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Aus »Don Juan«.

»Es werde Licht!« sprach Gott, da wurde Licht.
»Blut fließe!« spricht der Mensch, da fließt's in Meeren.
Wenn dieser Sohn der Nacht sein Fiat spricht,
Kann eine Stunde so viel Glück verheeren,
Daß hundert helle Sommermond' es nicht
Erneuern, wenn es auch die Sommer wären,
Die Edens Früchte reiften; denn der Hauch
Des Kriegs verzehrt die Wurzel mit dem Strauch.

*

O ewiger Homer! der eine Tag,
Den ich nunmehr zu schildern hab', erschlug
Mit schlimmrem Mordwerkzeug und raschrem Schlag
Mehr Menschen als dein ganzer Griechenzug.
Ich weiß wohl, daß ich's dir nicht gleichthun mag,
Mit dir sich messen wollen, wär' so klug,
Als mäß' ein Bach sich mit des Weltmeers Flut,
Wohl aber thun wir's euch noch gleich an Blut.

*

... Jedes Jahr
Muß irgend einen Helden in der Wiege
Groß füttern, traurig ist es, aber wahr;
Und zieht man einst die Summ' all seiner Siege
Für Menschenglück, so findet man: er war
Ein großer Schlächter, welcher junge Thoren
So blendete, daß sie den Kopf verloren.

*

Geschichte nimmt die Dinge nur en gros;
Wenn wir sie im Detail vor Augen sähen,
Wie viel' der Krieg arm macht, wie wen'ge froh,
So würden wir vielleicht den Kriegsruhm schmähen,
Der so viel Korn vergeudet bloß um Stroh,
Um etwas mehr Gebiet und mehr Trophäen.
Das Trocknen einer Thrän' ist wahrer Ehre
Näher als das Vergießen blut'ger Meere.

*

Schwarz war die Nacht und dick die Nebelhülle,
Nur die Kanonen blitzten d'raus hervor,
Als ob ein Glutgewölk die Luft erfülle,
Und flammten aus der Donauflut empor,
Ein Höllenspiegel! Krachen, Schlachtgebrülle
Betäubten dröhnend, Knall auf Knall, das Ohr
Weit mehr als Donner: Gottes Wetter schonen,
Der Menschen Blitz zerschmettert Millionen.

*

Nun spien zugleich dreihundert Stück Kanonen,
Zwölftausend Flinten streuten Pillen aus
Wie Hagelwetter, blutentzieh'nde Bohnen,
O Tod! du hast ja täglich deinen Schmaus,
Pest, Hunger, Ärzte, die den Nationen
Wie eine Totenuhr all deinen Graus
Ins Ohr zu picken pflegen; doch dergleichen
Muß einem treuen Schlachtgemälde weichen.

Stets neue Qual, die sich vertausendfacht,
Bis ihre Zahl die Menschen hart wie Steine
Durch die Unendlichkeit der Foltern macht,
Die rings den Blick trifft. Splitternde Gebeine,
Wälzen im Staub, das Aug' in Todesnacht
Ganz weiß und stier – dergleichen lohnt Gemeine
Bei Tausenden, indeß der Rest vielleicht
Ein buntes Bändchen für die Brust erreicht.

Doch lieb' ich Ruhm, Ruhm ist ein großer Segen.
Wie herrlich ist es, wenn wir uns als Greise
Auf Kosten unsres teuren Königs pflegen!
Ein mäßig Jahrgehalt verlockt auch Weise,
Und Helden sind nur da der Dichter wegen.
Auch das ist schön: ihr kämpft auf diese Weise
In Versen ewig – Halbsold obendrein;
Da lohnt es sich der Mühe, Mörder sein.

*

Die Stadt war nun dahin. – –
Ismail war! Der Silberhalbmond fiel,
Das Scharlachkreuz flammt' übers Feld daher,
Rot, nicht vom Blut des Heils. Das Flammenspiel
Der Straßen malte sich, wie in der Flut
Das Mondenlicht, im Strom der Schlachten, Blut.

Was je den Geist mit Schauder überrann,
Was je das Fleisch vollbracht' im wilden Groll,
Was je man Graus'ges hörte, las, ersann,
Was kaum der Teufel thät', und wär' er toll,
Was keine Feder je beschreiben kann,
Was in der Hölle lebt, was grauenvoll
Wie Höll' ist – die mißbrauchte Menschenmacht –
War los (wie oft auch sonst) in dieser Nacht.

Und wenn auch hie und da des Mordes satt
Ein edles Herz dem Blutzwang sich entwand,
Wenn hie und da ein Greis, von Jahren matt,
Ein hülflos Kind vielleicht Beschützer fand,
Was sagt das gegen die zerstörte Stadt,
Wo Pflicht und Liebe Tausende verband?
Krieg ist ein frommer Spaß, beherzigt dies,
Spießbürger Londons, Gecken von Paris!

Bedenkt, die Freud' an Zeitungen wird teuer
Erkauft durch alle Arten Sünd' und Pein!
Und wenn euch das nicht rührt, vergeßt nicht, euer
Geschick kann auch einmal so traurig sein.

*

So ward Suwaroff Sieger, ward er groß
Wie Timur oder Dschingis im Métier.
Eh' das Geschütz schwieg, als wie Haufen Strohs
Die Straßen flammten, Häuser und Moschee,
Ließ er mit blut'ger Hand die Meldung los
Nach Petersburg, die hier buchstäblich steh':
»Gott und der Czarin Ruhm!« (Allmacht! wie kommen
Die zwei zusammen?) »Ismail genommen!«

Er schrieb dies Nordpol-Lied, Text, Melodie
Und auch Begleitung, Röcheln, Heulen, Schrei'n,
Nicht sangbar, doch vergessen soll man's nie!
Denn ich will pred'gen, bis die Steine schrei'n
Und fluchen den Tyrannen. Soll das Knie
Der Menschheit stets gekrümmt vor Thronen sein?
Dann lern', o Nachwelt, lern', wie unsre Zeit war,
Die wir geschildert, eh' die Welt befreit war!

Wir werden nicht, du wirst die Stunde sehn.
Im Jubel des Millenniums wirst du nimmer
Die Dinge glauben, welche jetzt geschehn.
Und darum, dacht' ich, schildre sie nur immer.
Indeß, selbst ihr Gedächtnis mag vergehn!
Doch wenn es fortlebt, werden sie euch schlimmer
Vorkommen als die Wilden ferner Inseln,
Die sich die Haut (doch nicht mit Blut) bepinseln.

Byron.


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