene Zeitalter« herbeizuführen; sie wollen nur dem Blutvergießen, den furchtbaren Gräueln des Massenmordes Einhalt gebieten und den Völkern eine Last abnehmen, die zu tragen die beste Lebenskraft Aller nutzlos aufbrauchen wird.

*

Nicht die erhitzte, bis zum Wahnwitz gesteigerte Leidenschaft soll das letzte, das entscheidende Wort haben, sondern die nüchterne, auf Recht und Gesetz gestützte Erwägung. Das ist das ganze Hirngespinnst der heutigen Friedensfreunde, zu welchen ein Gladstone ebenso gehört, wie der Arbeiter in seiner ärmlichen Hütte. Ein Schiedsgericht wollen sie statt des namenlosen Kriegselends, und dafür verdienen sie wahrhaftig nicht ausgelacht zu werden.

*

Die Freunde und Bekenner des großen Friedensgedankens meinen, daß man eine tausendjährige Zivilisation doch nicht einfach auf den Kopf stellen könne, daß es heute doch nicht angehe, ganze Völker mit Stumpf aufzuheben, um sie auf die Schlachtfelder zu schicken, daß es würdiger, menschlicher, gerechter und in jedem Betracht und für alle Parteien nützlicher ist, Recht und Gesetz an die Stelle des blinden, furchtbaren, länderverheerenden Kriegsglückes zu setzen.

*

Die Großmachtstellung! Das ist das Zauberwort, vor dem alle Bedenken verstummen müssen. Wie gut wir doch erzogen sind! Wir übersehen gehorsamst, daß es auf der Welt neben der Kriegsgeschichte noch etwas wie eine Kulturgeschichte gibt, und wir sind einsichtig genug, nicht zu verlangen, daß auch nach einer Großmachtstellung auf diesem Felde, dem Felde der Bildungsgeschichte, gestrebt werde.

*

Man weiß, wie es mit den Ideen zu gehen pflegt, die in irgend welchem Zusammenhang mit dem Krieg stehen. Der harmlose Zeitungsleser, dem wieder eine neue Errungenschaft der einen oder anderen Hilfswissenschaft der großen Kriegskunst verkündet wird, fragt sich zunächst immer, was die Geschichte wohl wieder kosten werde. Denn das Eine steht einmal unzweifelhaft fest, daß eine neue Erfindung, sei sie nun auch in Rußland oder in England gemacht, auch uns ein schweres Geld kostet. Ist nämlich die Erfindung etwas wert, dann müssen wir sie doch auch haben oder wenigstens etwas ihr Gleichwertiges; taugt sie aber nichts, so muß man sich doch wenigstens selbst davon überzeugt haben. Schließlich hat man dann freilich nur den Schaden davon, aber das verschlägt nichts, – durch Schaden wird man klug, und für den Krieg darf uns nichts zu teuer sein. Sparen kann man ja beim Schulwesen, bei Allem, was Kunst und Wissenschaft betrifft und überall sonst noch, wo alles Sparen doch nichts ausgibt, aber bei Leibe nicht da, wo der Militarismus in Frage kommt.

*

Nicht zu überzeugen sind jene, welche sich auf Argumente nicht einlassen und die nur überlegen lächelnd sagen: »Die Friedensidee ist ja ganz schön, aber Kriege müssen sein.« Wenn heute ein Patagonier aufstände und seinen Connationalen eine Rede hielte: »Meine Herren! Eigentlich ist es ja doch nicht schön, daß wir unsere Schwiegermutter fressen; es schickt sich wirklich nicht, und wir sollten doch die ganze Menschenfresserei aufgeben,« so würden die Ganzgescheiten unter seinen Landsleuten auch finden, daß das ein idealistischer Phantast sei. Nicht Menschen zu fressen, – so eine Idee! Man hat doch immer Menschen gefressen. Und doch werden auch die Patagonier dahin gebracht werden, ihre berechtigte Eigentümlichkeit aufzugeben.

*

Die Freunde des Krieges – der Moloch hat Freunde! – weisen triumphierend darauf hin, daß von den Vereinen und Kongressen nichts zu fürchten sei; während die Freunde des Friedens – und diese sind, dem Genius der Menschheit sei's gedankt, in erdrückender Überzahl – nicht viel davon zu hoffen wagen. Beide Parteien lassen sich da zu einem Trugschluß verleiten: sie verwechseln die Unfähigkeit der Wollenden, ihren Willen selber auszuführen, mit Unausführbarkeit des Gewollten. Nur wer die Macht in Händen hat – das sehen die Friedensfreunde gar wohl ein – kann die Ideen in Thaten umsetzen. Aber auch die Idee besitzt eine Macht, nämlich die – wenn sie nur klar und immer wieder und einmütig geoffenbart wird – auf das Wollen der Mächtigen einzuwirken.

Gubarow:

Wenn man jetzt sagt, daß die Menschen sich nicht bekämpfen sollen und daß es notwendig sei, internationale Gesetze zu schaffen, um das Wohlsein der Völker und den allgemeinen Frieden zu schützen, so betrachtet man diese Leute als Utopisten ... Man läßt sich soweit hinreißen, den militärischen Ruhm zu achten, der doch nur ein dichterisch ausgeschmücktes Verbrechen ist. Wenn ein Hund sich auf eine Katze wirft und sie zerreißt, so ist man tief unwillig; aber wenn man 100,000 Menschen im Kriege tötet, so bewundert man noch denjenigen, welcher gesiegt hat.

Alcide Guérin:

Zwei große Völker, die sich gegenseitig massakrieren – ist denn das eine Karten- oder Dominopartie? ... Wo werden sie sein, die Schreier, am Tage der Revanche? Die meisten in einer Präfektur oder in den Ambulanzen ... und unterdessen werden die armen Teufel, welche ruhig zu Hause bleiben wollten, welche den Frieden sehr gesund und den Sonnenschein sehr süß finden, dort sich allerlei Glieder zerschießen lassen.

Gerhart Hauptmann:

Es ist verkehrt, den Mord im Frieden zu bestrafen und den Mord im Krieg zu belohnen. Es ist verkehrt, den Henker zu verachten und selbst, wie es die Soldaten thun, mit einem Menschenabschlachtungs-Instrument, wie es der Degen oder der Säbel ist, stolz herumzulaufen. Verkehrt ist es, die Religion Christi, diese Religion der Duldung, Vergebung und Liebe, als Staatsreligion zu haben und dabei ganze Völker zu vollendeten Menschenschlächtern heranzubilden.

Hippel:

Jeder Irrtum hat seine Schule, sein Auditorium. Keiner kann so übertüncht werden, als die Idee vom Kriege. Wahrlich, ein übertünchtes Grab!

Victor Hugo:

Das künftige Europa wird ein Europa des Friedens, der Arbeit, der Eintracht und des guten Willens sein. Es wird lernen und wissen. Es wird dem stolzen Ziele entgegengehen: der Mensch, welcher weiß, was er will, und will, was er kann. Wir verabscheuen das Gemetzel, welches in dem Kriege, das Blutgerüst, welches in dem Strafgesetz, die Hölle, welche im Dogma enthalten ist, aber unser Haß erstreckt sich nicht auf die Menschen, nicht auf den Soldaten, den Richter und den Priester. Jenen, die uns den Krieg bieten, bieten wir den Frieden; jene wollen unsere Seelen verfinstern, wir wollen die ihren erhellen. Unsere ganze Rache ist das Licht.

*

Ein Tag wird kommen, wo du Frankreich, du Rußland, du Italien, du England, du Deutschland, all ihr Nationen des Festlandes, ohne eure verschiedenen Eigentümlichkeiten und eure ruhmvolle Individualität zu verlieren, euch eng zu einer höhern Einheit verbinden und einen europäischen Bruderbund gründen werdet; genau ebenso wie die Normandie, die Bretagne, Burgund, Elsaß und Lothringen, alle unsere Provinzen das eine Frankreich gestiftet haben. Ein Tag wird kommen, wo es keine andern Schlachtfelder mehr geben wird, als die Märkte, die sich dem Handel eröffnen und die Geister, die sich den Ideen eröffnen. Es wird ein Tag kommen, wo die Kugeln und Bomben ersetzt sein werden durch die Stimmen, durch die allgemeine Abstimmung der Völker, durch das ehrwürdige Schiedsgericht eines großen, unabhängigen Senates.

Eugen Isolani:

Ein kriegführendes Volk gleicht dem Ugolino der italienischen Sage, der, mit den Seinen in einen Hungerturm gesperrt, diese auffraß, um, wie er sagte, seinen Kindern den Vater zu erhalten.

Alphonse Karr:

Man bewundert den kriegerischen Ruhm, der darin besteht, ohne Haß und eigentlichen Grund die größtmögliche Anzahl von Menschen zu töten, die unter einem anderen Stückchen Himmel geboren sind, – und das unter so eigentümlichen Umständen, daß, wenn sich morgen jenes Land unterwirft, nachdem es zur Genüge ausgeplündert worden ist, es ein durch die Gesetze, durch den Abscheu und die allgemeine Verachtung bestraftes Verbrechen wird, einem einzigen derselben Einwohner nach dem Leben zu trachten, die zu töten gestern noch so glorreich war.

Berta Katscher:

Nein, der Krieg ist nichts Unerläßliches! Bekämpft man nicht das Feuer und die Epidemien? Sucht man sich nicht gegen Hochwasser zu schützen? Bemühen wir uns nicht, eine ausgebrochene Feuersbrunst zu löschen? Geht das Bestreben der Behörden nicht dahin, die Cholera möglichst aus der Welt zu schaffen? Der Krieg ist noch schrecklicher und verderbenbringender – warum sollte ihm nicht ebenfalls vorgebeugt werden können? Warum wäre es unmöglich, ihn zu beseitigen? Er ist ein schlechtes Machwerk der Menschen, und was diese schaffen, können sie auch zerstören.

Leopold Katscher:

So sicher wie auf die Schneckenpost die Eisenbahn, auf den Nachen des Wilden der moderne Dampfer, auf das Talglicht die elektrische Beleuchtung, auf die Sklaverei und Leibeigenschaft das allgemeine Stimmrecht, auf das Mittelalter die Buchdruckerkunst und auf die allgemeine Unwissenheit der Schulzwang gefolgt ist, so sicher wird der Kriegszustand der Menschheit durch einen Friedenszustand ersetzt werden. Das ist vollkommen selbstverständlich für jeden, der den Entwickelungsgang der Menschheit mit Aufmerksamkeit und Verständnis verfolgt.

*

Man nehme sich ein Beispiel an jenem internationalen Friedensbund, dem Weltpostverein. Wie derselbe einem Zustande der Uneinigkeit und des gegenseitigen Kampfes gefolgt ist, so sollte dem Kriegsstadium der Menschheit das Einigkeitsstadium folgen, d. h. das internationale Schiedswesen. Ein Völkerfrieden-Weltbund ist ebenso leicht durchführbar wie es der Weltpostverein war und dabei noch viel dringender und wichtiger. Möchte die Schiedsgerichts-Idee recht bald ihren Stephan finden!

*

Wie furchtbar viel Unglück bringen die Kriege über Haus und Hof, über Herd und Familie, über Land und Volk! Dies gilt auch von den siegenden Staaten, nicht nur von den besiegten. Welche Anhäufungen von Bitterkeiten und Erbitterungen, welche Verschwendung von Menschenleben und Geldmitteln, welche Schädigung von Handel und Wandel, welche Beeinträchtigungen des geistigen, physischen, sittlichen und wirtschaftlichen Lebens gehen im Gefolge der Kriege einher!

