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Aus »Der Graf von Carmagnola.«

Horch, zur Rechten ein Klang von Trompeten!
Antwort giebt ihm ein Schmettern zur Linken!
Dumpf, von Rossen und Fußvolk zertreten,
Dröhnt auf jeglicher Seite das Feld!
Siehst du flatternd das Banner dort blinken?
Siehst du dies hier die Forderung erwidern?
Sieh', ein Heer in geschlossenen Gliedern
Naht! – sieh', wie sich ein andres ihm stellt!

Sieh', der Raum, der sie schied, ist verschwunden!
Schon begegnet der Degen dem Degen;
Jeder sucht eine Brust; – aus den Wunden
Rinnt das Blut; mit dem Blut wächst die Wut.
Sprich, wer sind sie? Zog dieser entgegen
Fernher dem, daß sein Land er verheere?
Ist's nicht jener, der flammend: »Ich schwöre!«
Rief und: »Heimat, dir opfr' ich mein Blut!«? –

Brüder nennt sie der Fremdling; sie reden
Eine Sprache; sie säugte die gleiche
Mutter; – siehst im Gesicht eines jeden
Nicht das Mal der Verwandtschaft du glüh'n?
All' gebar sie dies herrliche, reiche
Land, das, jetzo mit Blute begossen,
Allen übrigen Ländern verschlossen,
Rings das Meer und die Alpen umziehn.

O, wer zückte zuerst das verruchte
Schwert, den leiblichen Bruder zu fällen?
Des fluchwürdigen Streites verfluchte
Ursach', kennst du sie? nenne sie mir! –
Weh', sie kennen sie selbst nicht! sie stellen
Ohne Zorn sich, zu töten, zu sterben;
Feil ließ jeder mit Gelde sich werben,
Kämpft und fragt nicht, warum und wofür.

Wehe, Weh' den Verblendeten! – Haben
Sie nicht ängstliche Mütter? was fliegen
Nicht die Weiber herbei mit den Knaben,
Sie zu ziehen aus der ruhmlosen Schlacht?
Und die Greise, die ernst und gediegen
Reden können, was sind die Kohorten,
Die entflammten, mit kräftigen Worten
Sie nicht weise zu trennen bedacht?

Wie zuweilen der rastende Schnitter
Auf des Hüttenthors friedlicher Schwelle
Sieht, wie donnernd ein fernes Gewitter
Ein Gefild, das nicht sein ist, verheert, –
So wird, wer sie auf sicherer Stelle
Kämpfen sieht, dir gelassen mit kühlen
Worten sagen, wie Tausende fielen,
Wie man Städte verbrannt und zerstört.

Sieh', dort spricht eine Mutter zum Sohne;
Vor ihr sitzt er mit flammenden Wangen,
Denn sie lehrt ihn, zu nennen mit Hohne
Jene, die er einst schlägt auf das Haupt.
Siehst die Bräute der Sieger du prangen
In Geschmeiden, in Gürteln und Ketten,
Die das Heer in eroberten Städten
Den verlassenen Mädchen geraubt?

Wehe, Wehe! bedeckt das Gefilde
Mit erschlagenen Kriegern! Die Fläche
Wird zum blutigen Meere! Der wilde
Ruf der Streiter verdoppelt die Wut.
Ha! schon lösen die Glieder sich! – Schwäche
Lähmt den Schritt der ermatteten Züge!
Jedem wieder, verzweifelnd am Siege,
Scheint das Leben das köstlichste Gut.

Wie Getreide, geschleudert aus voller
Schaufel, weit durch die Luft sich verbreitet,
So zerstreu'n die Geschlagenen in toller
Flucht sich weit durch das rauchende Feld.
Sieh', ein Schwarm von Verfolgenden reitet
Ihnen nach! – an den ehernen Hauben
Der verwundeten Flüchtlinge schnauben
Schon die Rosse; schon sind sie umstellt.

Zu den Füßen der feindlichen Krieger
Stürzt, wegwerfend das Schwert, die bedrohte
Schar; – erstickt von dem Jubel der Sieger,
Hört der Sterbenden Winseln man nicht.
In den Sattel wirft schnell sich ein Bote,
Nimmt ein Blatt, es der Ferne zu bringen,
Spornt, sprengt fort; seht den Weg ihn verschlingen!
Durch die Städte schallt dumpf das Gerücht.

Warum eilt ihr hinaus aller Orten
Auf den Heerweg aus Häusern und Hütten?
Warum fragt ihr mit hastigen Worten,
Was für fröhliche Botschaft er bringt?
Ha, ihr wißt es, von wo er geritten
Kommt, und Fröhliches soll er euch sagen?
Brüder wurden von Brüdern erschlagen!
Das die Kunde! Nun jauchzet und singt!

Ringsum festliche Töne! Die Kerzen
Glüh'n im Tempel! vernimmst du die Lieder?
Auf zum Himmel aus mörd'rischem Herzen
Steigt, ein Gräuel ihm, frevelnder Dank. –
Von den Zinnen der Alpen hernieder
Blickt der Fremdling, begierig nach Raube:
Lächelnd sieht er die Starken im Staube
Liegen: jeglichen zählt er, der sank.

Eilt euch! Tretet zurück in die Glieder!
Haltet ein mit Triumphen und Festen!
Scharet um eure Standarten euch wieder!
Vom Gebirg steigt der Fremdlinge Macht.
Sieger, mißt ihr die Kühnsten und Besten? –
Drum jetzt naht euch der Feind von den Höhen;
Lüstern seht auf den Fluren ihn stehen,
Wo ihr Brüder erwürgt in der Schlacht!

Du, das eng deinen Söhnen geschienen,
Das im Frieden sie nicht zu ernähren
Weiß – die Zeit des Gerichts ist erschienen!
Fremde nah'n dir, unseliges Land!
Deinen Tischen und deinen Altären
Naht der Räuber, teilt unter die Seinen
Aus die Beute der Thoren, schlägt deinen
Kön'gen höhnend das Schwert aus der Hand.

Er ein Thor auch! kein Volk noch beglückten
Blut und Plünd'rung! Der Fluch fällt entsetzlich
Auf den mächtigen, lorbeergeschmückten
Sieger von dem Besiegten zurück!
Wohl ergreift den Bethörten nicht plötzlich
Eh'rnen Arms die ewige Rache,
Doch sie wartet, sie folgt, sie hält Wache,
Sie tritt ernst vor des Sterbenden Blick.

Eines Glaubens, geschaffen zum Bilde
Eines Einz'gen – zu jeglicher Stunde
Eures Lebens, auf jedem Gefilde,
Wo auch immer: vereinigt euch! liebt
Euch als Brüder! Die Hand reicht zum Bunde!
Fluch dem, der ihn verletzt, dem Meineid'gen!
Der den Weinenden wagt zu beleid'gen,
Der unsterbliche Geister betrübt!

Alessandro Manzoni.
(Deutsch von Freiligrath.)


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