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Der Krieg.

(1870.)

I.

Eisen, Feuer und Blut! Der Krieg, er ist es, er ist es!
Mächtig gehobenen Arms, stolz, mit gebietendem Blick,

Glühend vor Haß und vor Zorn, so mahnt er und drängt er zum Kampfe,
Bei seiner Stimme Getön schreiten die Heere zur Schlacht.

Um ihn ziehen vereint Kanonen die feurigen Kreise
Und erschließen im Nu krachend den ehernen Schlund.

Rosse, Reiter und Wagen ringsum, ein buntes Gewimmel!
Auf stets wogt es und ab wie ein lebendiges Meer.

Und auf des Krieges gewaltigen Ruf naht her das Entsetzen;
In seiner rasenden Hand, zu seinem Dienste gepreßt,

Schier zur Waffe wird jegliches Ding und jeder zum Krieger,
Um beim grausigen Mord Schlächter und Opfer zu sein.

Doch wenn Auge und Ohr an Bildern grausigen Jammers,
Lauten entsetzlichen Wehs schnöde gesättigt der Krieg,

Wenn gebettet ins Grab ein Volk gebrochen dahinsinkt,
Dann, die blutlose Stirn stolz mit dem Lorbeer geschmückt,

Nach der vollendeten That und nach dem gelungenen Werke
Ruft er mit Jauchzen: »O Tod, wahrlich, du mähtest mir gut!«

Ja vortrefflich gemäht! Fürwahr: die Ernte ist herrlich!
Keine Furche, die nicht Leichen als Garben umschließt!

Ach und die Herrlichsten stets und Tapfersten sinken am ersten;
An ihrer blutenden Brust, welche von Schauer erbebt,

Gleich wie auf trauerndem Feld, von welchem die Ernte man einbringt,
Sieht die Menschheit mit Schmerz zahllose Aehren geknickt.

II.

Wohl! Das Leben ist Kampf; doch wie? Winkt menschlicher Thatkraft
Nirgends ein anderes Feld als im Getümmel der Schlacht?

Kann nicht um weniger blutigen Preis als zahllose Leichen
Für seiner Brüder Gedeihn ringen und kämpfen der Mensch?

Fehlt es an Feinden ihm – sprecht! – die's lohnt zu Boden zu werfen?
Wozu suchen? Sofort naht das Elend heran.

Auf! entbietet ihm Kampf und richtet die männlichen Streiche
Sonder Erbarmen mit Kraft wider die Jammergestalt!

Und mit verwegenem Blick, die eine gestützt auf die andre,
In der Arena harr'n Dummheit und Laster auf uns.

Weist den Kecken die Stirn und schmettert sie tapfer zu Boden,
Und der rühmliche Streit finde die Völker vereint!

Jeglichen Grenzstein tilgt und – rings Befreiung verkündend –
Einet die Kräfte und reicht einer dem andern die Hand!

Um zu durchbrechen den Feind und Sieg! zu rufen am Ziele,
Darf die Menschheit im Bund Mühe nicht scheuen und Kampf.

Günstig schien der Moment: schon wähnte der sinnende Träumer:
Fern im rosigen Ost tauche im Dämmerungsglanz

Freundlich winkend empor des Friedens lachendes Antlitz,
Alles atmete auf. Da: Sie Trompete am Mund,

Krieg, erscheinst du aufs neu, viel grauser und wilder als ehmals,
Und die Völker zertritt schnöde dein blutiger Fuß.

Bald, verblendet von Wut, ins furchtbare Grauengemetzel
– Gierig suchend den Feind – stürzt sich der Erste erglüht:

»Tod! Gebt keinen Pardon! Sieg gilt es oder Vernichtung!«
Seht: vom Pfluge dort kam oder vom Ambos ein Mann,

Ist er ein Bruder nicht? Sprecht! Umarmung sollt' ihn begrüßen,
Statt der Umarmung, ach, streckt ihn zu Boden das Blei.

Dörfer sinken und Städte dahin in leckende Flammen,
Steine stöhnen, und ach! was erst erduldet das Herz!

