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Inter arma silent musae.

Die Musen schweigen, wenn die Schwerter klirren
Und wenn Geschosse durch die Lüfte sausen,
Sich in der Herzen heitern Lebensdrang
Mit meuchlerischer Plötzlichkeit zu bohren.
Die Musen schweigen, wenn Mordwaffen sprechen,
Und lassen ihre Töchter auch verstummen,
Der schönen Künste frohbewegte Schar,
Gleich jenen armen Müttern, die den Säugling
An ihrer Brust im Liebeswahnsinn würgen,
Des Daseins Not und Jammer ihm zu sparen, – –
Und zart und fein, ein leiser, sanfter Strahl
Von Göttlichkeit ins Irdisch-Weltliche,
Das ist die Kunst – ein Strahl, der rasch verdämmert,
Wenn eine rauhe Zeit, ein roh Geschlecht
Ihn atmend streift. Denn wie die edle Blume
Nur keimt im milden Bad der Segenswolke,
Nur blüht und Duft verhaucht im Kuß des Himmels,
Vom Wind geknickt jedoch verwelkt und stirbt, –
Und wie die Nachtigall ihr Zauberlied
Nur schmettert in des Waldes Weihestille,
Doch stumm und tot und kalt vom Aste sinkt,
Wenn Stürme toben und die Bäume brechen
So braucht die Kunst auch warme, weiche Luft
Und unverdüstert-goldnes Sonnenlächeln,
Schöpft aus dem Frieden sie allein die Kraft,
Zu werden und zu walten und zu wirken.
Wer denkt an sie, wer kann sie auch genießen,
Wenn mit den Schauergräueln seines Schauspiels
Der rohe Krieg das Dasein uns umrahmt,
Wenn auf zerstampften Fluren, die vom Dampfe
Des Bluts – und auf zerschlissenen Ruinen
Von Stadt und Dorf, die von der Flammen Rauch
Noch überwölkt sind, tausend Leiber zucken,
Zerfleischt und wund, in Marterqualen stöhnend,
Mit Flüchen in der Seele bleich verröchelnd?!
Wer könnte an den Künsten sich erfreuen,
Wenn Trauer wohnt und unlösbarer Schmerz
In Hütte und Palast, wenn Millionen
Ihr hingemordet Hoffen scheu beweinen,
Wenn Väter klagen, Mütter jammern, Bräute
Sich um ihr Lebensglück betrogen sehn,
Wenn Kinder, Waisenschicksal ahnend, schluchzen,
Wenn alles, alles liegt im Bann des Elends,
Das über Land und Volk der Krieg ergießt, –
Wer könnte da mit Lust die Künste pflegen,
Wer möchte da sich an der Kunst erfreuen?!
Der das zu Wege brächte, müßte auch
Sich an dem Farbenspiel im Wassertropfen
Erquicken können, wenn Orkan die Wellen
Gewaltig peitscht und jeder Augenblick
Dem lecken Schiff die schwarze Gruft erschließt,
In das der nächste es zu schleudern droht!

Im Frieden nur gelangt die Kunst zum Keime,
Zu schönem Blühen und zu reichen Früchten,
Und Frieden, heil'ger Frieden ohne Ende
Muß d'rum die Sehnsucht ihrer Jünger sein
Und aller, die in ihr die lichte Fee
Des nebeldüstern Menschendaseins lieben. –
Und wenn es gilt, die letzte Schlacht zu schlagen,
Die zwischen Menschenhaß und Menschenliebe,
Und wenn es gilt, den besten Sieg erringen,
Den der Erleuchtung über Geistesnacht,
Dann bieten froh die Künste als Gewaffe
Und als Soldaten sich die Künstler dar!
Entfaltet vor uns her die weiße Fahne,
Wir folgen ihr begeisternd, weil begeistert!
Laßt Liebe Bannerwort sein und nicht Haß,
Wir wollen drauf die ganze Menschheit einen,
Vom Zauber der Erlösungsthat bemeistert!
Und es verstummt das Wimmern und das Weinen
Und Wonne stiehlt sich ein in jede Brust
Und alle Seelen jauchzen Freudenlieder
Und alle Herzen füllen sich mit Lust! – –
Nur eines gilt's – und Feinde werden Brüder
Und auf der Erde wird das Glück erscheinen –
Nur eines, eines gilt's: »Die Waffen nieder!«

Heinrich Glücksmann.


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