*

Aus welch blöden, leeren, unsinnigen, lächerlichen oder tollen Ursachen werden Kriege oft heraufbeschworen und angezettelt! Aber vielleicht noch haarsträubender und absurder sind die Gründe, mit denen sie selbst heute noch von Menschen mit fünf gesunden Sinnen verteidigt werden. Man möchte manchmal die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen, in welchem Zeitalter man denn eigentlich lebt.

*

Krieg dem Kriege! Frieden! Frieden! Frieden! Dieses Feldgeschrei möge in den Herzen Aller widerhallen und sich als Losungswort ihren Köpfen einprägen.

*

Zwar ist den Machthabern Europas bereits das Bewußtsein der furchtbaren Verantwortlichkeit aufgedämmert, welche auf den Anstiftern und Förderern von Kriegen lastet; aber die bis ins Wahnsinnige anwachsenden Rüstungen, der bis ins Aschgraue in Waffen starrende »Friede« birgt, solange er nicht dem wirklichen, mit internationalen Schiedsgerichten verknüpften weicht, fortwährend die Gefahr, daß es jeden Augenblick da oder dort »losgehen« kann, abgesehen davon, daß dieser andauernde » Si vis pacem, para bellum«-Zustand kaum weniger Arbeitskräfte von produktiverer Thätigkeit abzieht, d. h. die wirtschaftlichen Verhältnisse der Völker kaum weniger schädlich beeinflußt, als ein tüchtiger Krieg von kurzer Dauer.

*

Warum nicht mindestens die abendländischen Staaten den gemeinsamen Beschluß fassen, wenigstens ihre gegenseitigen Streitigkeiten nie mehr durch Kriege, sondern lediglich durch schiedsgerichtliche Entscheidungen auszutragen, ist umso unerfindlicher, als erstens die Kriegsunlust der Staaten eine sehr große geworden ist und als zweitens ja schon ziemlich viele internationale Zankäpfel im Schiedswege aus der Welt geschafft worden sind. Warum sollte in unsrer Zeit vielgerühmter Kulturfortschritte nicht leichter möglich sein, was schon vor fast dreihundert Jahren in Gestalt eines europäischen Staatenfriedensbundes durch Heinrich IV. beinahe verwirklicht worden wäre? Dem Abschluß von Schiedsverträgen steht keinerlei wirklich ernstes Hindernis entgegen.

*

Ist es wirklich eine Utopie, an das Aufhören der Kriege zu glauben? Ist es wirklich nur ein Traum, die Zeit des ewigen Friedens kommen zu sehen, wenngleich vielleicht erst in weiter Ferne? Nein, das ist kein Hirngespinnst! Der Urzustand der Menschheit mag in dem Kampfe aller gegen alle bestehen, aber mit zunehmender Gesittung nimmt die Schärfe und Allgemeinheit des Kampfes stetig ab. Der Abscheu vor den Greueln des Schlachtengetümmels, vor den mittelbaren und unmittelbaren Folgen des Krieges, vor der immer ärger werdenden Inanspruchnahme der physischen und finanziellen Kräfte des Europäers durch die allgemeine Wehrpflicht und die ungeheuren Rüstungen – dieser Abscheu wächst beständig.

Klopstock:

Des Menschengeschlechts Brandmal alle Jahrhunderte hindurch, der Hölle lautestes, schrecklichstes Hohngelächter ist der Krieg.

Alfred Koenigsberg:

Der Ausspruch der Friedfertigkeit und Sanftmut: »So dir jemand einen Streich gibt auf deine rechte Backe, dem biete auch die andere dar« (Matthäi 5, 39) war dem militärischen Standpunkt ungünstig. Der heutige Quäker und Mennonit, die um keinen Preis Waffen tragen, sind die letzten Vertreter dieses Urchristentums. Dieses und der Buddhismus waren friedfertig bis zur Blutscheu, und beide bekamen die härtesten Völker zur Belehrung und Bändigung zugewiesen. Chinesen und Japaner sind die grausamsten Völker, die da Blut wie Wasser vergießen, und die Bewohner Europas sind die kriegerischsten des Erdballs.

Emerich Kowalek:

Die Moral wird doch siegen über die sittliche Inferiorität der Kriegsidee, wie der Staatsgedanke über die sittlich ebenso niedrige Idee des Raufprinzipes unter den Individuen gesiegt hat.

*

Das Aufhören der Kriege ermöglicht erst Völkermoralität. Die Duldung der Selbstjustiz zwischen den Staaten hindert die Geltung des Sittengesetzes in deren gegenseitigem Verkehre! Und Versumpfung, moralische Versumpfung! Da müßten ja alle Einzelmenschen, die sich den Staatsgesetzen unterwarfen und die brutale Selbstjustiz aufgaben, schon längst im moralischen Sumpfe erstickt sein. Statt dessen sind aber die Anhänger des Krieges offenbar noch nicht zur Erkenntnis der Forderungen der Moral gelangt. Wie könnten sie sonst, was beim einzelnen Sittigung heißt, bei der Gesamtheit Unmoral nennen, was beim einzelnen Verbrechen heißt, bei der Gesamtheit als Tugend bezeichnen?

Lessing:

Es wäre recht sehr zu wünschen, daß es in jedem Staate Männer geben möchte, die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären und genau wüßten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhört.

E. Linker:

Traurig ist es, daß man sich derart gewöhnt hat, die Kriege als einen unausbleiblichen Ausfluß menschlicher Leidenschaften zu betrachten, daß man sich die Lösung wichtigerer Fragen ohne Blutvergießen gar nicht vorstellen kann. Muß in tausenden und tausenden von Familien Trauer und Elend einkehren, müssen wirklich hunderttausend notwendig gebrauchte frische junge Leute abgeschlachtet werden (wir konstatieren daß nur mehr Greise und Krüppel dienstfrei bleiben), bevor man dazu schreitet, mittels Traktates einen Streitpunkt zu regeln? Nein, wir sind darüber hinaus; diese Zeiten sind vorbei. Auf allen anderen Gebieten konnten die fortschrittlichen Ideen Feld gewinnen, und das Zurückbleiben auf dem Gebiete der Friedenssicherung ist eine Anomalie, welcher abgeholfen werden muß; es ist nicht das Ergebnis der menschlichen Leidenschaften. Im Gegenteil: nicht die Leidenschaften sind es, die Kriege hervorrufen; nein, die Kriege selbst erwecken erst recht neue Leidenschaften. Und so konnte es kommen, daß wir in der Geschichte Fälle finden, in welchen ein unlauterer Krieg, Anfangs vom Volke mit Unwillen aufgenommen, in seinem späteren Verlaufe einen nationalen Charakter erhielt.

Fr. Aug. Ludwig:

Wer leugnet, daß ein gewöhnlicher Soldat oft mutiger, umsichtiger als sein Führer gewesen sei? Kein Ruhm ist ungerechter verteilt als der Kriegsruhm. Viel tausend Ungenannte, Unbekannte deckt die Erde, deren Namen eine Ehrenstelle in der Reihe der Kriegshelden gebührte. Der Ruhm geht im Kriege blind einher und verstreut willkürlich seine Ehrenzeichen. Kriegsruhm ist ein Kind des Zufalls. Jede Nation birgt in sich jeden Tag, zu jeder Stunde Kampfeshelden, denen nur die Gelegenheit fehlt, ihren Mut zu bewähren. Ja, im Verhältnis wird in Friedenszeiten mehr Mut und zwar neuer Mut und Thatkraft entfaltet, als im Kriegsdelirium.

*

Auf zerschossene Glieder, auf zerrüttete Gesundheit, auf Krüppeltum willst du stolz sein, Mensch? Mord und Raub hältst du für Ruhm? Den Tod, fern von der Heimat, fern deinen Lieben, nennst du begehrenswert? Willst du Gott und dich selbst belügen?!

Guy de Maupassant:

Der Krieg – wenn ich nur an dieses Wort denke, so überkommt mich ein Grauen, als spräche man mir von Hexen, von Inquisition – von einem entfernten, überwundenen, abscheulichen, naturwidrigen Dinge. Der Krieg – sich schlagen! Erwürgen, niedermetzeln! Und wir besitzen heute – zu unsrer Zeit, mit unsrer Kultur, mit dem so ausgedehnten Wissen, mit so hoher Stufe der Entwicklung, auf der wir angelangt zu sein glauben – wir besitzen Schulen, wo man lernt zu töten – auf recht große Entfernung zu töten, eine recht große Anzahl auf einmal ... Das Wunderbare ist, daß die Völker sich dagegen nicht erheben, daß die ganze Gesellschaft nicht revoltiert bei dem bloßen Worte: Krieg.

*

Jeder, der regiert, ist ebenso verpflichtet, den Krieg zu vermeiden, wie ein Schiffskapitän verpflichtet ist, den Schiffbruch zu vermeiden. Wenn ein Kapitän ein Schiff verloren hat, wird er vor Gericht gestellt und verurteilt, falls man erkennt, daß er sich Nachlässigkeit zu schulden kommen ließ. Warum wird die Regierung nach jedem erklärten Kriege nicht gerichtet? Wenn die Völker das verständen, wenn sie sich weigerten, ohne Grund sich töten zu lassen – dann wäre es mit dem Kriege aus.

*

Geben Sie mir zu, daß der Krieg eine grauenvolle Sache sei, daß dieser Abschlachtungsbrauch der Völker einen dauernden Zustand der Barbarei schafft, daß es empörend ist, während doch »das Leben« das einzig reelle Gut vorstellt, zu sehen, wie die Regierungen, deren Pflicht es ist, das Dasein ihrer Unterthanen zu schützen, alle möglichen Mittel zu deren Vernichtung anwenden.

Angelo Mazzoleni:

Der Krieg ist nicht das Recht, sondern die Verleugnung des Rechtes; er bedeutet die Vergangenheit mit allen ihren Vorurteilen und allen ihren Irrtümern im sozialen Leben; er ist ein Blutaderlaß, der ebenso die Sieger wie die Besiegten schwächt; er ist nichts anderes als ein grausamer Wahnsinn.

Konr. Ferd. Meyer:

Aus innerster Überzeugung erkläre ich mich mit den Zielen jeder Friedensliga einverstanden, in gehorsamer Verehrung unseres erhabenen Meisters aus Nazareth.

Montesquieu:

Eine neue Krankheit hat die Regierungen Europas ergriffen: zahllose Heere zu halten. Diese Krankheit wird notwendig ansteckend werden, weil, sobald ein Fürst sein Heer vermehrt, die anderen ihm nachfolgen, und dieser Zustand äußerster Anspannung der Kräfte aller gegen alle heißt jetzt Friede!

James Cotter Morison:

Wenn nicht die große Masse selbst der zivilisierten Menschheit, wie Carlyle sagt, Narren wären, so könnte wohl ohne Zweifel durch Aufsparung der ungeheuren, in den Annalen der Geschichte beispiellosen Summen, welche jetzt auf Kriegszurüstungen verwandt werden, sehr schnell Erleichterung geschafft werden. Und die Entfernung aller Furcht vor dem Kriege wäre sogar ein noch viel größerer Gewinn als die Abschaffung aller Kriegsbudgets.

Pindar:

Dem, der ihn nicht kennt, ist der Krieg süß;
Aber wer ihn kennt, schaudert bei seinem Nahen.

