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Gelehrte und Schulmänner.

Concepcion Arenal:

Daß zu Zeiten Attilas und Karls des Großen behauptet werden konnte, der Krieg sei ein notwendiges Mittel zum Fortschritt, ist begreiflich; aber es ist uns unverständlich, daß dasselbe zu Ende des XIX. Jahrhunderts ein humaner und dem Fortschritt huldigender Mensch verteidigen könne. Der Krieg ist nicht bloß Feldzug und Schlacht; ist nicht nur die Gewalt, der das Recht nicht beisteht; der Krieg ist nicht allein jene unberechenbare Anhäufung von Elend und Schlechtigkeit, die ihn begleiten. Der Krieg, der heutige, ist gerüsteter Friede. Der Krieg bedeutet die Verwendung des Reichtums der Nationen zur Erhaltung junger Müßiggänger oder angehender Wundenschläger; er bedeutet Elend und Unwissenheit, weil zur Belehrung des Volkes die Zeit und das Geld mangeln, das man zu Bewaffnung, Kleidung und Unterhalt der kampfbereiten Massen verwendet; er bedeutet Mangel des Notwendigsten für den Arbeitsunfähigen, den Verunglückten, den armen Kranken, die schwache Frau, weil die von ihm verschlungenen enormen Summen nicht erlauben, daß dem von den Steuern niedergedrückten Hilfsbedürftigen geholfen werde. Der Krieg ist Tod, Laster, vielleicht das Verbrechen des Kindes, das er vaterlos hinterließ, und das nicht erzogen werden konnte, weil die Gelder, die der Schule gewidmet gehörten, dazu verwendet wurden, die Menschen das Totschlagen zu lehren und ihnen Mordmaschinen zu verschaffen, die täglich mehr verschlingen. Der Krieg ist zugleich Beweis und Ursache des Rückstandes, nicht allein wegen seiner Attentate gegen das Recht, sondern als mächtiges Element des physischen und moralischen Elendes, des Mangels an Nahrung und Erziehung.

Bertsch:

Der fruchtbarste Boden für die Pflege der Friedensidee ist und bleibt die Schule, in welcher nicht bloß gelehrt, sondern auch erzogen wird. Der Abscheu vor den Schrecken des Krieges einer- und das Glück über die Segnungen des Friedens anderseits finden im jugendlichen Gemüte den willigsten Boden. Hier öffnet sich dem Lehrer, wenn er auch Jugenderzieher ist, ein prächtiges Feld für seine Tätigkeit im Interesse seiner Friedensbestrebungen.

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Also unablässig das Samenkorn des Friedens in die Herzen der Jugend gelegt, damit es erstarke und mit dem Träger wachse! Dies ist der sicherste Weg, die große Mehrheit der zivilisierten Welt zum Frieden zu erziehen. Und diese Mehrheit wird dann den Befehl erteilen: Die Waffen nieder!

Ludwig Büchner.

Wenn in den unteren und untersten Schichten der Gesellschaft persönliche Reibereien entstehen, so endigen sie in der Regel mit Raufereien, Schlägereien oder Messerstichen, weil dort die besänftigende Kraft der Überlegung und der moralischen Selbstbeherrschung fehlt, während unter Gebildeten das Gegenteil einzutreten pflegt. Gerade so sollten Völker von hoher Bildung oder Kulturstufe mehr den Verstand gebrauchen, um ihre Streitigkeiten auszufechten, als die Faust. Denn bei ihnen sollte nicht mehr der alte Irrtum des Urmenschen und barbarischer Zustände unterlaufen, als ob das eigene Interesse am besten durch Niederschlagen, Vernichten oder Unterjochen anderer Menschen oder Völker gewahrt werde. Ganz im Gegenteil müssen sie auch bei der oberflächlichsten Überlegung einsehen, daß es bei dem großen Weltverkehr der Gegenwart keine bessere Beförderung des eigenen Interesses giebt, als das Wohlsein der andern und die Unterhaltung friedlicher und freundschaftlicher Beziehungen mit denselben.

Dittes:

Die deutlichste Signatur des Zeitgeistes ist der Militarismus, der nimmersatte Moloch und die alles beherrschende Normalinstitution der Gegenwart. Ihm opfert man die Blüte der Jugend und den Ertrag der Arbeit, während ein großer Teil des Volkes der Mittel entbehrt, den Nachwuchs vor physischem Verfall und moralischem Verderben zu schützen. Und nicht zufrieden damit, greift der Militarismus mit seinem Geiste auch in diejenigen Gebiete hinüber, die sein Fußtritt verschont.

