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Vorwort

Ein paar Blumen dort auf der Wiese, eine hier am Strauch, einige nebenan im Warmhaus;

Perlen, verstreut in verschiedenen Muschelschalen am Meeresgrund;

Atome, flatternd im unendlichen Äther:

Das alles ergibt, wenn geeinigt, wenn zu einem Strauß, zu einem Halsband, zu einem Stern zusammengefügt, etwas ganz verschieden wirkendes Neues.

Und so sollen auch die in diesen Blättern enthaltenen Dichtungsblumen, Gedankenperlen und Weltanschauungsatome zu einem schwer duftenden Bouquet, zu einem glänzenden Schmuck, zu einem neuen Gestirn zusammengesetzt erscheinen. Mögen neben Prachtblüten auch ganz bescheidene gewöhnliche Kräutchen, neben kostbaren Perlen einige ganz kleine vorkommen: der Wert und die Wirkung liegen in der Zusammendrängung.

Daß Kondensierung Kraft erzeugt, ist ein Gesetz, das sich nicht nur auf physikalischem Gebiet bewährt; auch in geistigen Dingen will das zerstreut Umherflatternde zusammengepreßt werden, um Expansivkraft zu erlangen. Die Friedenssehnsucht! schon lange, schon mindestens neunzehnhundert Jahre (dies beweist das diesem Buch vorangestellte Motto) durchschwirren ihre Regungen die nach Vervollkommnung dürstende Menschheit; aber noch sehr zerstreut sind die Laute, durch welche diese Regungen sich geoffenbart. Die Kriegslust hingegen, die seit den Uranfängen unseres Geschlechtes, seit der Zeit, da unsere ersten Ahnen aus dem Kampf gegen den Höhlenbär als Menschen hervorgegangen sind, also seit ungezählten Jahrtausenden ihre Regungen bekundete, die hat sich längst kondensiert, hat ihre Expansivkraft schon nahezu ausgegeben. Noch stehen ihre Formen in riesigen Gebilden da: Millionenheere, festungsstarrende Grenzen, ins Unendliche wachsende Arsenale. Aber die Form ist tot oder mindestens sterbend, denn sie will ihren Inhalt nicht einmal mehr bethätigen; sie verleugnet den Wunsch, ihren Daseinszweck zu erfüllen; sie behauptet, da zu sein, um Dasjenige zu verhüten, wegen dessen sie sich gebildet hat – den Krieg. Den Frieden sollen ja die Rüstungen schützen – so lautet das Schlagwort.

Doch der Friede ist nun daran, sich seine eigenen Institutionen zu schaffen, er will nunmehr ins Leben treten, in Form und Inhalt offen übereinstimmend; und in den schon sichtbaren Anfängen dieses Werdeprozesses stehen wir eben.

Unter den Formen, durch welche der Geist sich offenbart, finden stets auch die Werke der Kunst sich ein. Welche Riesenlitteratur hat der kriegerische Geist gezüchtet! Welche Anthologien von Kriegsgedichten und Kriegsgeschichten liegen in den Schulen auf und wie wird von der Behörde für deren Massenverbreitung gesorgt! Wie wird – namentlich zu Weihnachten, dem Friedensfest – die Jugend mit sogenannt »vaterländischen« Büchern versorgt, in welchen so eng als möglich Blut und Haß, Rassendünkel und Mord, Brand und Wut zusammengepfercht erscheinen.

Jetzt kommt die Zeit der Friedens-Anthologien; jetzt liegt schon die Möglichkeit vor, mit dem Weihnachtssange der Engel als Grundton, Hunderte von gleichen Tönen aus Dichterharfen mitklingen zu lassen. Es war ein dankenswertes Thun, und mit Freuden können Friedensfreunde das vorliegende Buch in die Welt hinaussenden, daß es dort, ein siegesmutiger David, den Goliath der Kriegsliedersammlungen bekämpfe.

Die Jugend mag daraus lernen, daß edle Geister aller Zeiten – namentlich aber der neuen Zeit, denn in dieser erst tritt die laute Forderung nach Verwirklichung des in der heiligen Nacht verkündeten Ideals kräftiger hervor – mit feuriger Begeisterung gegen die grausame Unvernunft des Krieges sich erhoben haben. Sie kann daraus die Zuversicht schöpfen, daß sie einer neuen Aera entgegengehen wird und – ohne daß sie etwa den Pflichten der Gegenwart sich entziehen wollte, falls die noch unüberwunden ererbten Zustände dem Vaterland Gefahr brächten – sich anfeuern lassen, selber an dem Werke der Zukunft mitzuarbeiten, um jene Zustände zu beschleunigen, welche die Verheißung »Friede auf Erden« erfüllen, welche den »Schrecken der Menschheit«, der heute von allen Seiten droht, endlich umgewandelt haben werden in »den Menschen ein Wohlgefallen«.

Berta v. Suttner.

Erste Abteilung:
Dichtungen.

 

Motto:

»Ich setze meinen Stolz darein,
Ein Friedensfürst zu sein.«

Kaiser Wilhelm II.

 

 


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