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Frieden und Krieg.

(Aus dem Musikdrama »Guntram«.)

Guntram:

Ich schaue ein glanzvoll prunkendes Fest,
Eines blutig erkämpften Sieges Genuß,
Ich höre jubelnd preisen die Kraft,
Schmeichelnd huldigen des Siegers Gnade!
Betäubt steh' ich, fremd inmitten des Glanzes,
Sonnengeblendet wendet mein Auge
Den Blick nach innen, wo zart und mild
Erinnerung bewahrt ein herrlich Bild:

(Sehr zart.)

Ich sehe den Frieden –
Am rosigen Abendhimmel
Schwebt er mit Engelsflügeln,
Ein Seraph,
Länder und Meere schirmend, dahin!
Dem Fluge des Herrlichen
Eilet voran
Ein wonnig Erschauern
Der ganzen Natur:
Freudig errötet
Der starre Fels,
Rauschenden Willkomm
Fluten die Wasser,
Würzigen Duft schickt
Der Wald ihm zum Gruß,
Ihr schönstes Lächeln
Spendet die prangende Flur –
Frei atmet auf
Alles, was lebt,
Beglückt von der Ahnung
Der holden Nähe.

(Begeistert.)

Das Herz des Menschen,
Der ihn erschaut,
Durchströmt ein namenlos
Wunderbar Wonnegefühl!
Nun hält er an –
O blickt in dies Antlitz,
Liebevoll, rein,
Von Mitleid verklärt!

(Sehr leise.)

Teure Züge
Mein' ich zu erschau'n,
Der Geliebten Bild –
Ist es ein Trug?
Er senkt sich herab,
Er neiget das Haupt,
Rosige Düfte entwallen
Des Gütigen Mund.

Ein segenspendender, weicher Hauch
Beugt die Halme, den Landmann zu grüßen,
Weht verheißend auf spielende Kinder
Des Obstbaums blühende Farbenpracht;
Auf häuslichem Herde entfacht er das Feuer,
Das sorgsam gebannt in der Mutter Dienst;
Des heimkehrenden Arbeiters heiße Stirn
Umweht er kühl als Feierlohn:
Freies Blühen weckt überall
Der süße, belebende Odem,
Hoch sprießet auf des Fleißes Saat
Zu der Eintracht ruhigem Glück!
In der Seraphsflügel Wunderschatten
Regen sich, streben
Die edelsten Kräfte zum Höchsten empor –
Dem Verlangen wachsen Schwingen –
Schon schweben sie auf:
Des Engels traute Trabanten
Fliegen sie hin,
Ein keuscher Herold
Die Tugend voran;
Der Weckrufer des Guten
Vereint dem Genius des Schönen,
Der die Reinen führt
Auf der Menschheit Höh'n,
Sie im Wahnbild erlöst
Von des Lebens Not!

*

Holder beglückender Friede!
Am rosigen Abendhimmel
Schwebt er mit Engelsflügeln,
Ein Seraph,
Länder und Meere schirmend, dahin!

(Er hält an, ganz in sein Bild versunken.)

Robert (für sich):

Was soll der Sang?

Chor der Vasallen (unter sich):

Hört den Sänger!
Nie vernahm ich Gleiches!
Edel und kühn scheint mir der Mann!

Freihild (für sich):

Wie Himmelsbotschaft dringen
Die Töne mir ins Herz!

Herzog (zu Robert):

Seltene Gabe ist ihm verlieh'n!

Robert (spöttisch):

Solch frömmelndes Gebahren!

Herzog:

Hohe Kunst ist ihm eigen!

Robert:

Mir taugt er nicht.

Guntram (fortfahrend):

Doch hört: Von ferne
Welch wütendes Brausen!
Ein feuriger Sturmwind
Jagt tosend heran –
In blutiger Wolke erscheint,
Die Mordlust im Auge,
Auf der Stirne der Sünde Zeichen,
Ein gewaltiger Würger,
Der des Brandes Fackel verheerend schwingt!
Muß ich ihn nennen,
Des Krieges Dämon,
Des Todes schaurig düstern Knecht?
Blühende Dörfer
Fegt er zu Schutt,
Hochragende Burgen
Tritt er in Staub,
Glühenden Atems
Versengt er die Flur,
Alles Leben zerdrückt
Seiner Umarmung Gewalt!
Mit blutiger Geißel
Peitschet er auf den Haß;
Aus nächtiger Höhle
Scheuchet sein Ruf das Laster:
Wild tobt, entfesselt,
Der Begierden wütender Chor!
Brünst'ges Stöhnen,
Wehrlose Seufzer,
Des Triumphes Hohn,
Der Verzweiflung Jammer –
Weh! welche Klänge –
Des Todes Musik
Fachet an bis zur Raserei
Der Unholde grausigen Tanz!

(Freihild, von Grausen erfaßt, verhüllt ihr Gesicht.)

Bei der Gotteslästerung gellendem Schrei
Verhüllet die Sonne
Ihr strahlendes Haupt;
Verheerende Brände nur
Hellen die Bahn
Dem furchtbaren Würger,
Dem Dämon des Krieges:
Fluch sein Gebet,
Blutgier sein Glaube,
Raub seine Wonne,
Mord sein Werk!
Starre Öde
Allüberall:
Des Todes Reich!

Richard Strauß.


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