C. Radenhausen:

Der einzelne Mord erregt Abscheu, der Mörder wird verachtet und verfolgt, aber der Krieg, mit Anwendung der höchsten Kenntnisse geführt, um absichtlich Tausenden das Leben zu rauben oder zu verkümmern, erregt keineswegs Abscheu, sondern die herdenweisen Mörder werden verherrlicht. Auch die Eltern geben willig ihre Söhne, die Stützen ihres Alters her, um sie jahrelang in den Künsten des Menschenmordes unterrichten zu lassen, fühlen sich hochgeehrt, wenn der Sohn wegen seiner Geschicklichkeit im kunstgerechten Töten und für die gelungene Vernichtung einer Menge Mitmenschen Belohnungen und Auszeichnungen empfängt. Dieses Verhältnis würde den richtigen Sinn haben, gut sein, wenn Abrichten zum Morde lediglich geschähe, um den Verband wider Angriffe verteidigen zu können, den Pflichten der Notwehr zu genügen, oder wenn die Abgerichteten darüber zu entscheiden hätten, ob ein Fall vorliege, der es verdiene, der Lebensgefahr sich auszusetzen. Davon ist nirgends die Rede; vielmehr liegt die Absicht vor, nicht nur Verteidigungskriege zu führen, sondern auch andere.

Rahel:

Mich verzehrt der wütende Krieg. Ja, laßt mich ihn schimpfen! Wie kommt er noch unter schon vernünftige, wissenschaftliche, sanfte, religiöse Menschen, bei denen alles mit Worten sollte gemacht werden können?

*

So verhaßt mir der Krieg ist wegen seiner Greuel, wegen meiner persönlichen Furcht und weil er meinem Herzen so weh thut, so ist er es mir doch gewiß zur Hälfte ganz darum, weil er die Erde in Unordnung bringt, welches mir das Entsetzlichste, ja, nicht zu Fassende ist, daß er alles stört: jedes Hauswesen, jedes Geregelte, jeden Plan, jedes Geordnete.

*

Es wird eine Zeit kommen, wo Nationalstolz ebenso angesehen wird wie Eigenliebe und andere Eitelkeit, und Krieg wie Schlägerei. Der jetzige Zustand widerspricht unserer Religion. Um diesen Widerspruch nicht einzusehen, werden die entsetzlichen, langweiligen Lügen gesagt, gedruckt und dramatisiert.

Richard Reuter:

Je mehr Lauheit und Zweifelsinn im großen Publikum bis zu einem gewissen Grade natürlich sind, um so mehr wäre es Sache der Wortführer des Volkes, soweit dieselben sich dem Friedensgedanken ergeben haben, dieser Lauheit ununterbrochen und systematisch entgegen zu wirken und sie in siegesgewisse Zuversicht zu verwandeln. Vor allen anderen würde diese Pflicht also der Presse obliegen, welche ja sonst stets so bereit ist, den Namen der Wortführerin der öffentlichen Meinung in Anspruch zu nehmen.

*

Bisher beruhte die Erhaltung des Friedens auf dem guten Willen der Regierungen und dem Geschick der Diplomatie. Das Ergebnis dieses Zustandes liegt in mehr als wünschenswerter Klarheit zutage. Es ist die tausendjährige Leidensgeschichte der Völker. Es ist eine unabsehbare Reihe von Kriegen bis auf die jüngste Vergangenheit hinunter, welche mit ihren Blutströmen, Leichenhügeln, Aschenhaufen und dem weiteren unendlichen Jammer in ihrem Gefolge, vielleicht mit einigen Ausnahmen, welche sich an den Fingern herzählen lassen, zum Mindesten auf der einen Seite, oft genug auf beiden das Werk äußerster Bosheit und Frivolität waren. Es ist in neuester Zeit eine die Früchte der friedlichen Arbeit der Völker verschlingende, das Mark ihres Wohlstandes ausdörrende, dauernde Kriegsrüstung, deren Druck schon mehr als einmal den verzweifelten Wunsch nach einem die Lage klärenden Kriege, ja nach einer förmlichen Katastrophe, nach einem europäischen Brande erzeugt hat.

*

Schwerlich sind jemals einem neuen und großen Gedanken die Phantasterei und die Utopie häufiger, lauter, höhnischer und auch erbitterter und gehässiger entgegengerufen worden, als dem, die unmittelbaren Interessen und den unmittelbaren Willen der Völker zu Hütern des Friedens zu machen und damit den Krieg und die Kriegsgefahr weiter und weiter in den Hintergrund zu drängen, bis sie einem späteren und glücklicheren Geschlechte nur noch in verschwimmender Nebelgestalt als sagenhafter Spuk in der äußersten Ferne des Gesichtskreises erscheinen. Freilich, es hat auch seit achtzehnhundert und neunzig Jahren keinen erhabeneren Gedanken in der Welt gegeben.

*

Die Möglichkeit einer besseren sittlichen Ordnung, als es die bestehende Mißordnung ist, zwischen den Völkern und Staaten leugnen, heißt der Menschheit die Fähigkeit absprechen, die großartigen, wahrhaft erhebenden Fortschritte der Versittlichung der Beziehungen zwischen den einzelnen, aus denen der göttliche Funke klarer, als aus irgend etwas anderem hervorleuchtet, auf die Beziehungen zwischen den großen Gemeinschaften der Völker zu übertragen, heißt die Staaten, deren letzter Zweck doch die Inthronisation von Recht und Sittlichkeit an Stelle der Gewalt ist, mit diesem Zwecke auf ihre inneren Zustände beschränken, untereinander aber sie zu ewigem Verharren auf der untersten, rohesten Stufe zu verurteilen.

*

Soviel ist sicher: von den Völkern her droht die Kriegsgefahr nicht. Aber es wird aus der Mitte der Völker der Kriegsgefahr nicht so entschieden und nachdrücklich und erfolgreich entgegengearbeitet, wie es sein könnte und sein sollte. Wenn es also nicht nötig ist, die Kriegswut der Völker zu dämpfen, so ist es um so notwendiger, ihre Friedensliebe und das Bewußtsein ihres ungeheuren Interesses an der Erhaltung des Friedens zur That anzufachen.

*

In dem Maße, in welchem die Beziehungen der Völker auf edlere, auf vernünftigere, auf sittlichere Grundlagen werden gestellt werden, wird dem fressenden Krebsschaden des Militarismus Einhalt gethan werden können; anders nicht. Der Kampf gegen den Militarismus hat nur Sinn und Verstand, insoweit er mit dem Kampfe für die Begründung und Verbreiterung des Friedensgedankens geführt wird. Wer diesen einzigen Weg verkennt oder ihn aus irgend einem Grunde nicht betreten will, thäte gut, seine Zeit, Kraft und Mühe anderen Dingen zuzuwenden als dem aussichtslosen Kampfe gegen den Militarismus.

*

Es ist der Friedensgedanke, welcher allein dem überwuchernden Militarismus mit Erfolg entgegengeworfen werden kann; es ist seine Ergreifung und Verwirklichung durch die Völker. Die Aussicht ist geschwunden, daß, auf dem europäischen Festlande wenigstens, die Regierungen sich des großen Gedankens bemächtigen werden; es ist nun Sache der Völker, dieses zu thun, und nur wenn sie es thun, können sie hoffen, von dem »Moloch des Militarismus«, welcher keine abgenutzte Redensart, sondern eine furchtbare, leider alle Tage junge Wahrheit und Thatsache ist, erlöst zu werden. So lange der Krieg als das naturgemäße letzte Mittel der Wahrung der Interessen der Völker, der berechtigten wie der unberechtigten, und der Regelung ihrer wechselseitigen Beziehungen gilt, ist die Unersättlichkeit des Militarismus weder mit Deklamationen über seine Überflüssigkeit noch Jeremiaden über die von ihm dem Volke auferlegten Lasten zu bekämpfen.

*

Von den Regierungen möge man verlangen, stürmisch und gebieterisch verlangen, daß sie ihre fortwährend betonte Friedensliebe auch noch auf eine andere Weise bethätige als durch die Vorbereitungen zum Kriege »zum Zweck der Erhaltung des Friedens.« Es ist Zeit, daß dieser armselige und zweischneidige Notbehelf durch ein besseres Mittel ersetzt werde!

*

Die »Wortführer« der Nation dürfen nicht darauf warten, daß der Gedanke des Völkerfriedens den breiten Schichten der Bevölkerung von selbst in Fleisch und Blut übergehe und ihnen dann die leichte und dankbare Arbeit des Wiederspiegelns, des Aussprechens, was Millionen denken, obliegt.

Jean Paul Richter:

Wollte ein großer Staat nur die Hälfte seines Kriegsbrennholzes zum Bauholz des Friedens verbrauchen, wollte er nur halb so viel Kosten aufwenden, um Menschen als um Unmenschen heranzubilden und halb so viel zu entwickeln als zu verwickeln, standen die Völker ganz anders und stärker da.

P. K. Rosegger:

Nein, Kriege zwischen zivilisierten Völkern sind keine Naturnotwendigkeit, sie werden heute nur mehr künstlich gemacht. Den verhängnisvollen Aberglauben, daß sie notwendig wären, ausrotten, heißt die Kriegsgefahr vermindern; die Zuversicht, daß beständiger waffenloser Weltfrieden möglich ist, trägt mächtig bei zur endlichen Erreichung dieses Friedens. Solche Zuversichten zu stärken, zu verbreiten, ist unsere Pflicht.

*

Der Krieg mag einmal zeitgemäß und naturnotwendig gewesen sein; aber muß er es auch bleiben? Die Sklaverei, die Völkerwanderung, die Inquisition waren zu ihrer Zeit naturnotwendig, und doch haben sie aufgehört. Der Mensch entwickelt sich eben, aber nicht durch den Krieg ... Wenn der Krieg, wie man gern sagt, der Vater großer Tugenden wäre, so müßten die Menschen vor lauter Morden und Brennen schon Heilige oder Götter sein ... Nein, nicht die rohe Gewalt fördert die Entwickelung, sondern der Idealismus.

*

Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß die Menschen den Frieden finden, wenn sie ihn nur suchen.

*

Wir Modernen sind geboren zur friedlichen Arbeit; wir können unsre Tapferkeit bethätigen im Kampfe mit der äußeren und inneren Natur, in der Erfüllung nützlicher Berufspflichten, in der Liebe zum Nächsten. Solche Kämpfe sind mindestens ebenso schwer wie das mechanische Hinschießen auf einen Feind, dessen Person uns gleichgiltig ist.

*

Die Alten! Kämpfen und Bluten an und für sich haben sie für Tugenden gehalten! In wilder Leidenschaft haben sie gerungen – Mann gegen Mann, Zahn um Zahn. Bei uns muß in Kriegszeiten das persönliche Haßgefühl erst künstlich erzeugt werden; für uns kämpfen in die Ferne hin die Waffen fast allein. Wir kämpfen nicht mehr aus Kampf- und Mordlust, sondern zumeist nur sehr notgedrungen. Daraus ersieht man, wie sehr die Natur sich durch die Zivilisation geändert hat.

*

Humanitätsduselei! – höre ich spotten. Die so rufen, die haben wohl noch keinen Bruder, keinen Gatten, keinen Sohn auf dem Schlachtfelde gehabt und sie selber sind vielleicht auch noch auf keinem gestanden. Und sind sie einmal auf dem Schlachtfelde, so mag es ja sein, daß sie, berauscht von allerlei, bereit sind, »heldenhaft« in den Tod zu springen. Aber liegen sie nur erst tagelang schwerverwundet unter Sterbenden und Leichen, hilflos, lablos, dann wird es mit der hochklingenden »Sterbensfreudigkeit« ein Bewenden haben.

