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Völkerfriede.

Wenn sich doch die Völker alle
Einigten zu einem Volke,
Ueber das ein Himmel lachte,
Hell und sonnig ohne Wolke! –
Blickt hinauf, es leuchten oben
Viel mehr Sterne, als auf Erden
Menschenkinder sorglich ziehen
Und vergehn und wieder werden.
Sterne wandeln ihre Bahnen
Und sie kreisen unvergänglich;
Ihnen, die doch unermeßlich,
Ist der Raum nicht unzulänglich,
Denn sie folgen einem Ziele,
Einem großen Weltgedanken,
Und in diesem sehen alle
Ihre zweckgemess'nen Schranken.
Aber ach! Die Menschenkinder,
Sklaven eines Augenblickes,
Sind die wahnbethörten Mörder
Ihres eignen Erdenglückes! –
Neid ist's, Eifersüchteleien,
Die die Lebenslust verbittern,
Mißgunst mit den scheelen Augen,
Die das schwache Herz durchzittern.
Ach, ermannt euch, Menschenkinder
Aller Länder, aller Rassen,
Aller Zungen, aller Farben,
Aller Kasten, aller Klassen.
Weil die einen so sich kleiden,
So und so die anderen essen,
Und die dritten, was sie lieben,
Anders an ihr Herze pressen,
Und weil jene ihre Toten
Ohne Sang und Klang begraben,
Und weil diese sich am Weine,
Andre sich am Wasser laben,
Und weil jener, was er denket,
In einsilb'ge Worte kleidet
Und der andre harte Laute,
Weil sie ihn verletzen, meidet;
Weil der eine anders betet,
Und der andre anders fastet,
Und der dritte anders eilet,
Und der vierte anders rastet,
Deshalb müßt ihr euch bekriegen?
Deshalb müßt ihr euch verachten?
Deshalb roh euch niedermetzeln
In den blut'gen Völkerschlachten? –
Wißt ihr, wo der Urgrund lieget
Eines so verfehlten Strebens?
Weil Ihr nicht erfassen wollet
Wo der inn're Wert des Lebens.
Viel zu voll sind eure Köpfe,
Viel zu leer sind eure Geister,
Schüchtern wird die Nächstenliebe
Und die Selbstsucht immer dreister,
An der Fiber, die einst stählern,
Wird die Spannkraft immer ärmer,
Und das Herzblut, das nun schleichet,
Wallte stürmischer und wärmer. –
Ach, ermannt euch, ihr habt alle
Platz und Muße zu dem Glücke,
Wollet nur ihr sorgsam mäß'gen
Euch in einem einz'gen Stücke,
Wollet nur nicht besser scheinen,
Als Natur euch konnt' gestalten,
Glücklicher nicht, als es heischte
Weiser Fügung hohes Walten.
Diese ew'gen Winkelzüge,
Euch mit Schimmer zu umgeben,
Der im Solde stets der Lüge,
Das versüßt wohl nicht das Leben.
Neben dem, was andre haben,
Giebt's noch unermess'ne Güter
Zu ergreifen jede Stunde
Ohne Eigner, ohne Hüter,
Seht, die Freude an dem Schönen,
An dem Guten, an dem Wahren,
Die kann jeder, unbestritten
Als sein heil'ges Gut bewahren;
An den Schöpfungen des Geistes
Können Millionen zehren,
Denn ein Born von solchem Inhalt
Läßt sich nicht wie Fässer leeren.
Das genügt euch nicht, beherrschen
Will ein jeder seines gleichen.
Einen guten Grund weiß jeder,
vor dem andern nicht zu weichen,
»Gleichheit!« tönt's von jedem Munde,
Doch die Faust, sie weiß zu drücken,
Und die allererste Sorge
Ist, sich selber zu beglücken.
Lasset ab von solchem Wandel,
Denn ihr seid auf falscher Fährte!
Gegen euch nur übt ihr Milde,
Gegen eure Brüder Härte,
Und doch führt nur eins zum Heile
Aller, die auf Erden wohnen:
Seinen eig'nen Wunsch bezähmen,
Und des andern Wünsche schonen
.
Alle Zwietracht würde schwinden,
Aller Haß und alle Klagen,
Wenn ihr Eines wollet üben:
Edelmenschliches Entsagen,
Das allein nur führt euch sicher:
Auf den Palmenpfad hienieden
Zu dem schönsten Erdenziele,
Zum ersehnten Völkerfrieden.

Graf Carl Coronini.


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