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Rast auf dem Marsche.

Die Schlacht von Sedan war geschlagen,
Ein Kaiserthron in Staub gekracht.
Doch weiter stob mit Roß und Wagen
Einher das tolle Kriegesjagen,
Wie Stürme sausen durch die Nacht.

Im Rücken blieben die Ardennen
Und Reims mit seinem Wunderdom.
Der Gaumen lechzt, die Sohlen brennen –
Nicht Ruh', nicht Rast im Vorwärtsrennen,
Es hemmt uns weder Berg noch Strom.

Hinan die steilen Felsenwände,
Durch schattenlose Rebenreih'n!
Da – an der Tageswand'rung Ende –
Welch' paradiesisches Gelände
Enthüllt sich uns im Abendschein?

Ein Grafenschloß mit stolzen Zinnen
Schaut von der Bergwaldshöh' ins Land.
Aus Grotten Schaumkaskaden rinnen,
Und mondbestrahlte Wellen spinnen
Der Marne glitzernd Silberband.

O hartes Los, das uns beschieden,
Zu stören solche Götterflur!
O hehre Stille, weltgemieden!
Wie Liebesmahnung zog dein Frieden
Ins Herz uns, heilige Natur!

Gelagert an des Waldes Säumen,
Wo sich der Mensch ein Eden schuf,
Umrauscht von hohen Ulmenbäumen,
Vergaßen wir in holden Träumen
Des Kriegers schrecklichen Beruf.

Es ging wie eine leise Klage
Ein Sehnsuchtshauch durch uns're Schar;
Auf allen Lippen lag die Frage;
Wann endlich wird die schöne Sage
Von einem Menschheitsfrühling wahr?

Wann werden die bethörten Massen
Sich auf dem weiten Erdenrund
Nicht mehr durch Ruhmsucht, Neid und Hassen
Zu Krieg und Mord verhetzen lassen,
Ein freier, starker Völkerbund?

Wann endlich? ... Ach, dies Bild der Wonne,
Das uns ein Zaubereiland wies,
Erbleicht im Licht der Morgensonne!
Zum Marsch formiert sich die Kolonne.
»Vorwärts! Ge'n Westen! Nach Paris!«

Adolf Strodtmann.


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