*

Fragt nur das Volk, den Bauer, den Bürger, den Arbeiter, den wahrhaften Edelmann, fragt sie, ob es ihnen nach einem Kriege verlangt! ... »Um Gotteswillen, nein!« werden sie ausrufen. Erst wenn sie künstlich durch Parlamentsreden, Zeitungsartikel, Maueranschläge, kirchliche Demonstrationen u. s. w. angestachelt werden, dann entwickelt sich eine spontane Begeisterung, die ansteckend wirkt und im Taumel hinreißt. Sie wird erstickt in einem Meere von Thränen. O sage nur niemand, daß das Volk den Krieg wolle, daß der Krieg eine unabwendbare Notwendigkeit sei!

*

Die sogenannten Friedensjahre sind gerade gut genug, um sich von dem stattgefundenen Kriege zu erholen oder auf den künftigen vorzubereiten. Und dafür unsre hohe Kultur, unser Menschenstolz?

*

Wenn sich alles Maßgebende für den Frieden ausspricht – die Natur, die Religion, die Philosophie, der Vorteil –, warum sollte er nicht möglich sein? ... Oder soll die Gegenwart eine Sklavin der Vergangenheit bleiben? Nein, die Gegenwart sei die Mutter der Zukunft!

*

Das Herz wird einem warm, wenn man diese humanitären Bestrebungen und Maßregeln des roten Kreuzes liest; doch wir fragen uns, warum nicht ein bischen früher an die Humanität, an die allgemeine Nächstenliebe appellieren? Warum erst nach der Schlacht? Warum nicht vor derselben? Wenn die Bevölkerung einmal durch allerlei künstliche Mittel gegen den »Feind« verbittert gemacht worden ist, wird es schwer halten, im Angesichte des recht- und erbarmungslosen Massenmordes, des von Blut und Brand rauchenden Schlachtfeldes, auf einmal die Nächstenliebe zu wecken.

Roszkowski:

Um die große Friedenspropaganda fruchtbarer zu machen, müssen schon die Gemüter der Jugend für das richtige Verständnis dieser Idee vorbereitet werden. – Sie muß bereits in dieser Überzeugung erzogen werden, daß das Ideal der Menschheit der Friede, nicht aber der Krieg sein soll und daß die Kriegslorbeeren den Menschen weniger zieren als die Thaten der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit.

J. V. Scheffel:

Man kann dem Allvater im Himmel nicht gefallen durch Haß, Verfolgung oder gar Tötung auch nur eines seiner Menschenkinder. Also keinen Klassen-, Rassen-, Massenhaß mehr!

Schiller:

Diese Weisheit, welche Blut befiehlt, ich hasse sie in meiner tiefsten Seele.

(»Maria Stuart«)

*

Es ist der Krieg ein roh, gewaltsam Handwerk. Man kommt nicht aus mit sanften Mitteln.

(»Piccolomini«.)

Eugen Schlief:

Die Selbständigkeit und Würde eines Volkes und Staates wird durch nichts so sehr gefördert und erhalten wie durch die Anerkennung dieser Selbständigkeit und Würde bei anderen Staaten und Völkern.

*

Einer der beliebtesten Einwände gegen die Heranbildung eines Völkerrechtes ist der, daß man damit dem Kosmopolitismus in die Hände arbeitet. Dieser Einwand ist aber so wenig richtig, daß vielmehr das Gegenteil zutrifft. Will sich der Einzelstaat grundsätzlich erhalten wissen, so muß er mit seines Gleichen in geordnete völkerrechtliche Verbindung treten, gerade so wie der einzelne Kulturmensch seine Existenz für gesichert nur ansehen kann, wenn er mit seines Gleichen in geordneter Rechtsgemeinschaft lebt. Gerade also die Ausgestaltung einer internationalen Rechtsgemeinschaft ist als Vorbedingung für die Erhaltung des nationalen Staates anzusehen; fehlt diese Ordnung, so wird sich auch in Zukunft, wie bisher in allen früheren Zeiten bis in die Gegenwart hinein, bei einem einzelnen übermächtigen Staat zeitweilig das Streben nach Universalismus geltend machen, welcher darauf ausgeht, die anderen Staaten als solche zu beseitigen und einen Weltstaat zu gründen, als dessen Rechtfertigung immer der Vorwand hat herhalten müssen, daß er den »ewigen Frieden« herbeiführen werde.

*

Die ewige Kriegsbereitschaft der Völker ist lediglich ein Zopf, welcher der Gegenwart ganz widersinniger Weise anhängt und ihr über kurz oder lang abgeschnitten werden muß.

*

Es ist wirklich schwer, keine Satyre zu schreiben, wenn man beobachtet, aus welchem tiefen Brunnen reiner Menschlichkeit alle diejenigen schöpfen, welche heut zu Tage eine gemeinsame Thätigkeit der Nationen fordern, um »die Gebrechen der Erde zu heilen«, und dabei ein Regiment Soldaten nach dem andern aus der Erde stampfen. Alle internationalen Konferenzen nach Art der Berliner wollen eine Verbindung der Völker, um möglichst durchgreifend das zu bethätigen, was nach Anschauung der Kulturwelt »Rechtens« sein soll; und die Vertreter der Regierungen lachen einander nicht an wie die Auguren im alten Rom, wenn sie sich überlegen, daß es doch ein offenbarer Widersinn ist, dem »Recht« eine so positive, wohlwollende Förderung angedeihen zu lassen, ehe irgend eine Maßregel ergriffen wird, um dem elementarsten Unrecht in internationaler Hinsicht, d. h. dem Krieg, wenigstens grundsätzlich vorzubeugen?!

M. Schwann:

Die Freiheit und Sicherheit der Menschheit zu schaffen, ist der Endzweck jedes Staates, jeder Vergesellschaftung. Der Militärstaat aber züchtet die Unfreiheit und Unsicherheit, er erzwingt den Frieden durch Gewalt und künstliche Lähmung; er vergißt seiner Aufgabe der Menschenbildung und so haben wir »den Krieg im Schooße des Friedens.«

Sophokles:

Liebe und Vernunft, nicht Blei und Eisen, sollten die liebe- und vernunftbegabte Menschheit regieren, denn nicht mitzuhassen, sondern mitzulieben sind wir da.

(»Antigone«.)

Sperans (pseud.):

Privatleuten muß das Leben sakrosankt sein, so will es die Ordnung, das Recht, die Sitte, die Gesellschaft; ... aber der national organisierte Höllenmaschinismus ist das Rückgrat moderner Kultur, ruhmvoll und pflegebedürftig ...

Wilhelm Strecker:

Wozu der ungeheure Aufwand an Geld und Gut, die Verkümmerung der wirtschaftlichen Wohlfahrt, die Knechtung der Bürger, die herzlosen Menschenschlächtereien? Ergibt doch die einfachste Betrachtung, daß der Krieg, indem er zu gunsten der Macht, nicht des Rechtes, entscheidet, unmöglich zur Schlichtung von Rechtsfragen dienen kann!

*

Auch der glücklichste Krieg ist in Ansehung der gar nicht rückerstattbaren Kosten, welche die vorhergehende Kriegsbereitschaft erforderte, selbst für den Gewinner noch ein Unglück; übrigens erweisen sich die durch Waffenerfolg errungenen Vorteile meist als vorübergehend, denn sie werden durch den nächsten Krieg schon wieder in Frage gestellt und verursachen ihren Erringern meist mehr Gefahr und Beunruhigung als wirklichen Nutzen.

*

Die Geschichte lehrt an vielen Beispielen, daß niemals durch Waffenerfolg allein ein dauernder Machtbesitz geschaffen werden konnte, daß die größten durch Eroberung entstandenen Reiche immer wieder – gewöhnlich sehr rasch – zerfielen, und daß die Macht und Kraft der Völker immer nur in ihrer geistigen Bildung und sittlichen Tüchtigkeit lag.

*

Das Bestreben warmherziger Volks- und Menschenfreunde, die Bedingungen eines dauernden Friedens unter den gebildeten Völkern herzustellen, wird vorläufig noch mit Geringschätzung und Spott behandelt. Noch immer stößt man allenthalben auf die Meinung, der Krieg hänge mit der Eigentümlichkeit der Menschennatur zusammen und könne darum nicht beseitigt werden. So gedankenlos wird diese Meinung geglaubt und weiter verbreitet, wie noch vor drei Jahrzehnten in manchen amerikanischen Ländern die Behauptung, die Abschaffung der Sklaverei sei eine Unmöglichkeit und werde, wenn dennoch versucht, zum wirtschaftlichen Untergang jener Länder führen.

A. G. v. Suttner:

Selbstbewußtsein durch den Krieg?! Im Geisteskampfe an der Spitze zu schreiten, ist das richtige Selbstbewußtsein, welches erhebt, veredelt und ein Volk auf die Dauer groß macht, während das Kriegsglück verwildert; auch liegt es in der Hand einer allzu launenhaften Göttin, um erstrebenswert zu sein.

*

Durch die Abschaffung des Krieges ginge der Mut verloren?! Dieser bethätigt sich keineswegs im Schwergewichte der Faust, sondern in anderer Weise und bedarf durchaus nicht eines Krieges, um geweckt zu werden. Es gibt ganz andere Gelegenheiten, denselben an den Tag zu legen, allein die große Mehrzahl – und gerade die Mehrzahl des »starken Geschlechtes« – weicht solchen Gelegenheiten geflissentlich aus. Da ist z. B. gleich eine naheliegende Frage – die Friedensfrage nämlich – die den Mut der freien Meinungsäußerung bedingt, auf die Gefahr hin, für feige erklärt zu werden. Und zwei Dinge verträgt der Mann so ungemein schwer: als dumm oder feig zu gelten ... Es kommt nun darauf an, solchen Anfeindungen zu trotzen – und dazu gehört ganz gewiß eine tüchtige Dosis Mut. Aber in der Schneidigkeit des Niederschlagens den echten, den edlen Mut zu suchen, ist verfehlt.

*

Diese Kampf-Begeisterungs-Dichter haben eine verzweifelte Ähnlichkeit mit den Banderilleros, denen das überflüssige Amt zufällt, den Stier mit den bänderbehangenen Widerhaken noch toller zu machen als er schon ist.

Berta v. Suttner:

Aus »Die Waffen nieder«.

Solange ein Krieg währt, interessiert sich niemand für das geistige Leben. Und das ist eine schlimme Zeit für die Nation, bei welcher solche Teilnahmslosigkeit natürlich geistigen Niedergang zur Folge hat.

*

Mit Ausnahme der Armeelieferanten giebt es keinen Geschäftsmann, dem der Krieg nicht unberechenbaren Schaden brächte. Alles stockt: die Arbeit in den Fabriken, die Arbeit auf den Feldern, unzählige Menschen werden verdienst- und brotlos. Die Papiere fallen, das Agio steigt, alle Unternehmungslust versiegt, zahlreiche Firmen müssen Bankerott erklären – kurz, es ist ein Elend, ein Elend!

*

Vieles in den überschwenglichen Ruhmestiraden, welche die Schlachtenberichte begleiten, klingt hohl, wenn man sich die Schrecken der Schlacht vergegenwärtigt – so falsch und hohl wie eine als Preis für eine echte Perle erhaltene Blechmünze. Die Perle Leben, ist sie wohl ehrlich bezahlt mit den Blechphrasen der geschichtlichen Nachrufe?

*

Wenn sich mehrere Hunde um ein paar Knochen raufen, so zerfleischen einander doch nur die Hunde; in der Völkergeschichte aber sind es meist die dummen Knochen selber, welche auf einander losschlagen und sich gegenseitig zertrümmern, um für die Rechte der sie begehrenden Streiter zu kämpfen.

