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Der Sieg der Siege.

Horchet, von den Galerien,
Wo die weisen Spötter lauschen,
Tönt herunter ihr Gekicher
Und des Widerspruches Rauschen:
»Höret doch den Ideologen,
»Von des Herzens Glut entzündet,
»Was er wahnbethört behauptet,
»Was er weihevoll verkündet!
»Ja, er trägt in seiner Tasche
»Das Rezept zum ew'gen Frieden,
»Mög' mit solchen Albernheiten
»Unser Ohr er nicht ermüden;
»Mög' er die Natur des Menschen,
»Wie sie war und ist, betrachten,
»Immer giebt und gab es Zwietracht,
»Neid und Hader, Kampf und Schlachten,
»Immer wird es solche geben;
»Fraget kühn die Weltgeschichte,
»Krieg wird immer zwischen Völkern
»Sein das letzte Hochgerichte.
»Waffen werden stets entscheiden,
»Wo das bess're Recht wohl liege,
»Denn das bess're ist das stärk're
»Die Entscheidung liegt im Siege.«
Waffen werden stets entscheiden,
Ruft gelassen nun der Dichter,
Waffen ja, doch geist'ge Waffen
Seien fürderhin die Richter;
Wo das Vorurteil hoch oben,
Ist von Urteil keine Rede
Und im Herzen dehnt sich trostlos
Eine lebensleere Öde.
Denket, nebst des Tieres Kräften
Liegt im Menschen ein Bestreben,
Sich zu edlerer Entfaltung
Schritt für Schritt emporzuheben,
Immer drängt nach höh'rem Ziele
Ein herzinniglich Verlangen;
Solches lehret die Geschichte
Jedermann, der unbefangen.
Oder wären Folterqualen
Heute kein Anachronismus?
Oder paßten Scheiterhaufen
Zum geklärten Humanismus?
Ists wohl möglich, daß Torturen,
Vierteil'n, Pfählen, Blenden, Schinden
Oder Hexenprozeduren
Wiederholten Eingang finden?
Oder Sklaverei, die hinstirbt,
Wo in Wüsten die Hyänen
Leichen hungertoll beschnuppern
Und zermalmen mit den Zähnen?
Oder selbst das wilde Faustrecht,
Wo im eig'nen Staatsverbande
Nicht Gesetz und Richter galten
Und Gewalt der Herr im Lande?
Alle diese Schauerthaten,
Die nun glücklich überwunden,
Hielten mit dem Menschentum einst
Selbst die Weisen für verbunden;
Doch der Zeiten Fortschritt bessert
Thun und Lassen, Brauch und Sitten,
Und was heute fest bestehet,
Morgen wird es ernst bestritten.
Sagt, was thut im Staat der Bürger,
Wenn er glaubt sein Recht verletzet?
Seht vielleicht ihr, daß er selber
Unwirsch sich zur Wehre setzet?
Nein, er eilet hin zum Richter,
Schutz und Abwehr zu erbitten
Und ergiebt sich dessen Spruche
Nach den allgemeinen Sitten.
Diese Art, den Streit zu schlichten
Ist so bleibend angenommen,
Daß wohl niemand mehr sich sehnet
Zur Gewalt zurückzukommen.
Und warum? Weil jeder einsieht,
Daß im Streite zwischen beiden
Nur ein dritter es vermöge
Unparteiisch zu entscheiden.
Nun, was eines Staates Bürger,
Können eines Weltteils Staaten:
Einen Richterstuhl sich schaffen,
Wo sie ihren Streit beraten,
Dessen Wahrspruch unangreifbar,
Blut'ge Kriegsgewalt ersetzet,
Und des Menschen edle Würde
Durch Gewaltthat nicht verletzet.
Blicket auf des Erdreichs Schichten,
Wo sie auf einander liegen
Und in stufenweiser Bildung
Jüng're über ält're siegen.
Blickt nach aufwärts in den Äther,
In das glänzende Gewimmel,
Dort auch herrscht Vergeh'n und Werden,
Ja auch dort am blauen Himmel.
Was Jahrtausende bestanden,
Schwindet hin im Zeitenschoose
Und verfällt den Urgesetzen
Nach dem vorbestimmten Lose.
So muß auch im ird'schen Wandel
Bess'res nach dem Schlechtern kommen,
Und es ward des Zeitgeists Pochen,
Wenn auch zögernd, stets vernommen.
Ja das ganze Weltgefüge
Beugt sich dem Gestaltungstriebe,
Über alles aber schwebet
Ewig gleich und hehr – die Liebe.
Ja die Liebe, die der Gottmensch
Noch am Kreuze sterbend lehrte,
Als er mild des Schächers Flehen
Um Barmherzigkeit erhörte;
Diese Lieb', die weithin langet
In die allerfernste Ferne,
Und das All um sich beweget
Und die Sonne und die Sterne. L'amor che tutto muove
Il sol e l'altre stelle.
Dante, Divina Commedia.