Camille Flammarion:

Wenn die Lenker der Völker, die Gesetzgeber, die Politiker wüßten, wie winzig die Erde ist, würde man vielleicht aufhören, diese in Stücke schneiden zu wollen. Dann würde in unserer Welt der Friede herrschen und sozialer Reichtum den ruinösen, beschämenden militärischen Wahnsinn ersetzen.

Professor W. Foerster:

Es wird in der Menschenwelt stets Gelegenheit zu viel herrlicheren Bethätigungen begeisterter Hingebung für das Vaterland und höchsten moralischen Mutes geben, als auf den Schlachtfeldern. Es ist nicht zu fürchten, daß die wahre Größe, die Frische und Energie der Menschen verloren geht, wenn die gewaltigen Kämpfe der Nationen eingedämmt und gemildert oder dereinst durch Rechtseinrichtungen zum Schweigen gebracht werden.

A. v. Humboldt:

Es darf die Hoffnung nicht aufgegeben werden, daß die Bahn sich eröffne, auf welcher feindliche Scheidungsgrenzen und einengende Gliederung allmählich verschwinden.

Friedrich Jodl:

Es ist in neuester Zeit Mode geworden, die auf Kosten der wichtigsten Kulturgüter den Kriegsvorbereitungen geopferten Millionen mit der Hoffnung zu entschuldigen, es werde gelingen, den künftigen Krieg durch die Kriegsrüstungen zu ersticken. Diesem Glauben, wenn er überhaupt ernst zu nehmen ist, steht sicherlich eine ungeheuere Enttäuschung bevor. Ein Völkerkreis, der den Frieden erhalten und pflegen will, der muß in unablässiger Arbeit für den Frieden thätig sein; ihm und nicht dem Kriege müssen seine Anstrengungen und seine Opfer gelten.

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»Wenn du Frieden haben willst, so rüste dich zum Kriege«. Dieser gute Rat ist genau so viel wert, als wenn man sagen wollte: »Wenn du ein Volk gesund haben willst, so baue recht viele und recht große Krankenhäuser«; oder: »Wenn du Ruhe vor Verbrechern haben willst, so sorge, daß es an Gefängnissen und Zuchthäusern nicht fehle.«

Emil Jordy:

Statt diesen wichtigsten Feind im Innern, vorzeitigen Tod, Siechtum und Krankheit mit Elend und Armut im Gefolge, zu bekämpfen, entziehen die Staaten des Kontinents dem nationalen Wohlstand fort und fort so viel wie möglich für Militärzwecke, zur Bekämpfung eines äußeren Feindes. Mars bekommt den Löwenanteil der nationalen Ersparnisse, zu nichts schließlich als zur Zerstörung von Leben, Gesundheit und Wohlstand; Hygieia steht als Aschenbrödel in der Ecke und hat Mühe, das Nötigste zu bekommen zur Erhaltung von Leben und Gesundheit und Mehrung des Wohlstandes.

Graf L. Kamarowsky:

Der Druck des »bewaffneten Friedens« lastet auf den Völkern so schwer und unerträglich, daß er sie veranlassen wird, den Krieg einem solchen Zustande vorzuziehen. In den gewaltigen Armeen liegt schon an und für sich eine ewige gegenseitige Bedrohung der Völker.

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Der Friede wird aus einem Traum zur Wirklichkeit werden, wenn zu seinem Erstreben alle Faktoren des öffentlichen Lebens: Religion, Schule, Wissenschaft, Presse zusammenwirken. Die öffentliche Meinung der Nationen wird, sofern sie in dieser Hinsicht einig ist, ihrerseits nicht verfehlen, einen Druck auf die Parlamente und die Regierungen auszuüben. Auf jede Weise durch gemeinsame Verhandlungen die Beseitigung der Hauptstreitfragen anzustreben, Schritt für Schritt die Idee der Abrüstung durchzuführen, eine internationale Rechtspflege vermittelst der schiedsrichterlichen Praxis und der Einführung eines ständigen Gerichts- und Gesetzbuches zu begründen – darin besteht das Friedensprogramm, welches jeder europäischen Regierung vorschweben muß. Wenn die Mächte Europas dasselbe annehmen und seine Verwirklichung zu ihrer ernsten Aufgabe machen, werden sie sich vor den Schrecken sowohl innerer Umwälzungen wie äußerer Kriege bewahren, die ihren politischen Horizont mit gewitterschwangeren Wolken verdunkeln. In der Durchführung dieser Reformen beruht, unbestritten, ihre allgemeinmenschliche und in gleichem Maße nationale Pflicht.

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Je mehr unsere Zivilisation fortschreitet, in einem um so schreienderen Widerspruch stellt sich zu ihr der Krieg. Durch den Krieg wird den Völkerstreiten kein Ziel gesetzt, sondern nur neuer Zwiespalt und Haß gesäet.