*

Warum nicht gegenseitig die Rechte abwägen, um sich zu verständigen und, wenn dies nicht gelingt, eine dritte Macht als Schiedsrichterin anrufen? Warum nur immer beiderseitig schreien: »Ich – ich bin im Rechte!«? Sogar gegen die eigene Überzeugung schreien, bis man sich heiser geschrien und losschlägt, die Entscheidung der Gewalt überlassend? Ist das nicht Wildheit? Und das nennen die Leute »äußere Politik!« Äußere und innere Roheit ist es, staatskluge Schildbürgerei, internationale Barbarei.

*

Die Ursachen, welche vor Ausbruch eines Krieges von den Kabinetten als Veranlassung desselben angegeben werden, treten in den Hintergrund, sobald die Schlachten geschlagen sind.

*

Jeder Krieg, was immer dessen Ausgang sei, enthält unweigerlich den Keim eines folgenden Krieges in sich. Ganz natürlich: Ein Gewaltakt verletzt immer irgend ein Recht; dieses erhebt über kurz oder lang seine Ansprüche, wird dann von neuem durch unrechtschwangere Gewalt zum Austrag gebracht, und so ins Unendliche. Immer der »Andere« ist der Kriegwünschende.

*

Immer dem »anderen« wird vorgeworfen, daß er Gewalt an die Stelle des Rechtes setzen will. Warum ist es denn überhaupt noch völkerrechtlich möglich, daß dies geschehe?

*

Das Staunenswerteste ist, daß Menschen einander überhaupt in so furchtbare Lagen bringen; daß Menschen, die so etwas gesehen, nicht knieend hinsinken und einen leidenschaftlichen Eid schwören, gegen den Krieg zu kriegen; daß die Fürsten nicht das Schwert von sich schleudern ...

*

Merkwürdig, wie blind die Menschen sind! Anläßlich der einst »zur größeren Ehre Gottes« entflammten Scheiterhaufen brechen sie in Verwünschungen über blinden, grausamen, sinnlosen Fanatismus aus, und für die leichenbesäten Schlachtfelder sind sie voll Bewunderung. Die Folterkammern des finstern Mittelalters flößen ihnen Abscheu ein, auf ihre Arsenale aber sind sie stolz!

*

Nein, nein: mit Kohle läßt sich nicht weiß färben, mit asa foetida nicht Wohlgeruch verbreiten und mit Krieg nicht Frieden sichern!

*

Ich kenne ein Märchen von George Sand, genannt »Gribouille«. Gribouille hat die Eigenheit, sich, wenn Regen droht, aus Furcht vor dem Naßwerden in den Fluß zu stürzen. Wenn ich höre, daß der Krieg angetragen wird, um drohenden Gefahren vorzubeugen, muß ich immer an Gribouille denken.

*

Da haben wir's schon wieder, das berühmte »europäische Gleichgewicht«! (Welcher kriegsdurstige Heuchler hat diese hohle Phrase erfunden?!) Seht dieses Wandbrett mit den kostbaren Schalen darauf; es schwankt, die Schalen könnten herunterfallen, also – schlagen wir hinein!

*

Wenn ein neuer Völkerzwist heranzieht, dann lese man nicht die neuen Zeitungen, sondern die, welche vom vorigen Krieg datieren, und man wird sehen, was für Wahrheitswert all den Prophezeihungen und Prahlereien beizumessen ist. Das ist lehrreich!

*

Das Militär ist da, um, wenn der Feind das Land bedroht, dasselbe zu schützen, gerade so wie die Feuerwehr da ist, um, wenn ein Brand ausbricht, denselben zu löschen. Damit ist weder der Soldat berechtigt, einen Krieg, noch der Feuerwehrmann, einen Brand herbeizuwünschen, um Gelegenheit zu persönlicher Auszeichnung zu haben ... Der Friede ist die höchste Wohlthat – oder vielmehr die Abwesenheit der höchsten Übelthat –, der einzige Zustand, in welchem die Interessen der Bevölkerung gefördert werden können, und da sollte man einem Bruchteil dieser Bevölkerung das Recht zuerkennen, den gedeihlichen Zustand wegzuwünschen und den verderblichen zu ersehnen? Krieg führen, damit die Armee beschäftigt werde? Häuser anzünden, damit die Löschmannschaft sich bewähren und Lob ernten könne?!

*

Glück und Ruhm sind auch noch durch ganz andere Mittel zu erreichen als durch den Krieg; stolz kann man auch auf ganz andere Leistungen sein als auf Waffenthaten.

*

Vaterlandsverteidiger: das ist der schön klingende Titel, mit welchem der Soldat geschmückt wird. Und in der That: was kann es für die Glieder eines Gemeinwesens für eine edlere Pflicht geben, als die, die bedrohte Gemeinschaft zu verteidigen? Warum aber bindet dann den Soldaten sein Fahneneid zu hundert andern Kriegspflichten, als die der Schutzwehr? Warum muß er angreifen gehen, warum muß er – wo dem Vaterlande nicht der mindeste Einfall droht – wegen der bloßen Besitz- und Ehrgeizstreitigkeiten einzelner fremder Fürsten dieselben Güter – Leben und Herd – einsetzen, als ob es sich, wie es doch zur Rechtfertigung des Krieges heißt, um die Verteidigung des gefährdeten Lebens und Herdes handelte?

*

Der Krieg – diese Verkennung der Solidarität der Nationen, dieser Gegensatz des Begriffes Zivilisation, dieser von der Menschheit freiwillig über sich selber beschworne Feind ...

Aus »Das Maschinen-Alter«:

Das Nationen-Ich über alles zu stellen, dasselbe zu loben bis zur Verhimmelung, es durch Herabsetzung, Verachtung und – wenn erforderlich – Vernichtung des nationalen Nächsten zu heben, war [in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh.] erste Bürgerpflicht. Das Gefühl der Feindseligkeit, welches die Mitglieder eines Gemeinwesens unter einander nicht nähren und nicht bethätigen konnten, ohne die moralischen und staatlichen Gesetze zu verletzen, galt als ein erhabenes Gefühl, wenn es von einem Gemeinwesen gegen das andere gehegt wurde. In Friedenszeiten durfte es durch gegenseitige Schmähung, Drohung, Verlachung geäußert und nach erfolgter Kriegserklärung durch Beraubung, Mordbrennen und Totschlag befriedigt werden. Der schon längst im Zügel gehaltene individuelle Egoismus, mit allen seinen durch sittliche und religiöse Vorschriften erstickten Trieben von Nächstenhaß und Selbstanbetung, führte im Nationalegoismus sein Dasein nicht nur unbehelligt, sondern bewundert fort.

*

Natürlich, solange die verschiedenen Länder alle ihre Söhne in Waffenbereitschaft hielten, um sich gegen Angriffe zu schützen oder gelegentlich selber anzugreifen, mußte das Gefühl der Feindseligkeit lebendig erhalten bleiben, denn dasselbe bot für den immer drohenden Fall des Krieges die beste Gewähr, daß dem Gegner so viel als möglich Schaden zugefügt würde. Daß es im Zustande des Krieges keine zweckentsprechenderen Gefühle geben könne als begeisterte Liebe zum Vaterlandsbegriff und glühenden Haß gegen den Feind, das ist unleugbar. Ob aber der Krieg selber ein zweckentsprechender Zustand sei – das ist eine Frage, die schon damals von vielen Seiten eine verneinende Antwort fand. Schon manchem war es klar, daß zwischen Nationen dasselbe Verhältnis Platz greifen könne und solle, welches zwischen Individuen durch Gesetz und Sitte vorgeschrieben war: nämlich die Beschränkung der Selbstsucht durch Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen; die Voraussetzung, daß jeder nur so weit sein eigenes Wohl fördern dürfe, als dadurch die Rechte und Ansprüche der Nächsten nicht beeinträchtigt würden. Manche also waren der Überzeugung, daß derselbe Kodex, welcher unter den Bürgern eines Staates Geltung hat, einst auch die Beziehungen der gleichzivilisierten Nationen unter einander beherrschen müsse – wenn anders der Gang der Zivilisation in der eingeschlagenen Richtung weiterschritte. Die Entfernung von der Barbarei hatte bis dahin mit der Entfernung vom Kriegsgeiste Schritt gehalten, – warum sollte das in Zukunft nicht weiter so gehen?

*

Kampf und Krieg sind nicht gleichbedeutend; es giebt tausend andere Arten des Wettbewerbs, als den mittels Totschlags ausgeführten.

*

Das Europa des neunzehnten Jahrhunderts war noch tief in Barbarei versunken. Bis an die Zähne bewaffnet standen die Völker da, stets bereit, über einander herzufallen. Der höchste zu erlangende Ruhm war der militärische und der größte Stolz einer Nation war auf ihr Kriegsglück gegründet. Feindschaft und Haß, Rachsucht und Raubsucht – diese aus dem Zustand der Wildheit überkommenen, durch die Kultur damals im Privatleben schon gedämpften, aus dem Typus einer höheren Menschheit seither ganz verschwundenen Affekte – bildeten zur Zeit noch den Untergrund des internationalen Verkehrs. Zwar nicht in Permanenz, aber permanent schwebend. Heute lebten die Völker in Freundschaft – ein Befehl von oben und morgen mußten sie einander in den Haaren liegen.

*

Die Grundlage alles nationalen Stolzes – eines aus der ältesten Zeit überkommenen Gefühls – bildete allerdings das berechtigte Bewußtsein einer Überlegenheit, nämlich diejenige der durch Kriegsglück erworbenen Macht; in der Regel wurzelte das Kriegsglück auch in überlegener Tapferkeit und Klugheit, und so kommt es, daß dieser auf dem Rechte kriegerischer Erfolge fußende Stolz – der Patriotismus überhaupt – so innig mit den kriegerischen Ideen verwachsen blieb.

*

Um eines Streifen Landes willen sind sie auf einander losgezogen, dabei wird aber auf beiden Seiten das ganze Land verwüstet und entvölkert.

*

Im Maschinenalter hatte der Militarismus eine solche Höhe und Blüte erreicht wie im Mittelalter die Kirchenmacht. Ein Zusammenbruch des anwachsenden Wehrwahnsinns war unvermeidlich. Aller Reichtum, alle Volkskraft, alles Leben nur auf Ein Ziel – Vernichtung – hingelenkt: ein solches System mußte endlich entweder die Menschheit oder sich selber vernichten. Die Steigerung der Zerstörungsfähigkeit war unabsehbar.

*

Es herrschte blindes Vertrauen zu jenem von Geschlecht zu Geschlecht überlieferten und noch immer bei jedem möglichen Anlaß vorgebrachten, altrömischen Idiotensatze: Si vis pacem, para bellum. Dadurch, daß es lateinisch war, war das Axiom übrigens schon halb als richtig erwiesen; für die andere Hälfte der Richtigkeit bürgte die vieltausendfache Wiederholung.

Das Land A schwört hoch und teuer, daß es den Frieden will und sich nur so furchtbar macht, weil Land B sonst den Frieden bräche. Genau dasselbe sagt Land B mit Bezug auf A. Beide parieren: sonderbares Duell. Sonderbarer Friede: beide zeigen sich die Zähne. Jedes mutet dem anderen Hinterlist und Tücke zu – weil jedes vermutlich selber tückisch ist –, jedes rüstet, um es den Rüstungen des anderen gleichzuthun; dadurch entsteht ein endloses Überbieten. Immer grimmiger krümmen sich die Krallen, immer spitzer entblößen sich die Eckzähne, immer höher sträuben sich die Borsten ... Wenn das zwei Eber thun, so weiß man, was das bedeutet; zwischen zwei Nationen hieß es dazumal einfach auswärtige Politik und bedeutete freundnachbarliche Friedensliebe.

