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Ode an Carducci.

Ein Strom, der schäumend ab in die Tiefe stürzt,
Des Donners Machtwort, welches die Erde schreckt,
Ein Pfeil, der schwirrend in das Herz trifft –
Also ertönt uns Dein Lied, Carducci!

Was stark und machtvoll, was der Gefühle Sturm
Erfrischend aufregt in der verdumpften Welt, –
Dem giebst Du ganz die offne Seele
Und das gewaltige Wort des Dichters.

Und so berauscht Dich auch das bewegte Bild
Der lauten Feldschlacht, drin um der Ehre Preis
Dem Tod, vor dem das Leben zittert,
Trotzig ins Auge die Männer schauen.

Die Hörner schmettern in das Geschrei des Heers,
Kanonen donnern und das Gefilde bebt,
Und über Blut und Leichen strahlend
Schwebt des Gedankens erhabne Fahne.

So, ein Tyrtäus, singst Du Dein wildes Lied,
Und trunken selber von dem geschaffnen Schwung,
Dem grellen Bilde hingegeben,
Schweigst Du im starken Genuß des Grauens.

Ich bin so stark nicht. Aus dem Getos des Kriegs,
Das eine Woge Dir in den Ohren klingt,
Hör ich die Todesschreie einzeln,
Sehe ich einzeln zerfetzte Glieder.

Das Elend seh' ich, tausendfach aufgeweckt,
Verbrannte Hütten und die zerstörte Saat,
Die Kämpfer, die sich wütend würgen,
Nie sich gehaßt und sich dennoch würgen.

Die kranke Ehrsucht eines verführten Volks,
Die dumpfe Habgier nach dem versagten Gut,
Der Stolz der Herrscher, ihre Klugheit
Trieb in die Schlachten den stillen Bürger.

Nicht brauchts des Blutes, Völker zu binden heut,
Der Krieg reißt auf, was milde der Frieden schloß,
Und jeden Sieges frischer Lorbeer
Zündet aufs neu des Erlegnen Rache.

Ich weiß, der Wahnsinn steigert der Sehnen Kraft,
Doch zehrt sein Toben mehr als den Zuwachs auf –
Weil nach dem Fieber kehrt die Ruhe,
Kannst Du das Fieber nicht Wohlthat nennen.

Genug zu kämpfen giebt uns der Erde Not,
Genug zu streiten zwingt uns der Widerstand
Der trotzig starren Elemente,
Daß sich die Seele in Kraft bewähre.

Der schwüle Pesthauch schwängert die Lüfte rings
Und Tausend zittern, fliehen den bleichen Tod,
Doch ruhig folgt der Arzt dem Engel,
Greift in die knochige Hand ihm furchtlos.

Ein weites Reich erbebt in des Hungers Griff,
Verwirrung, Wut und niederer Trieb erwacht,
Und sieh: ein Herz, das hegt die Liebe,
Gönnt sich nicht Ruhe und hilft und segnet.

Wohl singt sich stärker schwindender Zeiten Haß,
Des Wortes Vollprunk gibt die Vergangenheit:
Die neue Zeit scheint gerne nüchtern,
Siege des Herzens sich still zu sammeln.

Wie's wird, ich weiß nicht. Stachelnd noch treibt das Blut,
Das wild vom Tier her uns in den Adern rinnt:
Der Dichter, als der Sehnsucht Herold,
Singe vertrauend das Lied des Friedens.

Friedrich Adler.


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