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Der Stern des Ares.

Nacht ward's – der schöne Stern der Liebe sank
Im Westen sacht hinab. Ihm gegenüber
Hob über'n Waldrand schreckbar sich ein fremdes,
Rotleuchtendes Gestirn. Es war der Stern
Des Ares, der, entfacht zu wilder Glut,
Wie kaum ihn sah dies lebende Geschlecht,
Des Himmels Leuchten all nun überstrahlte.
Hinab schwand tiefer stets der Liebe Stern
Und greller, immer greller funkelte
Des Kriegesgotts Gestirn, der Stern der Zwietracht,
Des Hasses, rot wie Blut, gemischt mit Flammen.
Und während ich den Blick in seine Bahn
Versenkte, schwoll er mir zum Feuerbrand,
Zur düstern Fackel, deren Glut die Welt
In Brand zu stecken drohte.

Neben ihm
Aufragen sah ich in den nächt'gen Himmel
Ein Kreuz – das Kreuz des Turms der nahen Kirche.
Hell hob sich's ab vom Grund des Firmaments.
Dem Kreuze gegenüber schwebte silbern
Der halbe Mond am Himmel.

Plötzlich stand
Vor dem erregten Sinn mir ein Gesicht,
Des Schreckens voll. Das Kreuz, das ragende,
Es ward vor meinen Augen zur Standarte,
Zum fliegenden Banner ward der Halbmond auch;
Und hinter diesem, hinter jenem wälzte
Herauf, heran sich langsam dicht' Gewölk
Wie kampfbereite Geisterlegionen.
Traun! Nicht umsonst hell zwischen beiden flammte
Der Stern des Ares! vor mir lebend rollte
Ein grausenhaftes Bild sich auf – der Krieg!
Ich sah die Stute des Kosaken treiben
Im Ister und im Euphrat, sah den Säbel
Des Moslem blitzen, dräuend, neu geschärft!
Zertretne Saaten sah ich, Völkerstämme
Mit Weibern, Kindern, Greisen ratlos flüchtend;
Vom Huf zerstampfte Reih'n; hier rauchend Blut,
Dort Rauch von Bränden!

Schar um Schar entsendet
Zum Schanzensturm der Feldherr. Sie gehorchen.
Sie ziehen stumm dahin, gleichgiltig fast,
Wie Schlächter, Henker gehn ans Tagewerk.
Hinziehn sie stürmend, eine nach der anderen,
Und jede kehrt nur halb zurück. Am Abend
Ertönt's: »Hurrah! die Schanze, sie ist unser!«
Jedoch der Streiter Mehrzahl deckt das Feld
Tot, oder ächzend mit zerstückten Gliedern.
Im nächsten Morgengrauen schreckt die Bombe
Des Feinds die müden Sieger drohend auf.
Die heiß ersiegte Schanze stürmt der Feind,
Und dreimal stürmt er sie, und dreimal muß
Sie nun gewonnen werden, – dreimal sinkt
Der Streiter Dritteil röchelnd in den Staub.
Am Abend ist verloren mit dem Blut
Von Tausenden, was mit dem Blut von Tausenden
Erstritt das heiße Gattern. Nun beginnt
Der neue Tag, das Ringen. Fort so währt
Es ungezählte Tage, Wochen, Monde,
Den Ort nur wechselnd: und das Leben füllt
Mit letzter Kraft nur aus des Todes Lücken.
All dies – wofür? Damit Gerechtigkeit
Geschehe? Wie? Gerechtigkeit? ersiegt
Durch einen Kampf, in dem ein einzig Recht
Gegolten hat von je: das Recht des Starken?
Steht auch das Recht, so wie der liebe Gott,
Auf Seite stets der »stärksten Bataillone?«
Mäht nicht der Zweikampf oft den bessern Teil,
Der schuldlos und gezwungen mit dem frechen
Angreifer sein jungfräulich Schwert gekreuzt?
Seh ich das Blut, das so vergossen wird,
Vereint als Höllenstrom die Wogen wälzen,
Seh ich die Thränen, die der Krieg erpreßt,
Gestaut als totes Meer, seh ich die Flammen,
Die Kriegesfackeln all zum Himmel schlagen,
Hör ich das Ächzen all der Tausende, –
Ein Grausen faßt mich da vor dir, o Mensch,
Der achselzuckend sagt: » Das ist der Krieg
Der Kunst des Tötens allergrößter, traun,
Erfindungsreichster Meister ist der Mensch!
Und labt der Tiger sich an Einzelmord –
Wer ist's, der gern in Massen würgt?

Der Mensch!
Und seines Gleichen würgt er!

Doch – ist's nicht
Derselbe Mensch, der Liebe, Liebe predigt,
Und der mit edelm Stolze Tempel türmt
Der Bildung und Gesittung, und Altäre
Dem Fortschritt weiht und edler Menschlichkeit?
Der mildgesinnt die Galgen niederreißt
Und der – weil er kein Blut kann sehn – das Schwert
Der Themis in die Rumpelkammer wirft
Und der Spitäler baut für kranke Hunde
Und für die Spätzlein sorglich Futter streut
In rauher Winterszeit?

Ach ja, derselbe! –
Vergieb mir, edler Massenmörder Mensch!
Schon bin ich umgestimmt, bewund're dich!
Und künftig, statt ein Untier dich zu schelten,
Einstimm' ich achselzuckend: C'est la guerre ...

Robert Hamerling.


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