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Indem sie sich freiwillig unter ein anerkanntes Gesetz und Gericht stellen, geben die Völker ihre Freiheit nicht auf und vergeben Nichts ihrer nationalen Würde. Ihre Ehre – nicht die eingebildete, sondern die wahre – wird nur an Ansehen gewinnen, wenn die Nationen, zur Austragung ihrer Zwiste, sich der barbarischen Selbsthilfe begeben und einer für alle gleichen und allgemeines Vertrauen genießenden Justiz unterworfen werden.

Kraft-Ebing:

Unserer heutigen Gesittung erscheint das Leben des Mitbürgers unverletzlich, nicht aber unbedingt das des Mitmenschen, wenn er einer anderen Nation angehört und wir uns mit dieser entzweit haben. Dann appelliert die erwachte menschliche Leidenschaft an die rohe Gewalt und sucht in atavistischer Weise die Herstellung ihres Rechtes, indem sie den Gegner zu vernichten sucht ... Wir verabscheuen den Krieg, wir erstreben den Frieden der Völker in dem Bewußtsein, daß jener eine der heutigen Kulturhöhe menschlicher Existenz nicht mehr entsprechende anachronistische Erscheinung und entbehrlich ist. Möge jeder nach seinen Kräften für diese hohe, heilige Sache wirken im Dienste seines Vaterlandes, im Dienste der Menschheit!

Laveleye:

Der Krieg, dieses verabscheuungswürdige Überbleibsel der alten Barbarei, ist immer ein Verbrechen und ein Unglück, sogar auch für jene, die als Sieger keine einzige Schlappe erlitten haben.

Lehmann-Hohenberg:

Die Kriege vermögen jetzt, wo wir die ganze Erde kennen und mit allen Völkern in Verkehr getreten sind, nicht mehr die weitere Entwicklung des Menschengeschlechts zu fördern; sie können keine neuen Ideale verwirklichen helfen, sondern zerstören unsern Kulturbesitz, die materiellen Güter sowohl als auch das sittliche Empfinden. Die Kriege werden deshalb zunächst zwischen den großen Kulturvölkern in kurzer Zeit verschwinden und wir werden durch die der Kultur innewohnende Kraft auch die Naturvölker zur Gesittung heranziehen. Einen andern Weg für die weitere Entwicklung des Menschengeschlechtes giebt es nicht.

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Jetzt verwirft unser auf positives Wissen sich stützender Verstand den Krieg zwischen den Völkern, ebensowohl wie den Krieg gegen den Nächsten im eigenen Vaterland als verderblich und jede höhere Entwickelung hemmend. Es gilt darum, endlich gänzlich loszukommen von dem Zustande des Tiermenschen und bewußt einzutreten in ein neues Reich, in dasjenige des Edelmenschen.

Cesare Lombroso:

Die Aufgabe aller Männer der Wissenschaft ist, die nationalen Haßgefühle zu zerstören, nicht aber, sie zu reizen. Die Rivalitäten der Völker gleichen den Kirchturmfehden von dereinst und sind gerade so wie diese bestimmt, zu verschwinden.

Pasteur:

Die Wissenschaft und der Friede werden über die Unwissenheit und den Krieg den Sieg davontragen. Möchten die Völker sich darüber verständigen, nicht zu zerstören, sondern zu schaffen!

Michel Revon:

Der allgemeine Friede wäre gar bald eingesetzt, wenn alle jene, die sein Reich segnen werden, daran dächten, es vorzubereiten.

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Warum die Landwirtschaft verarmt, die Industrie im Elend, der Handel erlahmt? Warum der immer zugespitztere Stand der sozialen Frage? Warum die national-ökonomische Unordnung? Weil der Reichtum, statt diese Völker zu befruchten, diese Felder zu begießen, auf diese Städte in wohlthätigem Regen niederzufallen, durch eine gewaltige Öffnung verrinnt und verloren geht – durch den Krieg. Stellen wir uns nun die internationale Rechtspflege als eingesetzt vor. Wohin wird sie führen? Zur Abrüstung. Diese wird nämlich der internationalen Reorganisation nicht vorausgehen, sondern ihr folgen. Die Abrüstung ist kein Mittel – sie ist ein Ziel. Wenn aber der internationale Rechtszustand siegreich entstanden sein wird, wenn, dank ihm, die Staaten ihren früheren Wahnsinn eingesehen haben, wenn die progressive – zuerst vereinzelte, dann allgemeine Abrüstung zu einer Thatsache geworden sein wird, welches Morgenrot für die Welt!

