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Reminiszenz aus Tacitus.

In deinem ernsten Buch hab' ich gelesen,
Wie grausam einstens das Geschick gewesen,
Das mit dem eig'nen Vater einen Krieger
Zusammenführte. – Als der Sohn als Sieger
Den Vater, blutend, nahe seinem Ende
Erkannt, rang er verzweiflungsvoll die Hände,
Und wusch mit seiner Thränen bitt'rer Lauge
Die Wunden. – Jener sprach, sein brechend Auge
Auf ihn gerichtet: »Wozu dieses Flehen?
Es ist nicht deine Schuld, was jetzt geschehen,
Du thust, was fremder Wille dir gebietet,
Die Sünde ist's der Welt, wenn Krieg so wütet. –

Das sagte ein Barbar vor grauen Zeiten;
Und jetzt, da wir zum Kriege uns bereiten,
Europa soll von Waffen widerhallen,
Ist dieses alte Wort mir eingefallen.
Er hat der Menschheit Würde nicht vergessen
Wie der moderne Mensch, der nun vermessen
An Ruhm und Glück und Stolz der Ahnen rüttelt,
Wenn ihr Medusenhaupt sie wieder schüttelt,
Die Erbsünde der Welt, wird ihr gehuldigt,
Und Mord als Heldentum gerühmt, entschuldigt.
Der Menschheit Geist ist sehr zurückgegangen:
Wie Banquos Geist erhebt des Krieges Bangen
Sich aus der Väter, Brüder, Gatten Blute –
Dem Sänger ist, dem Denker weh zu Mute!

Jaroslaw Vrchlicky.
(Aus "Des Tantalus Vermächtnis." Deutsch von Bronislaw Wellek.)


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