*

An Stelle der Gewalt das Recht – das heißt: an Stelle der nationalen Selbstjustiz das internationale Schiedsgericht.

*

Unter dem dürren Blätterwerk der vieltausendjährigen Unvernunft sproßten die Triebe klarerer Erkenntnis gar gewaltig nach; täglich sich verbreitend, stündlich sich kräftigend, wuchs die Idee des Völkerfriedens empor und ringsum das Kriegsgerät: Herbstlaub im April.

*

Die Einzelnen, welche eine der offiziellen Meinung entgegengesetzte Meinung hegen, glauben immer, daß sie die Einzigen seien. Wenn nur alle gegenseitig sich kennten, sich zählten – so würde oft zu aller Staunen sich herausstellen, daß die offizielle sogenannte »allgemeine« Meinung eigentlich nur mehr von Vereinzelten gehegt wird, und daß die gegenteilige Meinung thatsächlich schon lange die wirkliche allgemeine war. Hätte zu jener Zeit, wo doch ganz Europa in Waffen starrte, wo jeder Mann Soldat war, wo keiner sein Leben sein eigen nennen durfte, wo alles Geld in die Kriegskassen, alle Jugendkraft auf die Übungsplätze floß, hätte da eine Volksabstimmung stattgefunden, es wäre nur ein Ruf erschallt, der Ruf: Friede.

Aus »Vor dem Gewitter«:

Die Manöver sind die Feste und Proben der großen Verstaatlichung des Tötens.

*

Der Krieg, ich sehe ihn kommen, denn auf der Erde wuchert jetzt eine Eisen- und Sprengstoff-Vegetation, gegen welche ein Urwald aus Giftbäumen, mit Tigern und Schlangen bevölkert, ein wahrer Vergnügungsgarten wäre.

*

Kriegsverwaltung! Ein solches Ding wird auch noch verwaltet. Was würde man zu einem Cholera-Ministerium sagen?!

*

Das Entsetzliche, das Höllenhafte, welches sich da vorbereitet – mit welch verruchtem Eifer arbeiten ihm die Einen vor und mit welcher blindheitgeschlagenen, stumpfsinnigen Gleichgiltigkeit stehen die Anderen daneben! Statt daß alle ihre ganze Kraft daran setzten, diese Gefahr aus der Welt zu schaffen, schieben sie dieselbe nur hinaus, indem sie sie unablässig vergrößern. Sie üben sich darauf ein, alljährlich werden glänzende Probespiele des Ernstfalles abgehalten. Die Ruhe des Erdteils, das Leben von Millionen wird auf eines Messers Schneide gestellt ...

*

Die Völker hätten wohl Lust, den Kriegserklärern zu sagen: »Wenn ihr schon durchaus um Länderstreifen Würfel spielen wollt, so thut es, – aber nicht mit unseren Knochen!«

Aus »Zeitschriften-Beiträgen.«

Der Krieg ist eine Einrichtung, eine Verhaltungsart zu gewissen Erscheinungen, nicht ihre Folge. Etwa so wie die Todesstrafe eine Verhaltungsart zum Verbrechen ist und nicht dessen Ausfluß. Man kann die Todesstrafe aufheben, ohne vorher das Verbrechen auszurotten. Letzteres wäre ja ganz schön, aber es gehört nicht zu der Frage, ob diese Art Maßregel beizubehalten oder abzuschaffen sei. Das Auffressen der Menschen war auch einmal Sitte, das Foltern und Verbrennen war Rechtsbrauch – der Krieg ist gegenwärtig noch beides. Aber die erwachte Erkenntnis, daß das Kriegführen – nach neuen Begriffen – weder sittlich noch rechtlich, noch irgendwie vernünftig ist, kann genügen, um dazu zu schreiten, diese Einrichtung durch eine andere zu ersetzen.

*

Der Krieg ist zum Anachronismus geworden. Er ist kein »Krankheitsausbruch«, kein »Naturgesetz« oder wie all diese Begründungen seiner vermeintlichen Unvermeidlichkeit benannt werden, er ist nicht die erzwungene Wirkung außerhalb liegender Bedingungen; er trägt seine Bedingungen in sich selber: er ist nur noch zusammengesetzt aus Kriegsgewohnheit, Kriegszwang und Kriegshetze – und in Folge der letzteren zum kleinen Teil auch aus Kriegslust.

*

Man spricht immer von den menschlichen Leidenschaften und meint, daß diese Leidenschaften zu ihrer Befriedigung nicht des Krieges entraten können. Da rechnet man nicht mit dem lodernden Feuer, das in dem Herzen der neuen Menschheit aufgeflammt ist, nicht mit der immer heftiger werdenden Begierde nach Gerechtigkeit, nicht mit dem tiefen Haß und Ekel gegen Lüge, Knechtschaft und Grausamkeit; nicht mit dem wilden, schier unerträglich werdenden Schmerz des Mitleids, welches das rings waltende Elend – obenan das herzzerreißende Unglück des Krieges – uns abzwingt. Nein, nicht mit blutloser Sanftheit und Weichheit, sondern mit der viel heftiger tobenden, elektrisch pulsierenden Leidenschaft zum Guten sollen die alten, schon vielfältig ermatteten Leidenschaften des Bösen besiegt werden.

*

Daß es außerhalb Europas noch barbarische Völker giebt, die über uns herfallen könnten, ist kein Grund für die zivilisierten Völker, sich gegen einander zu rüsten und auf einander zu stürzen. Durch ein internationales Rechtssystem verbunden, bliebe ihnen ihre ganze Wehrkraft zur Abwehr wilder Horden, zur Aufrechterhaltung innerer Ordnung, zur Exekutivgewalt ihres Tribunals übrig.

*

Nicht »erhaltener«, sondern gesicherter Friede, nicht hinausgeschobener, sondern aufgehobener Volksmord ist's, was die Völker nunmehr zu fordern berechtigt sind; dabei kann nicht die Aufhebung aller Streitigkeiten und Gegensätze als Vorbedingung erlangt werden, sondern nur das Amt ihrer Schlichtung sei von den Kanonen auf die Vernunft übertragen.

*

Kann man den Druck in Abrede stellen, den die öffentliche Meinung unwiderstehlich ausübt? Der Wille, der sich in den breiten Massen kundgiebt, wirkt auf diejenigen ein, in deren Händen die Entscheidung liegt – und da heutzutage auch die Mächtigen den Frieden wollen, so würden auch diese bald selber dasjenige zu thun wissen, dessen man die Friedensvereine mit Recht für unfähig erklärt. Damit die letzteren aber jenen Einfluß, jenen Druck üben können, müssen alle Gleichgesinnten zusammenhalten – von einander wissen – ihre Kräfte vereinen, nicht abseits bleiben und so den Schein erwecken, daß sie zu den Gegnern gehören.

*

Die Zeit wird hoffentlich kommen, in welcher der Webstuhl der Geschichte nicht mehr in den sogenannten »Kabinetten« stehen wird, wo die hin und her fliegenden Schiffchen in Gestalt von Diplomaten die Fäden so lange durchkreuzen, bis ein buntes Schlachtgemälde daraus wird.

*

Man baut Panzerschiffe, um die Fahrzeuge gegen die Kugeln der Gegner zu sichern; man konstruiert Torpedos, um diese Panzerschiffe in die Luft zu sprengen; man umgibt die gefährdeten Kolosse mit Stahlnetzen, um die Torpedos wirkungslos zu machen; man verfertigt Scheeren, um diese Netze zu zerschneiden; man wird nun daran gehen, die Kraft dieser Scheeren abzuschwächen, und – so fort ins Endlose. Da drängt sich nur noch die Frage auf, ob die Menschen, die all das bewerkstelligen, wirklich Wesen sind, die Anspruch erheben können, mit Vernunft ausgestattet zu sein.

*

Die Verherrlicher des Krieges (an sich) sind nicht unsere schlimmsten Gegner, denn sie sind zu gering an Zahl und zu sehr mit dem Zeitbewußtsein im Gegensatz, um sich vernehmlich machen zu können. Das sind unsere eigentlichen Widersacher, die den Krieg für notwendig, für unvermeidlich, für ein »Naturgesetz« erklären. Gegen ein Naturgesetz ankämpfen ist Wahnwitz – aber gegen menschlichen Wahnwitz anzukämpfen: (und als solchen betrachten wir den Krieg, der ein Willensakt ist) das beruht auf einem Naturgesetz. Ich meine das Entwickelungsgesetz, welches den unaufhaltsam treibenden Faktor der Kultur vorstellt. Die Überwindung des Krieges ist, sofern die Zivilisation fortschreitet, eine verbürgte Phase der sozialen Entwicklung; die Zeit ihres Eintritts hängt nur von dem mehr oder minder großen Widerstand ab, der durch das Gesetz der Trägheit (auch unter dem Namen Konservatismus bekannt) der Bewegung entgegengesetzt wird.

*

Die Idee, daß wir in einer Staaten-Anarchie leben und daß diese aufhören kann, ist noch nicht zur Geltung gelangt, noch nicht in die Massen und schon gar nicht in die hohen Sphären gedrungen. Der drängende, gebieterische Volkswille muß erst geweckt werden; der sittliche Begriff von der Verwerflichkeit der Gewaltmittel muß sich überhaupt erst herausbilden, und das sind die Aufgaben, die die Friedensligen noch zu bewältigen haben.

*

Über den Chauvinisten und Nationalitätsfanatikern aller Länder steht eben heute in allen Ländern eine Klasse von Menschen, welche erkannt hat, daß das Menschheits- und das Kulturinteresse das Aufhören der Kriegsinstitution erheischt.

*

Der Krieg ist ein Ding, das die Masken- und Schleier- und Tünchelosigkeit nicht verträgt, das der schmeichlerischen Konvention nicht entraten kann, wenn es nicht Abscheu einflößen soll.

*

Doppelt traurig ist, daß unter den Gegnern des Fortschritts-, Freiheits- und Friedens- (die drei heiligen F!) Gedankens auch so viele gute Menschen sind, die wirklich glauben, dem Ideal und der Tugend zu dienen, indem sie die alten Götzen gegen den Ansturm der Neuzeit zu schützen suchen.

*

Die Verteidiger des Krieges, welche in diesem eine naturgewollte Form des Daseinkampfes sehen, kraft dessen die besten, tüchtigsten, fortgeschrittensten Nationen die schwachen verdrängen, sollten sich zu Gemüte führen, daß freilich auch zwischen den Nationen die eine die andere überragen und verdrängen kann, daß aber nur dann der tüchtigsten der Sieg zufällt, wenn in dem Kampf nicht das widernatürliche Element des maschinengeführten Schlachtkrieges die Entscheidung abgibt; denn in diesem Fall kann die roheste, rückständigste, unbedeutendste kleine Völkerschaft – etwa ein Fürstentümlein in den schwarzen Bergen dazu gelangen, ganz Europa montenegrinisch zu machen, falls nur zufällig dort der Elektrotechniker geboren wird, der den von Turpin in Aussicht gestellten Höllenmechanismus seinem Kriegsherrn in patriotischer Ergebenheit zur Verfügung stellt.