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Die behauptete Göttlichkeit des Krieges ist nichts als eine Mythe; die sogenannte Philosophie, die jene Behauptung bestätigt, ist nichts als eine kindische Theosophie; es ist an der Zeit, dieser primitiven Verehrung der Menschen für alles, was über ihren beschränkten Geist hinausgeht, ein Ende zu machen. Die Völker haben den Krieg mit Weihrauchwolken umgeben; sie haben ihn mit allen jenen Verlockungen umgeben, welche ihre Phantasie erzeugte; sie haben ihn unbewußt in das Reich des Mysteriösen versetzt. Man muß ihn aus diesem allzu günstigen Hell-Dunkel hervorzerren in das volle Licht der Vernunft. Dann wird er in seiner kalten und häßlichen Nacktheit erscheinen und die Bewunderung wird ein Ende haben.

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Der Krieg ist nur auf der Oberfläche schön; man lüfte den Schleier, der ihn bedeckt, und alle Poesie entschwindet. Denn unter dem glänzenden Heer erscheint die bestialische Meute, unter der Tapferkeit des Soldaten der grausame Rausch, unter dem kühn ausgeholten Schlag die Trauer einer Mutter oder eines Kindes; unter der Uniform die blutende Wunde; unter dem hellen Stahl die furchtbare Qual, unter dem Ruhm – das Hospital. Sonderbare Schönheit! Man muß eben in allen Dingen den Zweck betrachten und der Zweck des Kriegszustandes ist nicht die Parade, sondern die Schlacht – die Greuel des Gemetzels sind das Ende. Die Kunst sollte also ihre Anathema auf den Krieg schleudern, denn er lebt nur von erborgter Pracht. Sein bleiches Angesicht ist mit künstlichen Farben bemalt, welche bei hellem Tageslicht in düstrer Fratzenhaftigkeit erscheinen. Nein, der Krieg ist nicht schön, denn er ist nicht gut. Er ist finster, hart und kalt; in ihm lebt nichts wahres, man fühlt, daß er die Verheißungen des Ewigen nicht in sich trägt, daß er bestimmt ist, mit der Nacht zu verschwinden, die allein ihn beschützt und die das kommende Licht verjagen wird.

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Es ist einleuchtend, daß, wenn die internationale Rechtspflege, in ihren verschiedenen Formen, eine Zeit lang in der Welt geherrscht hat, dieselbe eine Flut von Barmherzigkeit, von Brüderlichkeit und von Liebe ergießen wird. Ihr höchstes Amt wird sein: Ideale zu verwirklichen. Ein lichtvolles Amt!

Charles Richet:

Es wird ein Augenblick kommen, da die Völker die Sinnlosigkeit des Krieges von selbst einsehen werden. Die Menschen der Zukunft werden sich sagen, daß es viel Besseres zu thun giebt, als einander zu zerfleischen, daß es einen gemeinsamen Kampf gilt gegen gemeinsame Feinde – als da sind: das Elend, die Unwissenheit, die Krankheit, der Hunger – und daß die höchsten Kräfte der Nationen sich gegen diese furchtbaren Feinde richten müssen, nicht aber gegen sich selbst oder gegen Leidens- und Schicksalsgenossen.

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Gegenwärtig, wo die Möglichkeit eines Krieges noch nicht endgiltig verschwunden ist, wo das Heer die Hauptsorge des Staates bildet, ist der Standpunkt der Kultur fast noch ein barbarischer zu nennen. Der Krieg muß und wird verschwinden. Die Idee des Weltfriedens ist keine Utopie, sie geht mit apodictischer Gewißheit ihrer Erfüllung entgegen. Eine Utopie mag es allerdings sein, die Abschaffung des Krieges für die nächste Zeit zu hoffen, sie gleichsam mit Gewalt zu dekretieren. Unsere Einsicht läuft leider unsrer Entwicklung weit voraus.

Professor J. Thonlet:

Ich glaube an den Fortschritt, der zur Grundlage den Erhaltungstrieb und selbstverständlich den Egoismus hat; ich glaube an das Ende des schrecklichen Krieges nicht so sehr, weil das Abschlachten des Menschen durch den Menschen empörend ist, sondern weil es eine Handlung des Wahnsinns ist; ich glaube an den Frieden nicht so sehr, weil er voll erhabener Schönheit ist, sondern weil er allen zum ungeheuren Vorteil gereicht; ich glaube an die Gerechtigkeit, – nicht weil sie die Gerechtigkeit ist, wohl aber, weil sie die sicherste, die naturgemäßeste Bedingung der Ruhe und des Wohlseins ist; ich glaube mit einem Wort an den Sieg der Vernunft, der gleichzeitig der Sieg der Wissenschaft, der Kunst, des Friedens und der Gerechtigkeit ist.


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