François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Vierunddreissigstes Kapitel

Wie der Mönch den Gargantua in Schlaf bracht' und von seinen Honoris und Brevier

Nach geendeter Mahlzeit ratschlagten sie von dringenden Sachen und fanden für gut, daß man um Mitternacht auf die Streif ausreiten sollt', die Feinde zu beobachten, was sie für Wacht und Ordnung hielten, mittlerweil aber etwas ausruhn, damit man desto frischer wär. Gargantua aber konnte nicht schlafen, wie er sich auch legt' und krümmt'. Da sprach der Mönch zu ihm: »Ich schlaf nimmer nach Herzens Wunsch als in der Predigt, oder beim Beten; ich ersuch Euch also: laßt uns hier beid miteinander die sieben Bußpsalmen vornehmen, ob Ihr nicht bald entschlafen sein werdet.« Die Erfindung gefiel dem Gargantua sehr wohl; sie fingen also den ersten Psalm zu beten an, und bei dem Vers: Beati quorum waren sie nebeneinander entschlafen. Aber der Mönch verfehlte niemals, vor Mitternacht sich zu ermuntern – so gar war er der Mettenstund im Kloster gewohnt, und wie er wach war, ließ er auch niemand weiterschlafen, sondern fing aus voller Kehlen das Lied zu intonieren an: »Ho Reinald, wach auf, erwache! O Reinald, ermuntere dich!«

Und als sie nun alle auf den Beinen waren, sprach er: »Ihr Herren, man sagt, die Frühmetten fängt an mit Husten und das Nachtessen mit Trinken. Laßt es uns umdrehn: fangen wir jetzt unsre Metten mit Trinken an, und heut abend, wann das Essen kommt, woll'n wir dafür eins husten, was hast, was kannst.« – »Wie?« sprach Gargantua, »sogleich trinken auf den Schlaf? Das wär der Vorschrift der Ärzte zuwider, man muß sich den Magen zuvor fein säubern von allem Abgang und Überlast.« – »Das heiß ich mal gearztet«, sprach der Mönch. »Es fahren mir doch gleich hundert Teufel zu Leib, wo's nicht mehr alte Säufer auf Erden denn alte Ärzte gibt. Ich hab mit meinem Hunger und Durst den Pakt getroffen, daß er sich allzeit mit mir muß legen; wenn ich dann aufsteh, ist er auch wieder auf mit mir. Säubert Euch nur immerzu von Eurem Kot, solang Ihr Lust habt; ich muß zu meinem Gezerr schaun.« – »Was für ein Gezerr? was meint Ihr damit?« frug Gargantua. – »Ei, mein Brevier«, antwortet' der Mönch; »denn wie die Falkenierer etwa ihren Vögeln, ehe sie sie atzen, ein Hühnerfüßel zu zerren geben, ihnen das Phlegma aus dem Herz zu purgieren und Lust zum Fraß zu machen, so ich des Morgens, wenn ich dies kleine holdselige Brevierlein in die Hand nehm, laxier ich mir die ganze Lung und bin flugs wieder zum Trinken geneigt.«

»Auf welche Weis'«, frug Gargantua, »betet Ihr diese edeln Horas?« – »Nach der Weis' von Fecan«, sprach der Mönch, »drei Psalmen, drei Lektionen, und wer keine Lust hat, der läßt's ganz bleiben. Ich unterwerf mich niemals den Stunden; die Stunden sind des Menschen halben, und nicht der Mensch für die Stunden gemacht. Darum mach ich's mit meinen Horasgebetlein wie mit den Steigriemen, kurz oder lang, nachdem mir's g'fällt. Kurz' Sprüchlein steigt rascher zum Himmel an. Ein langer Zug leert jede Kann'. Wo steht das g'schrieben?« – »Mein Treu, ich weiß nit«, sprach Ponokrates, »aber traun, du bist Goldes wert, liebs Kuttenmännel!« – »So schlag ich Euch nach«, sprach der Mönch. »Aber kommt, laßt uns trinken!«

Da wurden Braten die Füll und schöne Frühsuppen zugericht, und der Mönch trank nach Herzenswunsche. Etliche taten ihm Bescheid, die andern enthielten sich. Zog darauf ein jeder sein Wehr und Rüstung an und sie wappneten auch den Mönch, wider seinen Willen; denn er wollt' kein ander Geschmeid als seine Kutt vor dem Magen und in die Faust den Kreuzstock. Aber es half nix, er ward geharnischt von Kopf zu Fuß, ein langer Säbel ihm umgehangen, und sie setzten ihn auf ein stattlich Roß. Gleichergestalt Gargantua, Ponokrates, Gymnast, Eudämon und fünfundzwanzig der wildesten von Grandgoschiers Hofgesind, alle schwer gewappnet, die Speer in Fäusten, beritten wie Sankt Jörg, und jeder einen Schützen hintenauf.


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