François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Sechsunddreissigstes Kapitel

Wie Gargantua auf des Pikrocholus Vortrab stieß, und wie der Mönch den Hauptmann Vorneweg umbrachte, darauf er von den Feinden gefangen ward

Pikrocholus kam auf den Bericht derer, die dem Gemetzel, in welchem Kuttler entkuttelt ward, entronnen waren, vor schwerem Zorn schier außer sich, als er vernahm, wie die Teufel sein Volk überfallen hätten, und hielt Rat die ganze Nacht, darin Frühträubel und Starenstör beschlossen, sein Heer wär mächtig gnug, daß er damit alle Teufel der Höll, wenn sie kämen, ins Bockshorn jagen könnte. Welches Pikrochol zwar gänzlich nicht glaubt', doch auch darin kein Mißtraun setzte. Er schickte also unter Kommando des Grafen Vorneweg sechzehnhundert Reiter aus, das Land zu erforschen, allesamt auf leichten Pferden zum Scharmützel, mit Weihbrunn alle wohl eingesprengt, und, als Feldzeichen, jeder von ihnen mit einer Pfaffenstol beschärpet, auf alle Fäll, wenn die Teufel kämen, sowohl durch Kraft des heiligen Wassers als der Stolen, sie auszutreiben und zu verscheuchen. Selbige ritten also vor, bis Vauguyon, bis an das Siechenhaus, trafen aber nirgend auch nur eine redende Seele an, derhalb sie wieder auf der Höh zurückritten und bei Couldray im Hirtenhäuslein und Schuppen die fünf Pilger fanden, welche sie weidlich verschnürt und geknebelt als Spione mit sich führten, ungeachtet alles Schwörens, Klagens und Flehens, so sie erhuben. Von da gen Seuillé hinunterreitend, wurden sie vom Gargantua gehört, und der sprach zu seinen Leuten: »Gesellen, hier kommt ein Trupp heran, und sind an Zahl weit über zehnmal mehr denn wir. Sollen wir einhaun?« – »Teufel, was sonst?« antwortet der Mönch; »schätzt Ihr die Leut nach der Zahl, und nicht nach Tugend und Tapferkeit? Ho Teufel, haut ein! haut ein!« Als die Feind dies vernahmen, meinten sie nicht anders, es wären wahrhafte Teufel, und fingen an mit verhängtem Zaum davonzustreichen, bis auf den Vorneweg, der seinen Speer einlegt' und im vollen Ritt dem Mönch hart auf die Brust rannte. Aber sowie er auf die erschreckliche Kutt anprallt', bog sich das Eisen um, wie wenn ihr mit einem dünnen Wachsstock wider einen Amboß schlüget. Darauf gab ihm der Mönch mit seinem Kreuzstock zwischen Hals und Halskraus aufs Schulterblatt ein so mörderlichs, daß er ihn, ganz verdutzt und aller Besinnung und Bewegung beraubt, unter die Füß seines Gaules streckte.

Und wie er die Stolen sah, die er als Schärp umhatt', sprach er zu dem Gargantua: »Es sind eitel Priester, das ist nur erst ein Anfang zum Mönch. Beim heiligen Jahn! Ich aber bin ganzer Mönch, ich will sie Euch wie die Mucken plätzen!« Er jagt sodann im gestreckten Galopp hinterdrein, bis er die letzten ertappt', und senset' sie der Kreuz und Quer wie Roggen zusammen. Unterdessen frug Gymnast den Gargantua, ob sie ihnen nachsetzen sollten. Aber Gargantua sprach: »Mitnichten. Denn nach rechter Kriegsart soll man niemals den Feind zur Verzweiflung treiben, weil solche Not ihm die Kraft nur mehrt und den Mut erfrischt, der schon erloschen und kleinlaut war.« – Während die andern nun unter den Nußbäumen hielten, jagt' der Mönch immer vorauf und schlug ohn Gnad alles tot, was er antraf, bis er einen Reiter ereilt', der einen von den armen Pilgern hinter dem Sattel mit sich führt', und er wollt' ihm eben den Garaus machen; da schrie der Pilger: »Ha, Herr Prior! Mein Freund, Herr Prior, helft mir! ich bitt Euch!« Als die Feinde dies vernahmen, ritten sie zurück, und wie sie niemanden als den Mönch da sahen, der diesen Teufelsspuk machte, beluden sie ihn mit Hieben wie einen Esel mit Holz; aber er spürt' gar nix davon, zumal was auf die Kutten fiel, so eine harte Haut hatt' er. Drauf gaben sie ihm zwei Schützen zur Bewachung, drehten die Pferd um, und als sie sahen, daß niemand wider sie ankam, meinten sie, Gargantua wär mit seinem Geschwader davongeflogen. Sie rannten demnach so rasch sie konnten auf das Nußhölzchen zu, ihnen nach; und ließen dort den Mönch allein mit seinen beiden Wächtern, den Schützen. Gargantua aber hört' das Getümmel und Pferdegewieher und sprach zu den Seinen: »Ihr Gesellen, ich hör' die Spur unsrer Feinde und erkenne auch schon etliche aus dem Schwarm, der wider uns ansprengt. Lasset uns hier zusammenschränken, die Straß in Reih und Glied einnehmen: so woll'n wir sie empfangen, ihnen zum Schaden und uns zur Ehr.«


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