François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechsunddreissigstes Kapitel

Wie in dem Tempel-Mosaik die Schlacht abgebildet war, die Bacchus den Indiern abgewann

Zu Anfang waren abgebildet verschiedentliche Städte, Dörfer, Schlösser, Burgen, Felder und Wälder, alle in Feuer stehend; ferner viel unsinnig rasendes Weibervolk, das wütend Kälber, Schafe und Hammel lebendig zerriß und das Fleisch verschlang. Kurz, man sah, wie Bacchus, als er nach Indien kam, alles mit Feuer und Blut verheert.

Desungeachtet ward er von den Indiern so gering geschätzt, daß sie nicht einmal wider ihn ausziehn mochten; denn sie hatten durch ihre Späher sichre Kundschaft, daß er in seinem ganzen Heer nicht einen einzigen Kriegsmann habe, nichts als ein armes, altes, kleines, weibisches, immer besoffenes Männlein und junges Landvolk war mit ihm, das splitternackend ging, stets tanze und springe und Schwänze und Hörner habe wie junge Ziegenböcke; dabei ein großer Haufen trunkener Weiber. Daher beschlossen sie, den Haufen ohne Schwertstreich ziehn zu lassen, gleich als ob es ihnen mehr zu Schande als Ruhm, zu Schimpf und Unehre, nicht zu Ehr und Siegespreis gereiche, ob solchem Volk zu triumphieren. Unter solcher Verachtung aber drang Bacchus immer tiefer ins Land und überzog alles mit Feuer (weil Feuer und Blitz des Bacchus väterliches Wappen ist) und mit Blut desgleichen (denn in Friedenszeiten macht er, nach dem Naturlauf, erst das Blut und zapft's dann im Kriege ab). Weiter war in den Wandbildern geschildert, wie Bacchus in die Feldschlacht rückte auf einem prächtigen Wagen von drei Jochen junger Panther gezogen. Sein Antlitz war wie eines jungen Kindes, zum Zeichen, daß kein guter Zecher jemals alt wird; rot wie ein Cherub, nicht ein Barthaar am Kinn. Am Haupte wuchsen ihm spitzige Hörner, und darauf trug er eine schöne Krone von Rebenblättern und Trauben, sowie ein karmesinrot Käpplein, und an seinen Füßen güldne Bundschuhe.

In seinem Zug war nicht ein einziger Mann zu sehn; all seine Truppen und ganze Leibwache waren tolle, wütende, verrückte Weiber mit Drachen gegürtet und zischenden Schlangen statt der Gürtel, mit wild im Winde flatterndem Haar, Stirnbinden von Ranken, angetan mit Hirsch- und Geißfell, in den Händen kleine Tyrsusstäblein, Streitäxte und Zinken schwingend und besondre leichte Schildlein, die, noch so sanft berührt, ein lautes Getöse gaben, die sie im Notfall statt Tambourinen und Pauken schlugen. Deren Zahl war 79 027. Die Vorhut ward vom Silen befehligt, einem Mann, auf den er sein Zutraun setzte, und dessen Tugend, Heldenmut und Klugheit er in vielen Fällen zuvor schon treu bewährt erfunden. Dies war ein kleines, krummes, schlottriges, schmerbauchiges Männlein mit großen aufgeregten Ohren, einer spitzigen Adlernase und großen, struppigen Augenbrauen. Er ritt auf einem Eselshengst, führte in der Faust einen Stock zur Stütze, um auch mit wacker dreinzuhaun, wenn's abzusitzen gält', und war in einen gelben Weiberrock gekleidet. Sein Heer bestand aus jungem Bauernvolk, gehörnt wie Geißböcke, wie die Löwen grimmig, fasernackend, allzeit singend und tanzend: und Satyrn hieß man sie; an Zahl betrugen sie 85 013 plus zwei Schock.

Pan führte den Nachtrab an, ein wilder, erschrecklich mißgestalter Kerl. Denn an dem untern Leibe glich er einem Bock; die Schenkel waren ganz zottig; himmelstarrende Hörner hatte er am Kopf; sein Angesicht wie Feuer rot, mit mächtig langem Bart daran: ein kühner, kecker, dreister Kerl und sehr geschwind zum Zorn zu reizen. In der linken trug er eine Flöte, in der rechten einen Hakenstock; sein Troß bestand aus Satyrn, Faunen, Lemuren, Laren, Irrwischen und Kobolden, 78 014 an der Zahl. Ihr allgemeines Feldgeschrei war das Wort Evoë.


 << zurück weiter >>