Diese ist es, die uns führet
Hin auf unfehlbarem Pfade
Zu des Friedens blütenreichem,
Goldumwobenem Gestade. –
O, die Zeit sie pocht gewaltig
Jene Fahne zu entrollen,
Lauert ja doch dort im Dunkel
Eine Hyder, giftgeschwollen,
Die das Ärgste überbietet,
Was der Haß wohl je empfunden,
Und die Werke langer Jahre
Schnöd zertrümmert – in Sekunden.
Schon erscheinen hämisch grinsend
Jenes Spukes Schauerzüge,
Und es stürzt im Nu zusammen
Jeder Menschenhand Gefüge;
Flammen züngeln um die Sparren,
Selbst die Mutigsten erbleichen,
Und in blutgetränkten Haufen
Liegen Leichen über Leichen.
Kennt ihr nun die Sprenggeschosse
In der Hand der Anarchisten?
Diese Höllenmacht zu brechen,
Gehet hin, euch schnell zu rüsten,
Mit der ganzen Macht des Geistes
Dieses Wahnsinns Qualm zu dämpfen,
Mit dem Beispiel milden Friedens
Ihn mit Vorsicht zu bekämpfen,
Mit dem Balsamduft der Liebe
Ihn zum Schlummer einzuwiegen,
Mit den Strahlen des Gedankens
Ihn allmählig zu besiegen. –
Doch wer ists, der in die Seele
Impfet der Vernichtung Träume?
Und wer lockert denn die Furchen
Zum Gedeihen solcher Keime?
Diese stete Kriegsbereitschaft,
Diese ewigen Alarme,
Diese zweifelhafte Zukunft,
Stets der Waffen Hahn im Arme,
Dieses ruhelose Rasseln
In des heil'gen Friedens Namen,
Macht den Glauben an das Rechte,
An des Urteils Kraft erlahmen.
Das kann wirken aufs Gehirne,
Das kann rütteln an den Nerven,
Und die Reihen der Gedanken
Dort und da zusammen werfen.
Es verliert die Kraft die Seele
Sich dagegen auszurüsten,
Und es steigt aus diesem Nebel
Das Gezücht der Anarchisten. –

 

Was Gesittung hat errungen
Schütze der Gesittung Hoheit,
Nicht der wilde Kampf der Massen,
Erbteil wüster Zeit der Rohheit,
Denn der Krieg gebiert die Willkür,
Raubt dem Herzen die Empfindung,
Panzert oft den warmen Busen,
Rüttelt an des Rechts Begründung
Und entfesselt die Verachtung
Für des Mitleids süßes Walten
Und umwandelt Ehr und Tugend
Zu verhöhnten Mißgestalten,
So daß schüchtern blos die Flämmchen
Edler Menschenliebe glühen,
Daß verborgen blos der Sanftmut
Segensreiche Blumen blühen.
Mögen Krieger edel fühlen
Und Bewund'rung oft verdienen,
Weil sie einem Ideale
Selbstlos, opferwillig dienen,
Weil sie stolz für ihren Kaiser,
Und die Heimat zu beschützen,
Selbst ihr Leben willig opfern
Und ihr wallend Blut verspritzen;
Bleibt der Krieg doch stets ein Frevel
Vor dem nüchternen Verstande,
Ehrenvoll oft für den Krieger,
Für die Menschheit eine Schande.
Darum rasch die Hand aufs Herze,
Unterm Wahlspruch: Krieg dem Kriege,
Durch die Macht der Überzeugung –
Friede ist der Sieg der Siege!

Carl Graf Coronini.


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