*

Endlich wird der Wille der Friedfertigung auch die Regierungen erfassen (nicht der Friedens erhaltung, denn dieser Wille besteht schon längst, sondern der Friedens sicherung) und dann wird Dasjenige eintreffen, wonach die ganze Bewegung zielt, nämlich daß von irgend einer maßgebenden Stelle die Initiative ergriffen wird, eine Konferenz behufs Verständigung, Ausgleichung, Verbündung einzuberufen, um die Grundlagen eines europäischen internationalen Rechtszustandes zu schaffen. An dem Tage, da die vom Volkswillen getragenen Volkslenker zusammentreten werden, um das internationale Rechtsverhältnis einzusetzen, werden die Friedensgesellschaften das geworden sein, was ihre Gegner sie stets nennen: »unnütz und überflüssig« – und das wird der schönste Tag ihrer Laufbahn sein.

*

Man soll als Pflicht nur auf sich nehmen, was man auch kann. Die Aufgabe der Friedensgesellschaften ist eine andere als das Ausbrechen des wegen der X-Frage drohenden Krieges zu verhüten, indem sie die X-Frage lösen; denn vor allem: sie haben nicht die Macht dazu und dann: sie wollen nur, und das können sie auch, die Idee zum Durchbruch und zur Geltung bringen, daß der Krieg gar keine Frage lösen kann, daß er ungesetzlich zu werden hat, daß er als Institution aufhöre. So hat z. B. der Scheiterhaufen aufgehört, in religiösen Fragen ultima ratio zu sein, und dazu war es gar nicht nötig, vorher alle konfessionellen Gegensätze zu glätten oder aufzuheben.

*

Wer sich in seiner Politik und seiner Lebensanschauung nicht bis zu dem Begriff »Mensch« emporschwingt, wird der Friedenssache nicht zum Sieg verhelfen. Solange der Gedanke der Feindseligkeit bestehen bleibt, genügt jedes Schlagwort, um das Schlagen zu rechtfertigen. Nicht gegen, sondern neben einander ist die Losung für ein friedliches Dasein.

*

Nicht den Frieden zu erhalten, sondern ihn erst zu schaffen, gilt's, denn wir haben keinen. Wir leben im Rüstungskrieg, in einem auf die Dauer unhaltbaren Waffenstillstand.

*

Alle wünschen dasselbe, nur zweifelt einer an dem Wunsche des anderen. Wüßten einmal alle, daß alle aufrichtig dasselbe wollen, dann wäre es auch schon erreicht. Aber gegenseitig wird der Verdacht der Kriegslustigkeit gehegt. Bald trifft dieser Verdacht die oberen, bald die unteren Klassen, bald die Kabinette, bald das Volk. O das Volk! – fragt man's denn? Und solche, denen wirklich der Wunsch oder der Glaube an die Möglichkeit des Dauerfriedens fehlt, die wälzen den Verdacht auf die Natur. Das ist aber falsch: der Kampf wohl, der Krieg ist kein Naturgesetz. Er ist eine menschliche Einrichtung wie der Feudalismus, wie die Ketzergerichte, wie die Todesstrafe. Zur Abschaffung gehört nur ein Willensakt derjenigen, die die Macht in Händen haben.

*

Die Fortschritte sind nicht gering, die in letzter Zeit die europäische Friedensbewegung gemacht hat. Dennoch: der Kampf, die Arbeit, welche die Friedensfreunde noch vor sich liegen haben, sind gewaltig; da muß man, um auszuharren, das ganze Feuer seines Herzens hineinlegen, man muß vor allem zusammenhalten.

*

Die Kriegserklärung ist die akute, die ewige Kriegsvorbereitung und stillschweigende Kriegssanktion aber die chronische Form desselben Verbrechens.

*

Die Liebe zum eigenen Lande und die Bereitschaft, es im Falle eines Angriffs zu verteidigen, wird durch die Mithilfe am Friedenswerk, welches das eigene und das Vaterland der Mitmenschen vor Angriffen sichern soll, nicht beeinträchtigt.

*

Es geht nicht an, daß die Lenker der Staaten miteinander in vertrautem und friedlichem Verkehr stehen, das Odium der gegenseitigen Befehdung und Verfolgung von sich streifen und dabei einen Zustand bestehen lassen, der die beiderseitigen Völker (die im Herzensgrunde nichts so sehr verabscheuen als den Krieg) totschlagend auf einander losgehen macht. Solche Widersprüche schreien nach Lösung und schreien täglich lauter.

*

Die Friedfertigung, die Einsetzung des Rechtszustandes hätte der Abrüstung vorauszugehen. Sie wäre die ebenso natürliche Folge der geschaffenen Sicherheit, als heute die Rüstungsüberbietung die natürliche Folge der als Institution herrschenden Unsicherheit ist.

*

Das Mißtrauen, welches beinahe zur patriotischen Pflicht gemacht wird, ist nur – das sollte man doch endlich durchschauen – das Instrument, welches von den Kriegsparteien aller Länder angewendet wird, um die gehörige rüstungssteigernde Stimmung zu erhalten, um das Kriegsfeuer anzufachen. Mißtrauen ist die Lebensluft des para-bellum-Systems.

*

Das Streben und Drängen der Thoren und Hitzköpfe giebt den Ausschlag in der Kriegs- und Friedensfrage. Das geschieht aber nicht, weil sie Thoren sind, sondern weil sie drängen und streben, während die Besonnenen und Sachlichdenkenden sich in Schweigen hüllen. Es ist Zeit, daß der laute Ruf der Vernünftigen das Schreien der Urteilslosen übertöne.

*

Die Dinge stehen so: Millionenheere – in zwei Lager geteilt, waffenklirrend – harren nur eines Winkes, um auf einander loszustürzen. Aber in der gegenseitigen zitternden Angst vor der unermeßlichen Furchtbarkeit des drohenden Ausbruches liegt einige Gewähr für dessen Verzögerung. Hinausschieben ist jedoch nicht aufheben.

*

Klein, das steht fest, ist die Zahl derer, die den Kriegszustand noch wollen. Noch kleiner die Zahl derer, die sich laut und im eigenen Namen zu solchem Willen bekennen. Unendlich groß hingegen sind die Massen jener, die den Frieden – nicht den ängstlich verlängerten, sondern den sicher gewährleisteten Frieden – ersehnen. Wer da die weiße Fahne schwingt, der hat eine Gefolgschaft von Millionen hinter sich.

*

Noch ein paar Jahre solchen »aufrechterhaltenen« Friedens, solcher Mordmaschinen-Erfindungen – elektrische Sprengminen, ekrasitgeladene Lufttorpedos – und am Tage der Kriegserklärung springen sämtliche Zwei-, Drei- und Vierbunde in die Luft.

*

Das Kampfgenossenschafts-Geschrei, welches bei verschiedenen Flottenbegrüßungen ausgestoßen wird und welches so leicht für den Ausdruck des Kriegswillens der Völker ausgelegt werden kann, sollte man doch nicht länger so mißverstehen; hat man denn noch immer nicht einsehen gelernt, daß es nichts Epidemischeres giebt als Hurrah- und Vivat-Rufe? – daß diese Rufe immer und für jede Sache, sobald das erste Signal gegeben – mit Naturnotwendigkeit, wie das Donnerrollen nach dem Blitz – die Lüfte erschüttern?

*

Die sogenannten »Segnungen« des Friedens, welche das bewaffnete Angstsystem zu erhalten strebt, die werden uns immer nur von Jahr zu Jahr garantiert, immer nur als »hoffentlich« noch einige Zeit vorhaltend hingestellt. Von der Abschaffung des Krieges, von gänzlicher Aufhebung des Gewaltprinzipes, davon wollen die zur »Aufrechterhaltung des Friedens« waffenbrüderlich verbündeten Gewalten nichts wissen. Der Krieg ist ihnen heilig, unausrottbar, und man darf ihn nicht wegdenken wollen; er ist ihnen aber auch – angesichts der Dimensionen, die eine künftige Konflagration entfalten wird – furchtbar, vor dem eigenen Gewissen unverantwortbar, also darf man ihn nicht anfangen. Was ist das aber für ein unnatürliches Ding, welches nicht aufhören und nicht anfangen, nicht verneint und nicht bejaht werden darf? Ein ewiges Vorbereiten auf das, was durch die Vorbereitung vermieden werden soll, zugleich ein Vermeiden dessen, was durch die Vermeidung vorbereitet wird?

*

Ist diese ganze Rüstungssteigerung nicht eine jahrelang betriebene stillschweigende Kriegserklärung? Offenheit! Auseinandersetzung! Verständigung! Das sind die Forderungen der Friedensfreunde.

*

Manöver! Warum nicht abwechslungshalber einmal Friedensmanöver? Man sollte doch einmal zur Übung ein Tribunal-Manöver veranstalten. Die Urteilssprüche hätten keine Geltung, geradeso wie die nicht scharf geladenen Geschütze keine Wirkung haben, aber man würde dabei lernen, wie im »Ernstfalle« vorgegangen werden sollte.

*

Ja, »unverhohlen« sprechen die Kriegsparteien und die gesamte politische Presse berichtet, was sie sagen. Zeit ist's, daß die Friedenspartei ebenso unverhohlen ihre Forderungen erhebe, daß sie von den machthabenden Friedensversicherern verlange, sie mögen nach ihren Worten auch handeln.

*

Ein Schlachtengott, dem man dafür danken soll, daß ein schönes Stück Erde blutgetränkt erobert worden, an den glaube ich nicht und bei jeder Gelegenheit soll es verkündet werden, daß dieser Glaube nicht stichhaltig ist. War es nicht derselbe Gott, der Ludwig XIV. half, jene Provinzen an sich zu reißen? Der Begriff »Schlachtengott« widerspricht dem ethischen Bewußtsein der Zeit. »Gott« ist stets der Name für das höchste Ideal gewesen, das jede Zeit, jedes Volk sich geschaffen hat und dem heutigen Ideal entspricht der Begriff der immer wachsenden, ins unendliche wachsenden Vernichtungsgewalt nicht mehr.

*

Wie richtig war doch jener Ausspruch: »Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich«! Bei allen wichtigen Dingen sollte das gelten. Wer nicht für den Frieden arbeitet, der arbeitet – wenn auch noch so geringfügig – gegen ihn. Der Satz ist umgekehrt ebenso richtig; daher zählen alle Chauvinisten die stillen Friedensfreunde zu den ihren; sie sind ganz berechtigt zu sagen: »Wer sich nicht gegen den Krieg erklärt, der ist für den Krieg.« Farbe bekennen, bitte!

*

Aus sämtlichen Manöverberichten – von hüben und drüben – ergiebt sich, da die Truppen jedes Landes mit dem Zeugnis summa cum laude hervorgehen, daß in künftigen Kriegen sich lauter Sieger gegenüberstehen werden. Wie lange wird sich denn der öffentliche Verstand noch solches bieten lassen?

*

Es ist unberechenbar, unabsehbar, was an Suggestion von Nationalhaß, von Kriegslust, von Rachewut und ähnlichen Gefühlen täglich durch Schule, Presse und militärische Kundgebungen in die Menge gestreut wird; daß dabei der Frieden doch anhält, daß eine Friedensbewegung entstehen und wachsen konnte, ist ein Beweis, wie heiß die Sehnsucht aller zivilisierten Völker schon darnach lechzt, daß überall der Mensch über die Bestie siege.

*

Auf sanitären Kongressen, die mit den Worten eröffnet werden, daß der Friede eine Notwendigkeit der modernen Welt ist, wagt keiner, dem Krieg – diesem ärgsten Feind des menschlichen Wohlergehens und Lebens – Fehde zu erklären. Was die Luft, das Wasser, das Pflanzengift, was die ganze Natur an Gefahren für uns birgt, das soll abgewehrt werden; aber was der Mensch selber freiwillig uns anthut, die künstliche Verstümmelung und Tötung, davor wird respektvoll Halt gemacht. Das kann nicht so fortgehen. An solchem Widerspruch müßten denkende Leute ersticken – und darum, nur zu! Noch mehrere solcher Anlässe zu Erstickungsanfällen und sie werden den Widerspruch lösen.