Söhne liegen entseelt und starr vor den Augen der Väter,
Düstere Trauer sitzt stumm an dem verlassenen Herd.

Denn, die in Haufen dort ruhn, die fahl-blaufarbigen Leiber,
Menschen waren es einst, liebend und wieder geliebt.

Wohl! Schier niedergebeugt durch Fülle der harrenden Arbeit,
Mühe aufs neue dich, Fleiß! Leuchte aufs neue, Genie!

Was ihr gewirkt und geschafft, vernichtet sank es zu Boden,
Ob es ein Schatz gleich war für die Lebendigen all.

Fördern sollt' es das Heil der großen, der Menschengemeinde;
Wenn sie sich selber zerstört, fröhnt sie nicht schnödestem Wahn?

Krieg, beim Denken allein an Unheil, das du entfesselst,
Gährt in Gründen der Brust immer aufs neue der Haß.

Tief in blutigem Schlamm, der blieb von den Wogen des Kampfes,
Sproßt verborgen der Keim stets sich erneuernder Wut,

Und des Besiegten Gemüt, das nimmer die Schande verwindet,
Hofft und ersehnt nur eins: Rache für einstige Schmach!

So durch schnödes Gelüst am Baum der geschändeten Menschheit,
Seit er die Krone verlor, welken die Zweige gemach.

Nie mehr blüht ihm ein Lenz, nichts frommen ihm sonnige Strahlen,
In dem verstümmelten Stamm steigen nicht Säfte mehr auf,

Früchte gedeihn nur am Zweig; drum Krieg, mit grausamem Axtschlag,
Besser zu treffen die Frucht, hiebest die Zweige du ab.

III.

Nein, das bleibe mir fern, dem Denker und düsterem Sänger!
Auch freiwilligen Tods Größe leugne ich nicht,

Herrlich ist es, begeisterten Schwungs für Hohes zu streben,
Aber auch ohne dich, Krieg, würdige Ziele noch giebt's.

Weise, Apostel, Entdecker, erleuchtete Streiter der Wahrheit,
Trotzend drohendem Tod, achtet als Helden mein Sinn.

Aber das blitzende Schwert, das trifft und Leiber verstümmelt,
Jede vernichtende That, jedes Gemetzel der Schlacht

– Fest im grimmigen Zorn – allewig werd' ich sie hassen.
Er, den weihte die Kunst, den die Begeisterung schwellt,

Der, von Liebe beseelt, erglüht für die Wonnen des Lebens,
Feuerschlünden mit Hohn werft ihr als Beute ihn vor?

Freiheit, Ordnung und Recht geschützt durch Macht der Kanonen!
Für einen Streifen von Land, oft für ein Mauerstück nur

Sonder Erbarmen und kalt wird hingeschlachtet die Masse.
Schuldlos ist sie! Was macht's? Nimmer entgeht sie dem Tod.

Wie? vergaßet ihr ganz?: Das Leben ist göttlichen Ursprungs,
Nimmer versehrt es! Zurück! Heilig ist jeder, der lebt.

Und wenn Sterne sogar, umqualmt vom Rauche des Pulvers,
Müde des blutigen Spiels bleich ihre Strahlen verhüll'n,

O, so brauch' ich auch selbst den Ingrimm nimmer zu zügeln,
Und ich scheide fortan Henker und Opfer nicht mehr.

Stolz empört sich mein Geist und, Frevel des Schwertes zu rächen,
Wär' ich am liebsten der Blitz, welcher die Wolken durchfährt.

Ja, entsetzlicher Krieg, ob Weihrauch alle dir streuen,
Fehde künd' ich dir an selbst noch inmitten des Siegs,

Selbst noch im Lorbeerschmuck, ja selbst noch im Buch der Geschichte,
Welche im thörichten Wahn gern dich verteidigt und lobt,

Herb aufzuckend vor Weh und Stolz trotz lähmender Ohnmacht
Wird dich verwünschen mein Herz, wird dich verfluchen mein Mund.

L. Ackermann.
(Aus dem Französischen von Albert Möser.)


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