François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Zwanzigstes Kapitel

Wie Bruder Jahn dem Panurg in seiner Hahnrei-Angst Trost einspricht

»Versteh schon«, antwortete Bruder Jahn, »allein die Zeit bricht alle Dinge, selbst Marmor und Porphyrstein. Wenn es mit dir auch noch zur Zeit so weit nicht ist, wirst du in etlichen Jährlein schon ein ander Lied singen und eingestehn, daß mancher manches Ding bloß noch zum Wasserlassen braucht. Ich seh, das Haar wird dir schon grau auf deinem Kopf; dein Bart schaut aus wie eine Weltkarte mit den grauen, weißen, schwarzen und braunen Flecken. Bei meiner Kehle, Freund! Wann der Schnee erst auf den Bergen liegt, ich mein auf Haupt und Kinn, dann ist die Hitze im Hosental auch nicht mehr groß.« – »Daß dich das Mäuslein beiß!« antwortete Panurg. »Wenn der Schnee auf den Bergen liegt, ist in den Tälern Blitz und Donner, Sturm und alle Teufel los. Du spottest meiner grauen Haare und bedenkst nicht, daß es auch des Knoblauchs Natur ist. Hat er nicht einen weißen Kopf und grünen, stracken, saftigen Schwanz? Eine Art von Altersindizium (doch eines rüstigen grünen Alters) spür' ich allerdings schon: daß ich nämlich den guten Wein noch mehr nach meinem Geschmack find als wie sonst, und noch mehr als sonst dem Krätzer aus dem Weg geh. Hierin, merk wohl! steckt ein, ich weiß nicht was, von Sonnenuntergang, es zeigt, daß der Mittag vorüber ist. Allein was tut's mir gutem Gesellen, so frisch als je, mehr als zuvor? Meine Sorge ist nur, wenn unser Herr Pantagruel einmal auf lange Zeit verreist und, ging er gleich zu allen Teufeln, ich ihm Gesellschaft leisten müßt', daß dann mein Weib mich zum Hahnrei krönen könnte.« – »Ich will dich«, sprach Bruder Jahn, »ein Mittel lehren, wie dich dein Weib ohne dein Wissen und Willen nimmer zum Hahnrei machen soll.« – »Oh«, rief Panurg, »sag an, mein Freund, mein liebster Hodenmatz, ich bitt' dich drum, erzähl!« – »Bediene dich«, sprach Bruder Jahn, »des Ringes, den Hans Carvel, Großjuwelier beim König in Melindien, besaß.

Hans Carvel war ein kluger Zeisig, ein welterfahrner, betriebsamer Mann, von gutem Verstand, gesundem Urteil, kreuzbrav, leutselig, liebreich, spendabel, ein lustiger Philosoph, im übrigen aber der beste Gesell und Schäker, ein wenig dick von Leibsstatur, schon ein bißchen wackelig und nicht allzu flink mehr auf dem Zeug; Auf seine alten Tage freite er die Tochter des Amtsmanns Goncordat, schön, jung, flink, nett, mit Gesind und Nachbarn nur allzu zutunlich und freundlich. Daher war er nach Verlauf etlicher Wochen auf sie so eifersüchtig wie ein Tiger und argwöhnte, daß sie sich woanders am Zeug flicken lasse. Dem zu steuern, erzählte er ihr nun Tag und Nacht die schönsten Geschichten von dem Unheil des Ehebruchs, las ihr öfters die Legende von den klugen Jungfern vor, predigte ihr Keuschheit, schrieb ihr ein Buch vom Lob der ehelichen Treue, worin er die Bosheit verbuhlter Frauen bis in die Höll' verwünschte, und schenkte ihr ein schönes Halsband, reich besetzt mit orientalischen Saphiren. Nichtsdestoweniger sah er sie mit seinen Nachbarn so vertraut und guter Dinge, daß er tagtäglich nur immer eifersüchtiger wurde. Als er nun wieder eines Nachts bei ihr in solchen Gedanken lag, träumte ihm, daß er mit dem Teufel spräche und dem sein Leid klage. Der Teufel sprach ihm Mut ein, steckte ihm einen Ring an den mittelsten Finger und sprach: ›Ich schenk' dir diesen Ring; solang du ihn am Finger tragen wirst, wird nimmer ohne dein Wissen und Willen ein andrer fleischlich dein Weib erkennen.‹ – ›Ei, großen Dank, Herr Teufel!‹ sprach Carvel, ›Ihr sollt mich holen, wenn ich ihn je vom Finger laß.‹ – Der Teufel verschwand, Hans Carvel wachte ganz fröhlich auf und spürte auf einmal, daß er seinen Finger in dem Wasistdas seiner Frau hatte. – Ist dies nun nicht ein untrügliches Mittel? Darum folg du meinem Rat und nimm dir ein Exempel dran: zu keiner Zeit laß deiner Frau Ring vom Finger.« So endigten ihr Gespräch und Weg.


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