*

Die Verbrecherhaftigkeit der Absicht, Gebäude und unschuldige Menschen in die Luft zu sprengen, wird sehr lebhaft empfunden, wenn es sich um ein paar vereinzelte Anarchisten-Bomben handelt; wenn aber in aller Ruhe und mit kannegießender Wichtigkeit gesagt wird: diese oder jene Kriegspartei beabsichtigt, den Krieg herbeizuführen, aus finanziellen oder sonstigen »innerpolitischen« Gründen, wobei hunderttausendmal so viel Bomben losgehen würden, so findet man diesen Fall wohl auch einigermaßen »ernst«, aber dessen Verbrecherhaftigkeit fällt nicht auf.

*

Eine deutsch-russische Zeitung schreibt: »Der Abrüstungsgedanke liegt jetzt sozusagen in der Luft – wo er aber wohl auch bleiben dürfte.« Der letzte Satz ist wohl zum Trost der Militarismusfreunde hinzugesetzt. Das ist aber, als wollte man sagen, daß die in der Luft schwebenden Wolken nie als Regen herabfallen werden. Sie sind doch nur oben, weil sie von der Erde als Dunst hinaufgestiegen sind. Es handelt sich nur darum, daß sich die Dünste kondensieren, – dann fallen die Tropfen sicher zur Erde zurück.

*

Seitdem die Welt besteht, wurde Krieg geführt, – ja, darin haben unsere Gegner Recht. Die Völker standen sich feindlich gegenüber, weil eines dem andern beweisen wollte, daß es das stärkere, das mutigere, das gottgeliebtere oder einfach das rauflustigere war: jetzt bedrohen sie sich mit Tod und Vernichtung, nur um den Beweis zu liefern, daß sie die friedlicheren sind. » Ich, ich will das Losschlagen verhindern, ich bin der Spender des Friedenssegens«, so schreien die Gegner fäusteballend, säbelschwingend, kanonenbauend und stapellaufend.

*

Mit der Ära der Sprengstoffe und der Elektrizität ist in des Menschen Hände eine Vernichtungsgewalt gelegt, die es erheischt, daß fortan die Menschlichkeit zur Wahrheit werde. Die Bestie und der Teufel, der Wilde und das Kind, sie alle müssen in der Menschheit überwunden werden, wenn sie, mit solchen Mitteln in der Hand, die Welt nicht zur Hölle, zum Tollhaus oder zur Wüstenei machen soll.

*

Wir sehen nur, daß es immer dringender wird, dem Prinzip von der Legitimität des Krieges zu entsagen, immer dringender, die bedrohte Kultur zur Wahrheit zu machen. Solange sie mit sich selber in Widerspruch lebt, kann sie in sich selber zusammenfallen; erst wenn sie ihre Postulate in ihre Einrichtungen übertragen haben wird, wird sie unüberwindlich sein.

Tolstoj:

Die meisten Menschen unsrer Zeit befinden sich in fortwährendem schreienden Widerspruch zwischen ihrem Gewissen und ihrem Leben. Der auffälligste aller dieser Widersprüche besteht zwischen dem Bewußtsein des christlichen Gesetzes von der Bruderliebe der Menschen und dem Zwang, welchen der Menschheit der allgemeine Kriegsdienst auferlegt, d. h der Zwang, jederzeit zum Haß, zum Mord bereit zu sein, also gleichzeitig Christ und Gladiator zu sein.

*

Nach meiner Ansicht ist der Krieg als solcher eine so rohe, grausame und verabscheuenswerte Sache, daß kein Mensch, wenigstens kein Christ, persönlich die Verantwortung für den Beginn eines solchen auf sich nehmen kann.

*

Dem modernen Menschen wird gesagt: »Sei mein Knecht; du wirst nötigenfalls deinen eigenen Vater umbringen müssen. Und er beugt – auch wenn er ein gebildeter oder gelehrter Mann ist – seinen Nacken gehorsam unter das Joch. Er wird in Clownsgewänder gekleidet und erhält den Befehl, zu springen, sich zu recken, zu salutieren, zu töten – er gehorcht unterwürfig. Und wenn er schließlich entlassen wird, fährt er, wie früher, fort, über Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu deklamieren!

*

Wir, die einfach die Fremden, die Franzosen, die Deutschen, die Amerikaner, die Engländer, lieben; wir, die ihre Eigenschaften schätzen, die glücklich sind, ihnen zu begegnen, die sie mit Freuden aufnehmen, die den Krieg gegen sie nicht nur nicht als heldenmütige Handlung betrachten können, sondern nicht einmal ohne Entsetzen daran denken mögen, daß ein so schwerer Zwist entstehen könnte, – wir alle sind berufen, an der Abschlachtung teilzunehmen, die wenn nicht heute so doch morgen losgehen soll!

*

Man begreift es noch, daß die Juden, die Griechen, die Römer ihre Unabhängigkeit durch den Mord verteidigt und durch Mord andere Völker unterjocht haben, weil jedes von ihnen in der festen Meinung verharrte, das einzige auserwählte, tüchtige, gottgeliebte Volk zu sein, während die anderen nichts als Philister und Barbaren waren. Selbst die Menschen im Mittelalter konnten diesen Glauben haben. Aber wir, wir können ihn trotz aller Aufhetzungen nicht mehr besitzen.

*

Alle europäischen Völker sind nun schon seit Jahrzehnten damit beschäftigt, die besten Mittel zu ersinnen, um die Menschen totzuschlagen, und lehren die jungen Menschen, welche das reife Alter erlangt haben, wie man totschlägt. Alle wissen, daß es Barbareneinfälle nicht geben könne, daß die Vorbereitungen zum Totschlagen von christlichen zivilisierten Völkern gegen christliche, zivilisierte Völker gerichtet sind; alle wissen, daß dies drückend, schmerzlich, unnütz, verschwenderisch, unsittlich, gottlos und unvernünftig ist und alle bereiten sich zu gegenseitigem Totschlagen vor: die einen, indem sie politische Kombinationen ersinnen, wie sie mit dem Einen im Bündnisse sein und wie sie den andern töten werden; die andern, indem sie die Aufsicht führen über diejenigen, die sich zum Totschlagen vorbereiten; die dritten, indem sie sich gegen ihren Willen, gegen das Gewissen, gegen den Verstand diesen Vorbereitungen zum Totschlagen fügen. Wären nüchterne Menschen im Stande, das zu thun? Nur trunkene Menschen können solche Thaten thun und in dem schaudervollen Widerspruch des Lebens und des Gewissens leben, in welchem nicht nur in dieser, sondern in jeglicher anderer Beziehung die Menschen unserer Welt leben. Nie, glaube ich, haben die Menschen in einem so offenbaren Widerspruch zwischen den Forderungen ihres Gewissens und ihren Handlungen sich befunden wie jetzt; nie z. B. war, glaube ich, so allgemein und klar das Bewußtsein von der Unvernünftigkeit der Kriege, und nie haben sich die Menschen mit so wütender Leidenschaftlichkeit auf den Krieg vorbereitet.

Wilhelm Unseld:

Wer ist der größere Thor: der, der da in dem Glauben beharrt, in der Politik sei keine Vernunft und keine Gerechtigkeit, oder der, der es sich zu einem Teil seiner Lebensaufgabe macht, wahnwitzige und verbrecherische Ideen beseitigen zu helfen, darauf hinzuwirken, daß wirklich Gerechtigkeit und rechte Menschenliebe, nicht schablonenhafte, zu Tausenden von den Kanzeln gepredigte, Eigentum der Menschheit werde?

*

Mögen sie lachen, die Thoren, die den Moloch des Krieges heute noch als ihren Götzen anbeten, möge ihnen aber erspart bleiben, über ihre Thorheit blutige Thränen zu vergießen. Endlich muß der jetzige Zustand eine Änderung erfahren; in der Hand der Völker liegt es, dieselbe auf humane, vernünftige Weise herbeizuführen.

K. J. Weber (Demokritos):

Unsere Erde, auf der etwa 1500 Millionen Menschen leben, könnte noch zehnmal soviel nähren, wenn die Schwerter sich in Pflugscharen verwandeln würden und die Spieße in Sicheln. Wieviel Herrliches hätten die Menschen, die auf Schlachtfeldern ihr Leben verbluteten, nicht für den Staat leisten können, für den Anbau wüster Gegenden, für den Bau von Brücken, Straßen, Kanälen, neuen Dörfern; wieviel hätte mit dem verschwendeten Gelde geschehen können für öffentliche nützliche Anstalten! (Sollen aber durchaus Kriege sein müssen, sollten sie sich nicht wenigstens vermindern lassen, indem man deren Ursachen möglichst verminderte?)

*

Unser Militärsystem, das heißt die stete Bereitschaft zum Kriege, ist nachteiliger als der Krieg selbst; dieser endet früh oder spät, jenes bleibt. Die große stehende Armee ist und bleibt eine verderbliche Einrichtung, und wenn Europa es je so weit bringt, sie durch einen Kongreßbeschluß aufzulösen, so ist der große Schritt gethan, der am besten zur geselligen Ordnung und zum Völkerglück führt.

*

Waffengewalt entscheidet nie, auf welcher Seite das meiste Recht, sondern nur, wo die größte Kraft und das größte Glück ist; Krieg entartet also recht eigentlich die Menschheit, da er Menschen wie Bestien mit einander kämpfen läßt, den Wohlstand der Völker, den Fortschritt der Kultur und alle Sittlichkeit untergräbt, ja einen gewissen Nationalhaß erzeugt, der Jahrhunderte lang fortlebt.

*

In der Idee des Rechtes liegt auch schon die Idee des Friedens; ist das Recht Richtschnur der menschlichen Handlungen, so kann kein Krieg sein, und wollen wir den ewigen Frieden als Chimäre der Phantasie betrachten, so müssen wir auch jede Vernunftidee ins Land der Träume verweisen.

*

Zwei Millionen schöner, rüstiger Männer, im Angesichte der Sonne, ohne allen Haß gegen einander, stürzen auf Befehl von zwei Männern, ihresgleichen, wie rasend los auf einander ... Man vergißt, daß Eltern, Weiber, Kinder um die Gefallenen weinen, daß hunderttausend Niedergeschmetterte sich nur noch nach einem Tropfen Wasser sehnen, Tausende vielleicht lebendig in die Grube geworfen worden sind ... Unsere Eroberer haben ihre getreuen Unterthanen regimenterweise verschlungen. Wilde fraßen nur einzelne Feinde.

Gustav Willmer:

Nicht in den Zurüstungen zum Krieg soll der Wettkampf ferner stattfinden, sondern in den Arbeiten des Friedens, in Gewerben, in Kunst und Wissenschaft, im Streben nach geistiger Freiheit! Hierin die Siegerkrone zu erringen, sei fortan eines jeden Volkes höchster Ehrgeiz und dem Sieger wollen wir gern den Ruhm gönnen, an der Spitze der »Zivilisation« zu stehen.

*

Zur Verwirklichung nationaler Kulturideale bedürfen wir vor allem eines dauernden Friedens.

Zola:

Auch ich schwärme für die Abrüstung und den allgemeinen Frieden ... Und ich verspreche, so weit es an mir liegt, mit meiner ganzen Kraft und aus vollem Herzen an der Versöhnung der Völker mit zu arbeiten.


 << zurück weiter >>