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Auf Vorposten.

Gebüsch zur Rechten, frei Feld zur Linken,
Inmitten der Weg sich windet.
's ist Nacht. Im Halblicht blinkern die Tümpel,
Der Mond hinter Wolken verschwindet
Feuerschein hinter den Zweigen der Büsche,
Dort liegen Soldaten um's Biwak im Kreise,
»Gloirens Söhne« – sie spielen Karten
Und rauchen und trinken und plaudern leise.

Still ist die Nacht. Wie schwache Akkorde
Tönen die Stimmen her aus der Ferne;
Am Weg steht einsam eine Schildwacht,
Wagt nicht zu singen und thät es so gerne.
Sieht nach den Wolken, sieht in die Weite,
Lauscht nach dem Biwak, lauscht auf das Quacken
Der Frösche – »Verdammt, hier allein zu stelzen!«
Und gähnt entsetzlich und kratzt sich im Nacken.

Die Herrn haben's gut. Diese Herren Pariser,
Voltigierer und Zuaven, verflixte Gardisten!
Gehen gern ins Feuer, doch ungern auf Posten,
Im Grunde die richtigen Egoisten.
Kneifen aus beim Kommandieren der Wachen ...
Wir Tages zum Schuß und Nachts auf Vedetten,
Wir Elsässer Volk – ja, wenn wir nicht wären,
Wer weiß, wo die Preußen uns heute hätten!

Und er denkt zurück und denkt an die Zukunft:
Wann mag das Grab des Krieges sich schließen?
Genug Verlust schon! Kein Sieg entscheidend!
Muß erst noch Blut in Strömen fließen.
Ihm ist nicht bang, er ficht wie ein Löwe,
Doch was bedeutet die ganze Sitte?
Was schlägt man sich im Grunde? ... Da spitzt er
Die Ohren ... Rührte sich was? ... Sind's Schritte?

Gewehr bei Kinn! den Fuß vor! Taghell
Bestrichen von des Mondes Fackel
Steht dort ein Feind am Knick des Weges –
Aber das ist ja Klaus, das tolle Spektakel!
Des Müllers Sohn vom anderen Ufer –
Spiel- und Raufkamerad von der nächsten Gemeinde –
Der Fluß hat geschieden, das Spiel ist zu Ende,
Nun ist es Ernst, nun sind sie Feinde.

Sie tauschen Handschlag. Sie sind ja alleine.
Sie denken der alten entschwundenen Tage,
Werfen in den Sand die Gewehre
Und teilen den Rest ihrer Flaschen. »Na sage,
Und du wolltest schießen?« ... »Ja doch, das wollt ich.«
»Kriegsregiment soll der Teufel holen!
Prost, Bruder, trink aus! Die Stunde ist kostbar,
Und keiner weiß, was ihm morgen befohlen.

Doch ehe wir scheiden, eh' Kriegsdämonen
Übers Auge den blutigen Schleier decken,
Eh' wieder wie Tiere getrieben ins Blinde
Wir, auf Jacke zielend, uns niederstrecken,
Hör' noch ein Wort, mein französischer Bruder,
Und gieb es weiter den Kameraden:
Wir sind noch Spielpuppen für die Großen
Und figuriren auf ihren Plakaten.

Auf die Szene geschoben wie Gladiatoren –
Dann spielt das nationale Orchester,
Und dann geht es los mit Hauen und Stechen,
Und eingescharrt werden die blutigen Rester.
Die Priester segnen die fleckigen Waffen,
Unserm Herrgott dankt man mit Glockenläuten,
Doch Gottlob! schon geschehen Zeichen auf Erden,
Die eine sichere Schwenkung bedeuten.

's giebt Volk, das ist müde der alten Komödie,
's giebt Volk, dem lodert im Herzen ein Feuer,
Das appelliert an des Herzens Stimme,
Stimmt gegen Pickelhaube, Blutsteuer.
's giebt Volk, das wünscht das Plakat zu kehren,
Groß schreibt es aufs Rückfeld: Wir sind es müde,
Wir spielen das alte Stück nicht weiter,
Es giebt ein neues – dies Stück heißt Friede.

Ja, du kannst glauben, es kommt ein Friede,
Ja, du kannst glauben, ein Bund wird erscheinen,
Deutsche, Franzosen, Schulter an Schulter
Werden begegnen sich und sich vereinen.
Fällt das Kommando und schallt das Orchester,
Reichen wir uns die Hände zum Bunde ...« –
»Deutscher Kamerad! Lebe wohl heut Abend!
Nimm dein Gewehr! Ich höre die Runde.«

Holger Drachmann.
(Nachgedichtet von Karl Henckell.)


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